Es ist schön, wie viele Menschen mit anpacken und heimatlos gewordene Ukrainer:innen in ihrem Zuhause beherbergen. Doch neben den vielen praktischen Fragen stellen sich auch Fragen psychologischer Natur: Wie begegne ich traumatisierten Menschen? Wie lange kann ich mein Angebot wirklich aufrechterhalten und was bedeutet das für mein Leben? Die Moderatorin Dunja Hayali hat selbst jemanden aufgenommen und auf Instagram beschrieben, mit welchen Fragen sie sich konfrontiert sieht und was man bedenken sollte.
"Das fängt beim Impfstatus an und hört bei Behördengänge noch lange nicht auf. Welche Fragen stelle ich, wie gehe ich mit Traumata, Sorgen oder Zukunftswünschen um? Welche Bedürfnisse kann ich wirklich erfüllen und wo muss ich aufpassen, nichts zu versprechen, was ich nicht werde halten können? Insbesondere muss man sich im Vorfeld auch die Frage stellen: wie lange bin ich wirklich in der Lage, jemandem ein Obdach zu geben? Kann ich wirklich mein Leben so organisieren, dass dies auch meinen Gästen gerecht wird? Wie viel Zeit und Raum kann ich den Menschen tatsächlich geben? Wie gehe ich mit der hieraus zwangsläufig resultierenden Veränderung auch innerhalb der eigenen Familie um?Das klingt angesichts der schrecklichen Bilder aus der Ukraine, den Zerstörungen und dem Leid der Menschen vielleicht unwichtig und banal, aber was die Menschen sicherlich am wenigsten brauchen, sind weitere Enttäuschungen oder nicht eingehaltene Versprechen."
Diese Fragen sollen euch keinesfalls entmutigen, schutzsuchende Menschen aufzunehmen. Denn wer Menschen in größter Not ein temporäres Zuhause schenkt, leistet unbezahlbare Hilfe. Trotzdem ist es sinnvoll, sich vorher ein paar Gedanken zu machen, damit es für alle eine positive Erfahrung wird.
Kann ich auch jemanden aufnehmen? 10 Fragen und Antworten als Entscheidungshilfe:
- Wie lange sollte mein Beherbungsangebot gelten?
Ihr solltet mit mindestens vier Wochen planen, schreibt die Plattform unterkunft-ukraine.de, die Hilfesuchende vermittelt. Genaueres könnt ihr dann direkt mit euren Gästen vereinbaren.
- Muss ich den oder die Vermieter:in über meine Gäste informieren?
Nein, ein Aufenthalt von sechs bis acht Wochen gilt laut Mieterbund als "erlaubnisfreier Besuch". Es kann aber nicht schaden, den oder die Vermieter:in über die neuen Mitbewohner:innen zu informieren.
- Wer übernimmt die Extrakosten für Lebensmittel, Hygieneartikel, Mobilität, etc., die während der Beherbergung anfallen?
In der Regel verfügen die Menschen aus der Ukraine über eigene finanzielle Mittel. Hilfsangebote von Kleiderkammern oder "Tafeln" etwa könnt ihr der Tagespresse, den Websites eurer Kommune, der Kirchengemeinden und der Hilfsorganisationen entnehmen.
- Erhalten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Sozialleistungen und medizinische Versorgung?
Ja. Sofern Bedürftigkeit besteht, erhalten sie "Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts" und medizinische Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Hierzu ist eine Registrierung in den Aufnahmeeinrichtungen oder Ausländerbehörden erforderlich. Nach erfolgter Registrierung wird eine Bescheinigung (Ankunftsnachweis oder Anlaufbescheinigung) ausgestellt, die dann bei den entsprechenden Behörden vorzulegen ist.
- Müssen ukrainische Staatsangehörige Asyl beantragen?
Nein. Der erforderliche Schutz wird zurzeit auch ohne Asyl gewährt. Das Recht, zu einem späteren Zeitpunkt einen Asylantrag zu stellen, besteht jedoch unabhängig davon fort.
- Muss ich bei Behördengängen unterstützen?
Nein. Für Helfer:innen besteht keine gesetzliche Verpflichtung, bei Behördengängen zu helfen. Wer Bedenken hat, dass er das neben seinem Job nicht leisten kann, kann trotzdem Menschen aufnehmen.
- Dürfen die Geflüchteten einer Arbeit nachgehen?
Ja. Den Geflüchteten wird eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Dieser Aufenthaltstitel berechtigt automatisch zur Aufnahme einer selbständigen oder unselbstständigen Beschäftigung.
- Wie gehe ich mit traumatisierten Menschen um?
Diana Henniges, Gründerin der Berliner Bürgerinitiative "Moabit hilft", sagte dem "Tagesspiegel", einfache, aber wichtige Fragen seien: "Haben Sie, hast Du da gut geschlafen?", "Was brauchst Du oder brauchen Sie?" Fragen wie „Sie haben sicher Schlimmes erlebt! Was denn genau?“, besser nicht stellen, da diese Traumata reaktivieren können. Außerdem sei es wichtig, den Menschen und ihren Bedürfnissen Raum zu lassen, und auch man selbst solle seine eigenen Grenzen beachten, sich Ruhepausen und Abstand gönnen. Weitere Infos gibt es im kostenlosen Praxisleitfaden "Traumasensibler und empowernder Umgang mit Geflüchteten" der "Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychozozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer" (BAFF), den ihr hier downloaden könnt.
- An wen kann ich mich wenden, wenn meine Gäste psychologischen Beistand brauchen?
Es besteht eine große Hilfsbereitschaft bei Organisationen und Kirchen, so dass es sicher auch Angebote in eurer Nähe gibt. Informationen hierüber findet ihr ggf. in der Tagespresse, auf den Websites der örtlichen Gemeinde, der Kirchengemeinden oder auch bei Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Caritas oder der Diakonie.
- Was ist mit Corona?
Viele Flüchtende sind nicht gegen Corona geimpft. Deshalb ist es sinnvoll, dass sie zumindest Schnelltests machen. Auch sie haben Anspruch auf die kostenlosen Corona-Bürgertests.
Verwendete Quellen: BMI, Spiegel, #UnterkunftUkraine, Tagesspiegel