BRIGITTE: Ihr Buch "Das Neue Land" liest sich streckenweise wie ein politisches Manifest. Eigentlich sind Sie Unternehmerin. Woher kommt die Lust, sich gesellschaftlich einzumischen?
Verena Pausder: Klar, ich hätte mich auf meine "Kernkompetenz", die digitale Bildung, beschränken können. Aber da draußen brodelt so viel: Klimaschutz, Gleichberechtigung, New Work ... Wo sind die aus meiner Generation der 30- bis 50-Jährigen, die sich dazu klar positionieren? Es reicht nicht, Probleme zu benennen und sich dafür zu feiern. Wir müssen schneller ins Umsetzen kommen, wenn wir die Zukunft gestalten wollen.
Über die wir nur mutmaßen können: Es heißt, dass 65 Prozent der heutigen Grundschüler*innen in Jobs arbeiten werden, die wir noch gar nicht kennen.
Deshalb sollten wir jetzt so viel wie möglich ausprobieren. Vor Corona hätte doch kaum jemand Homeoffice im großen Stil und Homeschooling für zehn Millionen Kinder für machbar gehalten. Jetzt ist es höchste Zeit, dafür zu sorgen, dass wirklich alle diese digitalen Möglichkeiten und diese Flexibilität nutzen können.
Wie ließe sich das konkret schaffen?
Zum Beispiel sollten wir Mädchen besser für die Berufe ausbilden, die in einer digitalisierten Welt wichtig werden.
Und wenn die sich partout nicht für IT-Studiengänge interessieren?
Dann muss man diese Studiengänge eben so konzipieren, dass sie auch Menschen ansprechen, die nicht ihre gesamte Schulzeit auf LAN-Partys verbracht haben. Mit einer "Quote von unten" könnten sich Universitäten außerdem verpflichten, in solchen Fächern mehr Frauen aufzunehmen. Und Schulen müssten dafür sorgen, dass im Physik-Leistungskurs nicht nur Jungs sitzen. So schaffen wir auch mehr Gleichberechtigung. Denn all das sind Studiengänge, die ihre Absolvent*innen oft nach ganz oben führen.
Zur Gleichberechtigung würde auch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen, schreiben Sie im Buch. Welche Ideen haben Sie hierfür parat?
Neue Arbeitsmodelle wie Jobsharing müssen breiter gelebt werden. Und es kann doch nicht sein, dass eine Frau wie die Westwing-Gründerin Delia Lachance ihr Vorstandsmandat niederlegen muss, um in Mutterschutz zu gehen, weil sie sonst weiter die volle Haftung träfe. 2020! Mit der Kampagne #stayonboard, die ich mit vielen Unterstützer*innen ins Leben gerufen habe, will ich durch eine Ergänzung des Aktiengesetzes Auszeiten für Vorständ*innen ermöglichen – damit die Chefetagen menschlicher werden.
Chancengerechtigkeit ist ein weiteres Thema, das Ihnen wichtig ist. Sie fordern etwa, dass schon 16-Jährige wählen, um besser mitbestimmen zu können. Auch die Gründerszene soll vielfältiger werden.
Und damit meine ich nicht nur: mehr Frauen. Auch die Herkunft muss bunter werden. Eine Monokultur, in der Unternehmerkinder wie ich den Kuchen unter sich aufteilen, kann nicht gut sein für eine Gesellschaft. Wer eine gute Idee hat, sollte sie umsetzen können, unabhängig von Herkunft und Umfeld. Darum sind mein Mann und ich Co-Gründer der Non-Profit-Initiative "Startup Teens". Ihr Ziel ist es seit fünf Jahren, 14- bis 19-Jährige direkt zu erreichen, etwa über Youtube, um sie in Mentor-Programmen, oder Businessplan-Wettbewerben unternehmerisch fit zu machen.
Welche Firmenideen haben die Teenies?
Erstaunlich nachhaltige und gesellschaftlich relevante. Sehr berührt hat mich eine 14-Jährige, die für ihre Kreisliga eine App entwickelt hat. Mit ihr werden Spiele und Schiedsrichter*innen so fair "gematcht", dass Beeinflussung ausgeschlossen und echte Chancengleichheit möglich ist – zumindest auf dem Fußballplatz.

Verena Pausder, 41, ist eine der bekanntesten Gründerinnen Deutschlands. Mit "Fox & Sheep", einer Spiele-App für Kinder, der "HABA Digitalwerkstatt" und der Initiative "Digitale Bildung für Alle e. V." setzt sie sich seit Jahren für digitale Bildung ein. In der Corona-Zeit initiierte sie die Plattform www.homeschooling-corona.com. Ihr Buch "Das Neue Land" ist bei Murmann erschienen (200 S., 20 Euro).
Ein energiegeladenes Manifest für mehr Einfach-Machen. Pausder schreibt ihr Buch als große Rede, die aufrüttelt, und liefert viele konkrete Ideen für Wirtschaft, Bildung, Politik. Ob sie sich auch umsetzen lassen? Die Diskussion ist hiermit eröffnet.
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