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Abortion Buddy "Ich würde mit dir kommen"

Abortion Buddy: "Ich würde mit dir kommen"
© Paylessimages / Adobe Stock
Wer sich in Deutschland für eine Abtreibung entscheidet, hat bis zum Eingriff zahlreiche Hürden vor sich. Die Initiative "Abortion Buddy" will die Frauen damit nicht alleine lassen.

Es war keine Entscheidung, sondern ein Wille. So beschreibt Hannah K.*, heute Mitte 20, den Moment im Februar 2022, als sie den Test in der Hand hielt. Sie habe sofort gewusst: Ich will nicht schwanger sein. "Am liebsten hätte ich den Abbruch am selben Tag gemacht oder am nächsten." Doch das geht nicht. Abtreibungen sind nach Paragraf 218 Strafgesetzbuch illegal und bleiben nur straffrei, wenn man binnen zwölf Wochen nach der Empfängnis eine Pflichtberatung wahrnimmt und danach eine Wartezeit von drei Tagen einhält.

Es sei belastend gewesen, "durch halb Berlin zu rennen, wenn es dir körperlich nicht gut geht", erinnert sie sich. Erst zum Beratungsgespräch bei Pro Familia, dann zur Krankenkasse, um nach einer eventuellen Kostenübernahme zu fragen, schließlich die Suche nach der passenden Ärztin. 40 habe sie abtelefoniert. "Jedes Mal musste ich wieder alles erzählen." Am neunten Tag konnte sie den Abbruch machen lassen. Zwei Freundinnen begleiteten sie. Für Hannah K. waren sie eine wichtige Stütze nach den aufwühlenden Tagen davor. "Ich war extrem erleichtert über diese Art von Solidarität."

Kurze Zeit später las sie von einem Projekt in den Niederlanden: Die Initiative "Samen naar de Kliniek" (deutsch: "Gemeinsam in die Klinik") bietet solche Begleitungen allen Schwangeren an, die eine Abtreibung vor sich haben. Nicht nur, damit sie sich nicht allein fühlen: Die Eingriffe werden in den Niederlanden in Krankenhäusern oder Fachkliniken vorgenommen. Für die Versorgung ist das gut, aber es zieht auch Abtreibungsgegner:innen an, die die Frauen auf ihrem Weg zum Eingriff mit Embryo-Plakaten und Moralbotschaften belästigen. In Deutschland finden Abtreibungen eher dezentral statt, etwa in Praxen. Belästigungen sind hier seltener, kommen aber ebenfalls vor.

Kein Tabu mehr!

Aus diesem Grund – vor allem aber, weil ihre Begleiterinnen so wichtig für sie waren – gründete Hannah K. im Juni 2022 auf Instagram eine ähnliche Initiative: "Abortion Buddy" – ein Netzwerk von Freiwilligen, die Frauen auf Wunsch zum Abbruch begleiten, sie aber auch emotional unterstützen und mit ihnen am Telefon oder via Chat über ihre Sorgen und Ängste sprechen. 15 Freiwillige stellen sich aktuell auf der Instagram-Seite der Gruppe vor und versprechen: "Ich würde mitkommen." Die meisten sind aus Berlin, doch es gibt auch Buddys in Köln und Hannover. "Eine ganze Flut an Anfragen von Freiwilligen" erhielten sie derzeit, erzählt Hannah K. Das sechsköpfige Leitungsteam arbeite nun daran, ein deutschlandweites Angebot zu organisieren und sicherzustellen, dass die neuen Buddys die nötige Sensibilität und das Basiswissen zum Thema mitbringen.

"Abortion Buddy“ ist eine Art Räuberleiter, die Frauen über Hürden helfen soll, die Hannah K. gern einreißen würde. "Mein übergeordneter Wunsch ist es, Abtreibung zu normalisieren": raus aus dem Strafgesetzbuch, rein in normale Gespräche unter Freunden und Kolleginnen. "Weil niemand darüber spricht, denken viele, sie sind die Einzigen in ihrem Umfeld." Auch ihr sei das erst so gegangen. Dabei wurde laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung etwa jede sechste Frau schon mindestens einmal ungewollt schwanger. 43 Prozent davon entschieden sich für einen Abbruch.

Doch es sind nicht nur die restriktiven Gesetze, die den Zugang erschweren, es gibt auch immer weniger Gynäkolog:innen, die den Eingriff durchführen. Seit 2003 hat sich laut Statistischem Bundesamt die Zahl der entsprechenden Praxen und Kliniken auf rund 1100 halbiert. Gerade Frauen in ländlichen Gegenden müssen für eine Behandlung manchmal mehr als hundert Kilometer weit fahren.

So kann "Abortion Buddy" helfen

Uta Engelhardt ist Landesgeschäftsführerin bei Pro Familia Niedersachsen, einem Landesverband des gemeinnützigen Verbands mit etwa 80 Mitarbeitenden, die die gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen durchführen. Das Recht auf eine professionelle und unabhängige Beratung ist Engelhardt wichtig. Doch selbst ihr wäre es lieber, wenn aus der Pflicht ein freiwilliges Angebot würde: "Die Kriminalisierung muss aufhören." Die Idee von "Abortion Buddy" begrüßt die 62-Jährige – gerade weil Frauen, die bei ihrer Abtreibung sonst alleine wären, eine Begleitung finden könnten oder jemanden für längere Gespräche. Denn wie Hannah K. sieht auch Engelhardt in den letzten Jahrzehnten keine substanziellen Fortschritte beim Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper: Reformversuche des Paragrafen 218 seien stets von Regierungen oder Bundesverfassungsgericht verhindert worden.

Innerhalb des eng gesteckten gesetzlichen Rahmens versuchen Hannah K. und ihr Team nun zu helfen. Seit Juni haben sie fast zwanzig Frauen begleitet. Ein Fall, sagt Hannah K., sei ihr besonders ans Herz gegangen: Die Frau hatte sich für einen operativen Abbruch entschieden. Wegen möglicher Nachwirkungen der Narkose muss man als Patientin dabei zusichern, nach der OP von jemandem abgeholt zu werden. Doch die Frau war alleinerziehend, mit kleinem Kind, und neu in die Stadt gezogen. "Ohne uns", sagt Hannah K., "hätte sie es einfach nicht machen können."

*Name ist der Redaktion bekannt

Brigitte

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