Nika Iranis Instagramprofil ist anders. Die junge Influencerin hat meist kaum etwas an. Verdeckt wird nur das, was Instagram nicht sehen will: Nippel – von Frauen. Was hingegen viele andere nicht sehen wollen, zeigt Nika: weibliche Körperbehaarung – im Intimbereicht, an den Achseln, an den Beinen. All die Haare, an denen sich niemand stört, solange sie an Männerkörpern zu finden sind. Frauen hingegen trauen sich erst seit kurzem wieder, wachsen zu lassen. Es sind wenige, die den Mut oder die Liebe zu sich selbst oder die Kombination aus beidem aufbringen. Und die, die es tun, fallen immer noch auf. Viele finden alle Haare "eklig", die sie nicht auf dem Kopf tragen. Woran das liegt, ist uns allen wohl mittlerweile klar: Wir sind so erzogen, so sozialisiert. Frauenkörper sollen glatt und makellos sein, so wie die Coverbilder der TV-Spielfilm mit denen wir in den 90ern groß geworden sind.
Aufbruch
Das aufzubrechen, zurück zu einem neuen, alten normal zu kommen, daran arbeiten wir uns nun ab. Allen voran: Nika, die sich zeigt, wie sie ist, ohne irgendwo was abzurasieren. Dass ihr das auch nicht immer leicht fällt, erklärt sie in ihrem sehr ehrlichen Posting auf Instagram. "Meine größte Unsicherheit was meine Körperbehaarung angeht, waren und sind immer noch meine Beinhaare."
"Ich habe mich nur noch in der Toilette umgezogen."
Solange wir Kinder sind, interessiert sich niemand für irgendwelche Haare, schreibt sie. Später sehe das hingegen schon anders aus: "Ich erinnere mich sehr gut wie ich in der 6. Klasse die Schule gewechselt hab und in der Mädchenumkleide ausgelacht worden bin, ab dem Tag hab ich mich nur noch in der Toilette umgezogen." Dass sie anders ist, zeigte sich nicht nur am Akzent der Iranerin, sondern auch an ihren Körperhaaren. Da half es auch nicht, dass auch andere Mädchen (mit indischen und afghanischen Wurzeln) von Hänseleien betroffen waren. "Wir konnten uns nicht gegenseitig unterstützen, wir waren in der Minderheit, wir haben uns lieber versteckt. Der Hass war damals zu stark, um uns zu wehren."
An das Mobbing wegen ihrer Haare, erinnert sich Nika noch gut. „Du siehst aus wie Mustafa“, „Wie kann ein Mädchen so behaart sein, das ist so ekelhaft“, „Ich wette du hast Flöhe in deinen Haaren“ – Sätze, die auch heute noch nachhallen, "als wäre etwas an mir falsch. Als wäre ich wirklich eklig."
Erleichterung als ihre Mama endlich den pinken Plastikrasierer erlaubte. Doch damit begann nicht nur ein Kampf gegen Windmühlen den jede:r kennt, denn Haare wachsen nun mal nach, sondern für Nika auch die Reise weg von sich selbst.
In irgendeiner Form wollen wir alle gefallen, der Norm entsprechen, schön sein. Was davon ist gelernt? Was davon tun wir für uns? Wo fängt ein Schönheitsideal an, wo hört es auf? Für Frauen gehört nach wie vor dazu, haarlos zu sein. Klar könnten wir alle wachsen lassen, aber fühlen wir uns dann auch wohl? Das Gefühl, das Nika beschreibt, kennt wohl beinahe jede Frau:
"Sobald ich auch nur ansatzweise Stoppeln hatte, habe ich mich sofort männlich gefühlt. Falsch. Eklig.(...) Und dieses Gefühl hält bis heute an. Neun Jahre habe ich mich rasiert. Geschnitten. Verletzt. Geschämt. Geweint. Versteckt. Seit zwei Jahren kämpfe ich dagegen an und es ist immer noch schwer."
Es sollte unsere Freiheit sein, selbst zu entscheiden, wie wir aussehen wollen, wie wir uns wohlfühlen. Aber der Weg dahin fängt gerade erst an, gegangen zu werden. Bis wir wirklich frei in unseren Köpfen und Körpern sind, braucht es viel mehr Rolemodels, die nicht aussehen, wie die Frauen auf der TV-Spielfilm. Erst wenn normale Frauen, mit normalen Körpern, Falten, Dellen und Haaren das Ideal sind, erst dann werden wir wirklich die Wahl haben, ohne dieses unterschwellige Gefühl der Scham.