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"Was zur Hölle stimmt mit euch nicht?" Wut-Post eines Krankenpflegers zu Corona geht viral

Die Zahl der Corona-Infizierten steigt. Jetzt hat ein Krankenpfleger auf Facebook seine Wut über die Zustände im Gesundheitssystem zum Ausdruck gebracht. 

"Seit der Corona Krise werden wir beklatscht und bejubelt, Leute stehen auf dem Balkon und feiern uns. Aber soll ich euch etwas sagen? Es juckt mich ein Scheiß". Es sind heftige Worte, die Krankenpfleger Ricardo Lange schreibt. Sie bringen den tiefen Frust des jungen Mannes über die Zustände im deutschen Gesundheitssystem zum Ausdruck. 

Zwar werden die medizinischen Fachkräfte in unserem Land und weltweit seit Ausbruch der Corona-Pandemie mit Dankesbekundungen wie dem solidarischen Klatschen der Menschen abends auf ihren Balkonen bedacht – doch Krankenpfleger Lange ist das nicht genug.

"Kaputt gespart und verheizt"

Er wolle mit seinen Worten niemandem auf die Füße treten, schreibt er, es gehe ihm vielmehr darum, seinen Ärger auszudrücken. "Seit Jahren wird das Gesundheitssystem kaputt gespart und das Personal verheizt. Das Wort Freizeit und Familie kennen viele schon gar nicht mehr. […] Was bringt mir das Geklatsche, wenn sich für uns weiterhin nichts ändert?"

Er rechnet nicht damit, dass sich durch die aktuelle Krise nachhaltig etwas im Gesundheitssystem ändern wird und erwartet, dass es seiner Branche auch in Zukunft an Personal fehlen wird. "Und gerade jetzt, wo wir am meisten Unterstützung brauchen fehlt es an allem. Die Personaluntergrenze wurde aufgehoben, jetzt muss jede Pflegekraft wieder mehr Patienten versorgen."

Es wird einfach ausgenutzt, dass wir nicht streiken können, da hier sonst Menschen sterben.

Zusätzlich werde seine und die Arbeit seiner Kolleg*innen durch den Mangel an Schutzkleidung erschwert. Jeder bekomme nur eine Maske pro Schicht. "Dafür sind die gar nicht ausgelegt. Was ich aber noch viel schlimmer finde ist, dass es Angehörige gibt, die unsere Masken geklaut haben, sogar das Desinfektionsmittel wurde teilweise geleert und mit Wasser aufgefüllt. Was zur Hölle stimmt denn mit euch nicht?"

Zu all den Schwierigkeiten bei der Arbeit komme außerdem noch Frust beim Einkaufen hinzu: "Wenn meine Kollegen und ich nach der Schicht heim fahren und einkaufen wollen ist alles leer. Dann rennt man von Supermarkt zu Supermarkt um wenigstens die wichtigsten Dinge zu bekommen. Es wurde sogar schon auf Station Toilettenpapier gegen Gemüse getauscht. Kein Witz!"

Ricardo Lange fordert echte Solidarität: "Ihr wollt uns wertschätzen? Gut, dann hört auf euch wie Egoisten zu verhalten. Kauft nur das, was ihr wirklich benötigt und vergesst nicht, dass es Menschen gibt, die arbeiten müssen, oder ältere die eben nicht die Möglichkeit haben große Ladungen nach Hause zu schleppen". 

"Bezahlt uns besser – jetzt!"

Von der Politik fordert er eine bessere Bezahlung für die Kolleg*innen seiner Branche und bessere Arbeitsbedingungen: "Hört auf eure Diäten zu erhöhen, macht unseren Beruf wieder attraktiver durch bessere Bezahlung und vor allem durch bessere Arbeitsbedingungen. Es reicht! Ihr wollt Fachkräfte? Dann bezahlt sie auch wie solche! Nicht morgen, nicht irgendwann. Jetzt! Sonst wird in Zukunft niemand mehr da sein, der eure ganzen neuen Beatmungsmaschinen bedient"

Zuletzt wünscht der Krankenpfleger sich, dass seine und die Probleme seine Kolleg*innen nicht wieder in Vergessenheit geraten, wenn eines Tages die Coronakrise ausgestanden ist: "Denn wir gehen dann weiterhin jeden Tag zur Arbeit und kümmern uns um euch oder euren Angehörigen".

Die klaren Worte des Krankenpflegers scheinen einen wichtigen Nerven getroffen zu haben, denn sein Post wurde schon mehr als 130.000-fach geteilt und mehr als 25.000 Mal kommentiert (Stand 2.4.). Darin steht zum Beispiel zu lesen: " Da gibt es nichts mehr zu ergänzen... Super Statement 👍". Jemand Anderes schreibt: " Ich denke, Sie haben vollkommen Recht. Aber die, die klatschen, können nichts dafür und sind einfach dankbar, dass alle so einen guten Job machen."

Coronavirus: Intensiv-Pflegerin postet Wutrede

"Lasst uns erst nach der Krise um Gehalt kämpfen!"

Dass viele Pflegefachkräfte ähnlich wie Ricardo Lange denken, zeigen beispielsweise aktuelle Petitionen wie diese – "Corona-Krise: Gemeinsamer Aufruf von Pflegefachkräften an Jens Spahn!" – in der unter anderem "sofort eine verlässliche Zusage über eine kräftige staatlich finanzierte Lohnzulage" und die Sicherstellung der Zulieferung von Schutzausrüstung gefordert wird. Diese Petition erhält sehr viel Zuspruch. 

Es gibt allerdings auch andere Stimmen aus der Medizin, wie etwa die dieser Krankenschwester, die bittet: "Lasst uns erst nach der Krise um Gehalt kämpfen!"

mh

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