Zeigen, wenn man verärgert ist, gar fluchen wird bei Männern als leidenschaftlich angesehen, Frauen hingegen sind hysterisch. Machen Männer Fehler, bekommen sie eine zweite Chance, Frauen brauchen einen neuen Job.
Männer bekommen zweite Chancen, Frauen brauchen einen neuen Job
Das beste Beispiel ist die Politik. Anne Spiegel, die ehemalige Bundesfamilienministerin, trat zurück, nachdem sie scharf kritisiert wurde, zum falschen Zeitpunkt Urlaub mit der Familie gemacht zu haben. Sie entschuldigte sich zwar, das half jedoch nichts, der Druck wurde zu groß, sie trat zurück. Als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wirre Neuerungen in der Coronapolitik verkündete und diese per Twitter wieder zurücknahm, wurde nur mit den Schultern gezuckt. Na ja, passt schon. Und dass Herr Wissing die Klimaziele erneut mit Anlauf verfehlt, wird auch nicht weiter diskutiert.
Diese Liste könnte man jetzt unendlich weiterführen. Was das mit dem Feminismus zu tun hat? Vieles, denn die Wahrnehmung unabhängiger starker Frauen ist genau das Problem, welches auch der Feminismus hat.
Ich selbst bin Feministin, was für mich bedeutet, für eine gleichberechtigte Gesellschaft einzustehen. Dabei geht es mir nicht nur um Frauen, sondern um alle Menschen. Ich habe nicht die Absicht, mit Stöckelschuhen auf dem Rücken der Männer zu tanzen und die Macht an mich zu reißen, ich will lediglich auch etwas von dieser Macht abhaben. Feminismus bedeutet nicht, das Patriarchat in ein Matriarchat umzukehren. Es bedeutet, alle Menschen anzuheben und auf Augenhöhe zu platzieren – egal ob Frau, Mann, trans oder nonbinär, egal welche Hautfarbe, Religion oder Sexualität.
Weiblichkeit und Feminismus gehen Hand in Hand
Das veraltete Bild einer Feministin, die möglichst männlich erscheint, entspricht schon lange nicht mehr dem modernen Feminismus. "Ich kann Lippenstift tragen, Pink anziehen und trotzdem Business Deals verhandeln", schreibt die Unternehmerin Tijen Onaran auf ihrer Instagram-Seite. "Mein Lippenstift lässt mein Hirn nicht schrumpfen". Weiblichkeit und der Kampf für eine gerechte Gesellschaft schließen einander nicht aus, ganz im Gegenteil, sie ergänzen einander perfekt. Denn jede:r sollte genauso sein dürfen, wie er:sie nun mal ist.
Feministin zu sein, bedeutet für mich nicht, auf meine feminine Seite verzichten zu müssen, um im Leben weiterzukommen. Und es bedeutet auch nicht, dass ich bei hoffnungslos romantischen Filmen nicht auch mal eine Träne verdrücke. Ich kann durchaus auf meinem rosafarbenen Sofa sitzen, mit einem Kaffee in einem wunderschönen pastellfarbenen Becher, und mich mit einem feministischen Buch darüber aufregen, dass wir Frauen noch immer nicht genauso bezahlt werden wie Männer. Das sind keine Gegensätze.
Feminismus bedeutet, alle Menschen einzuschließen
Ich bin Feministin, aber man(n) kann mir trotzdem die Tür aufhalten. Feminismus bedeutet nicht, sich von einer Etikette abzuwenden oder es nicht charmant zu finden, wenn einem der Stuhl zurechtgerückt wird. Feminismus bedeutet für mich, sich mit seinem:seiner Partner:in austauschen zu können, gemeinsam zu reflektieren und anzuerkennen, dass es noch Unterschiede gibt, für deren Aufhebung es zu kämpfen gilt. Feminismus bedeutet für mich ein Zusammenschluss aller und nicht ein Ausdifferenzieren.
Was ich allerdings schon möchte, ist, das Dagewesene zu bedrohen, ich möchte raus aus dem "Das haben wir schon immer so gemacht"-Strudel. Ich möchte Veränderung, und ich will das Patriarchat stürzen, aber eben nicht mit wildem Schrei und Getöse. Ich werde laut sein, und der eine oder die andere wird mich vielleicht als unangenehm beschreiben, aber das ist mir egal – denn nur so kommen wir an unser Ziel.
Ich möchte denen einen Spiegel vorhalten, die all die Privilegien in unserer Gesellschaft bunkern und sich immer kopfschüttelnd fragen, was diese jammernden Frauen denn eigentlich für ein Problem haben. Ich möchte der nächsten Generation zeigen, dass es in Ordnung ist, als Frau laut zu sein, zu fluchen und Fehler zu machen, und ich möchte, dass Männer Gefühle zeigen, über Probleme reden und sich schminken können, wenn sie Bock darauf haben. Ich möchte unser aller Leben verbessern – das ist mein Feminismus.