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Eine Matratze wird zum Protest-Symbol

Eine Matratze wird zum Protest-Symbol
© Burton/Getty Images
Aus Protest gegen ihre mutmaßliche Vergewaltigung trägt Studentin Emma Sulkowicz jeden Tag ihre Matratze auf den Campus der Columbia Universität. Tausende unterstützen mittlerweile ihre beeindruckende Aktion.

Aktualisierung, Stand Juni 2017: 

Im Fall Emma Sulkowicz kam es nie zu einer staatsanwaltlichen Verfolgung des mutmaßlichen Vergewaltigers. Emma Sulkowicz sah von einer Zeugenaussage bei der Polizei ab. Auch die Universität Columbia sieht weiterhin keinen Anlass dafür, gegen den Betroffenen vorzugehen. Der Betroffene hat sich in der Folge der Protestaktion von Emma Sulkowicz öffentlich gegen die Anschuldigungen gewehrt und mehrere Interviews in den Medien, darunter auch in deutschen Medien, gegeben, um seine Sicht des Falles zu schildern. 

Seine Klage gegen die Columbia Universität wegen öffentlicher Diffamierung wurde 2016 von einem Gericht abgewiesen.

Emma Sulkowicz ist 21 Jahre alt und Kunst-Studentin an der Columbia University. Das College in New York gilt als eine der besten Universitäten der Welt. Doch Emma erlebt dort nach eigenen Angaben einen Alptraum. Einen Albtraum, den sehr viele Studentinnen in den USA erleben.
Sie wurde ihren Angaben zufolge vergewaltigt. Es sei in ihrem eigenen Zimmer geschehen, in ihrem eigenen Bett. Zwei weitere Studentinnen gaben ebenfalls an, von diesem Kommilitonen angeblich vergewaltigt worden zu sein. Sie und Emma meldeten dies bei der Leitung der Universität, insgesamt gab es 23 mutmaßliche Fälle von sexueller Gewalt an der Uni. Doch die Leitung unternahm einfach: nichts. Der Student, der Emma nach ihren Angaben vergewaltigt haben soll, wurde für unschuldig befunden und durfte weiter an der Columbia University studieren.

Für Emma Sulkowicz liegen die Gründe dafür auf der Hand. "Die Leitung der Universität macht sich mehr Sorgen um ihr öffentliches Image als um die Sicherheit der Menschen hier", sagte sie dem Magazin "Time". Bislang seien solche Vorfälle erfolgreich unter den Teppich gekehrt worden, also versuche man, an dieser Taktik festzuhalten.

Sulkowicz beschloss, nicht zu schweigen und startete einen beeindruckenden Protest: Jeden Tag trägt sie ihre eigene Matratze, auf der die Vergewaltigung passiert sein soll, auf den Campus. Für die Kunststudentin ist es eine Performance, die sie "Carry that Weight" nennt.

Mittlerweile haben Medien in der ganzen Welt über ihr Projekt berichtet und eine Welle der Solidarität ausgelöst. Letzte Woche trugen hunderte Columbia-Studenten ebenfalls ihre Matratzen auf den Campus, um gegen ihre Uni-Leitung zu protestieren.
Allie Rickard, eine Kommilitonin von Emma Sulkowicz, startete die Bewegung "Carry The Weight Together", deren Facebook-Seite schon fast 2.000 Unterstützer hat. "Wir wollen Emma helfen, ihre Bürde zu tragen und der Leitung zeigen, dass wir vereint für einen besseren Umgang mit sexueller Gewalt auf unserem Campus kämpfen", so Rickard. Auch unter dem Twitter-Hashtag #Carrythatweight zeigen Menschen aus aller Welt Unterstützung.

Warum ihr die Polizei nicht weiterhalf

"Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?" Diese Frage wurde Emma Sulkowicz immer wieder gestellt in den letzten Wochen. Tatsächlich zögerte sie lange, ehe sie sich entschied, zur Polizei zu gehen. Schließlich ging Emma Sulkowicz doch zu einer Polizeistation, aber was sie erlebte, machte ihr wenig Hoffnung. "Man sagte mir, dass es bis zu einem Jahr dauern kann, bis der Fall tatsächlich vor Gericht verhandelt werde", so Sulkowicz im Interview mit "The Cut". "Das wäre lange nach meinem Abschluss und da ich danach gerne alle meine Erinnerungen an Columbia aus meinem Kopf löschen würde, entschied ich mich dagegen, die Klage fortzuführen."

"Sie haben ihn in Ihr Zimmer eingeladen. Das entspricht nicht der rechtlichen Definition von Vergewaltigung."

Dazu kommt, dass sie sich von den Polizeibeamten schlecht behandelt fühlte. Ihr seien Vorwürfe gemacht worden, dass sie nicht gleich zur Polizei gegangen war und man habe sich gewundert, dass sie sich nicht an die Augenfarbe ihres angeblichen Vergewaltigers erinnere, so Sulkowicz gegenüber "Aljazeera America". Ein Beamter habe gesagt: "Sie haben ihn in Ihr Zimmer eingeladen. Das entspricht nicht der rechtlichen Definition von Vergewaltigung."

Als sie sich über den Umgangston beschwerte, reagierte der Mann patzig. "Auf jede Vergewaltigung, die ich hier hatte, kamen 20, die totaler Bullshit waren. Es ist mein Job, die Wahrheit herauszufinden. Wenn das bedeutet, dass ich unfreundlich sein muss, dann ist das eben so."
Nach dieser demütigenden Erfahrung sieht Emma Sulkowicz für sich mehr Sinn darin, Druck auf die Universität auszuüben, da sie schneller auf die Forderungen der Opfer reagieren könne als die Staatsgewalt.

Also schleppt Emma Sulkowicz ihre Matratze immer noch jeden Tag auf den Campus. Doch inzwischen trägt sie sie nur noch selten allein. Sofort hat sie andere Studenten an der Seite, die ihr beim Tragen helfen. Das Symbol, das sie geschaffen hat, ist damit noch stärker geworden.

Artikel aktualisiert am 01.06.2017.

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