Ich bin fassungslos und wütend, als ich mir letzten Samstagabend (16. Januar) das Dschungelcamp ansehe. Kann es sein, dass Menschen psychische Erkrankungen immer noch nicht ernst nehmen? Die von RTL als "Therapie-Gespräch der etwas anderen Art" bezeichnete Unterhaltung zwischen Zoe Saip und Frank Fussbroich beweist: Ja, kann es.
Dschungelcamp 2021: Zoe Saip ist krank und nicht "balla balla"
Doch was war passiert? Die ehemalige GNTM-Teilnehmerin ist nach der ersten verlorenen Prüfung der RTL Show "Ich bin ein Star - Die große Dschungelshow" am Boden zerstört und weint. Sie war eingesperrt in einem mit Wasser und Tieren gefüllten Container. Zoe hatte Todesangst und ihre Panik nicht unter Kontrolle.
Im anschließenden Gespräch mit Camp-Kollege Frank Fussbroich öffnet sich die 21-Jährige und verrät: "Ich bin seit sechs Monaten in Therapie." Sie leide an Klaustrophobie (Platzangst), habe familiäre Schwierigkeiten und ein Problem mit ihrer Panik.
"Du bist kaputt im Kopf"
Frank Fussbroich reagiert mit Sätzen wie: "Ach jetzt hör auf, du hast ja anscheinend alles. […] Du bist aber ein schwieriges Kind, ne? […] Bist du so balla balla [verrückt im Kopf]? […] Du bist kaputt im Kopf. Schlag mal mit dem Kopf vor die Wand. Vielleicht gehts dann."
Die Antworten der TV-Persönlichkeit machen sprachlos, doch leider stehen sie stellvertretend für etliche Menschen, die Vorurteile gegenüber psychisch erkrankten Menschen haben. Der Grund: Meist liegt es an der fehlenden Aufklärung. Viele Gesunde können nicht verstehen, wie sich zum Beispiel eine Panikstörung anfühlt. Sie haben Schwierigkeiten, psychische Störungen zu erkennen, als eine Erkrankung zu begreifen und ernst zu nehmen.
Fatal: Zoe wird von ihrem Camp-Kollegen und einigen Zuschauern stigmatisiert
Das zeigen auch die Instagram-Kommentare unter der Unterhaltung von Zoe und Frank: "Er hat recht, die tickt nicht richtig", schreibt eine Userin. Eine andere meint: "Alte Heulsuse, kann nach Hause gehen." Einige unterstellen Zoe, mit ihrem Verhalten Aufmerksamkeit erhaschen zu wollen.
Zoes psychische Erkrankung wird mit negativen Charaktereigenschaften in Verbindung gebracht. Damit wird sie stigmatisiert. Aufgrund von Vorurteilen und fehlendem Wissen entwickeln Menschen oft eine kritische Einstellung gegenüber Betroffenen. Diese werden diskriminiert und von der Gesellschaft ausgegrenzt.

Die Folge von Stigmatisierung
Im Umkehrschluss bedeutet das: Psychisch Kranke gestehen sich selbst nicht ein, krank zu sein, da sie nicht als "bekloppt" oder "verrückt" gelten wollen. Sie wollen nicht in eine "Anstalt" oder eine "Zwangsjacke" gesteckt werden. Das ist fatal.
Betroffene, die schon mit sich selbst kämpfen, müssen dann noch den Druck von außen verkraften. Ein Druck, dem viele nicht standhalten. Psychische Erkrankungen bleiben so oft unentdeckt. Die Betroffenen ziehen sich zurück und leiden, ohne, dass ihnen geholfen wird.
Psychische Erkrankungen müssen ernst genommen werden
Doch soweit muss es nicht kommen. Wir müssen anfangen, Betroffene ernst zu nehmen und ihnen richtig zuhören. Wir müssen anfangen, eine psychiatrische Klinik wie eine chirurgische Station eines Krankenhauses zu betrachten. Hier wird halt nicht ein gebrochenes Bein behandelt, sondern ein kranker Kopf. Wir müssen aufhören, Menschen wie Zoe zu stigmatisieren. Sie will keine Aufmerksamkeit. Sie verhält sich nicht extra so – wie sich auch kein Mensch extra ein Bein bricht, oder?
Verwendete Quellen:TVNOW "Ich bin ein Star – Die große Dschungelshow"