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"Ich zog mit meinem Kind nach Thailand - doch statt Liebe fand ich Gewalt"

"Ich zog mit meinem Kind nach Thailand - doch statt Liebe fand ich Gewalt"
© Privat
BRIGITTE.de-Leserin Parani (41) ist nach Thailand ausgewandert - der Liebe wegen. Doch in der Beziehung fand sie nur Gewalt. 

Nach der Trennung reiste ich mit meinem Kind nach Thailand  

Thailand - Land des Lächelns. Vor acht Jahren hat es mich hierhin verschlagen. Als halbe Thai vielleicht nicht ganz ungewöhnlich, wollte ich doch auch diesen Teil meines Ichs kennenlernen, meine "andere" Heimat, die ich bisher nur aus dem Urlaub kannte.

Doch auch die Liebe spielte eine große Rolle, so wie sie uns oft leitet und unsere Entscheidungen trifft.

Mit 25, auf der Suche nach Liebe, Familie, mich selbst, wurde ich schwanger. Kurz nach der Geburt trennten wir uns. Also alleinerziehend durch die Welt. Vielleicht besser als ständig Stress und Streit, und warum sollte ich das nicht schaffen? Aber ich war jung und saß plötzlich zu Hause mit einem kleinen Kind. Ich habe mich oft einsam gefühlt, überfordert, im Stich gelassen. Als würde das Leben an mir vorbeiziehen, mich ausschließen. Ich habe erst Jahre später verstanden, dass ich nur irgendwelche Partys verpasst habe, nicht das Leben.

Irgendwann kam wieder ein Mann, mit dem es ernster wurde und wir zogen zusammen. Ich erhoffte mir erneut ein glückliches Familienleben, Unterstützung mit meinem Kind, aber leider bekam ich stattdessen nur ein weiteres Kind dazu. Vielen Frauen wird das bekannt vorkommen: die Waschmaschine funktioniert nur bei einer Frau und aufstehen, aufräumen, Kind abholen und auch noch einkaufen gehen reicht, um erstmal eine Vater-ohne-Kind-Kur beantragen zu müssen.

Die Konflikte häuften sich, auch ich trug meinen Teil dazu bei. Und fühlte irgendwann: Das will ich nicht mehr. Ein geplanter Familienurlaub wurde nach einem Streit zu einem Urlaub mit Kind und bester Freundin in Thailand, ohne Mann. Das Ende der Beziehung und gleichzeitig der Beginn von etwas Neuem. Verletzt, wütend, enttäuscht – die klassische Situation, in der sich der Gedanke an einen Neuanfang einschleicht.

Angekommen in Thailand fühlte ich mich, als wäre ich nach Hause gekommen. All die Gerüche, die auf mich einströmten, die Geräusche um mich herum, die strahlende Sonne, alles war so vertraut. Nach all den Jahren wieder in Thailand zu sein, war, wie etwas gefunden zu haben, von dem man gar nicht wusste, dass man es verloren hatte.

Ich verliebte mich und wollte bleiben

In diesem Urlaub lernte ich einen Thailänder kennen. Die Zeit dort und die Begegnung mit ihm hinterließen einen tiefen Eindruck bei mir und die Sehnsucht entstand, in diesem Land zu leben. Einen winzigen Augenblick meldeten sich Zweifel, doch ich ignorierte sie.

Vielleicht hätte ich meiner Intuition vertrauen sollen, aber dieser starke Wunsch nach Liebe und die Hoffnung, endlich am Ziel meiner Suche angekommen zu sein, übertönten meine innere Stimme und ließen keine Zweifel an der Echtheit dieses Gefühls zu.

Schnell reifte der Entschluss, Deutschland zu verlassen und in Thailand zu leben. Zuerst für drei Monate, und wenn es gut läuft, für immer. Zu dem Mann, mit dem ich mein Leben dort verbringen wollte.

Der erste Moment des Wiedersehens war seltsam: Ist das jetzt alles richtig so oder zerplatzen meine Träume? Könnte ich mir überhaupt eingestehen, falls es sich falsch anfühlt? Vielleicht war da wieder dieser winzige Augenblick, aber schnell war das merkwürdige Gefühl vorbei und wir fingen an, uns unser gemeinsames Leben, zumindest für diese drei Monate, einzurichten.

Ich fühlte mich wohl, auch wenn es ein ungewohntes Leben war. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass sich jemand um mich kümmert, mich verwöhnt, mich glücklich machen will. Meine Entscheidung festigte sich, ganz nach Thailand umzusiedeln.

Dann kam der erste Angriff - aber ich habe ihm verziehen

Doch ein paar Wochen vor meiner Rückreise nach Deutschland waren wir zu einer Feier eingeladen und ich unterhielt mich mit dem einzigen Ausländer, der ebenfalls dort anwesend war, der übliche Smalltalk. Kurz darauf verabschiedete ich mich, um ins Bett zu gehen.

Mein Freund blieb noch einen Moment und folgte mir dann in unser Haus. Es war dunkel im Inneren; ich ging den Flur entlang zum Wohnzimmer und plötzlich spürte ich seine Hände an meinem Hals. Er zog von hinten den Kragen meines Pullis immer fester zusammen, sodass ich kaum Luft bekam, drückte mich an die Wand und fragte mich, ob ich mich mit dem Ausländer amüsiert hätte. Ich wehrte mich und versuchte, seinen Griff zu lockern, aber er hatte solch eine Kraft entwickelt, dass ich keine Chance hatte. Tränen liefen mir über das Gesicht. Ganz plötzlich ließ er mich wieder los und rannte aus dem Haus.

Ich weinte die ganze Nacht, verstand die Welt nicht mehr und fühlte mich einsamer als je zuvor. Ein Gefühl, dass ich noch oft spüren würde, in einer noch viel größeren und schmerzhafteren Intensität, doch davon wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts. 

Er blieb über Nacht weg, am nächsten Morgen stand er wieder da. Er weinte, flehte mich an, entschuldigte sich, und ja, ich verzieh ihm. Die eine oder andere wird vielleicht verstehen, warum ich geblieben bin. Warum ich nicht aufgeben wollte. Ich war auf der Suche nach dieser einen Liebe, wie wir sie uns alle wünschen, weil uns Hollywood versichert, dass es sie gibt. Und wenn man tatsächlich glaubt, dass das die eine Liebe ist, so schwachsinnig einem das im Nachhinein auch erscheinen mag, dann kämpft man darum und versucht alles, um gemeinsam einen Weg zu finden. Ich habe jedenfalls verziehen. Und ging zurück zu ihm. 

Ich brach in Deutschland alle Zelte ab

Zurück in Deutschland bereitete ich mich auf meine endgültige Auswanderung vor: Job kündigen, Sachen verkaufen, jede Menge Papierkram, und nach ein paar Monaten war es dann endlich soweit: One Way Ticket to Bangkok!

Schnell stellte sich heraus, dass nicht alles so gut lief, wie ich erhofft hatte. Das versprochene Gehalt betrug plötzlich nur noch die Hälfte, es gab keine Versicherung, nur Papiere für drei Monate, keinen freien Tag in den ersten drei Monaten, also sieben Tage die Woche arbeiten. Die Welt dreht sich hier anders.

Ich arbeitete ab 6 Uhr morgens, er ab 15 Uhr, wenn ich Feierabend hatte. Wir stritten uns immer häufiger; er war krankhaft eifersüchtig und unterstellte mir bei jedem Gespräch mit irgendeinem männlichen Wesen, ich würde ihn betrügen. Er trank während seiner Arbeit mit Gästen und wenn er betrunken nach Hause kam, war er häufig streitsüchtig.

Und irgendwann, ganz langsam, wurde die Gewalt Teil meines Lebens. 

Wenn ich vor einem Streit flüchten wollte, der wieder auszuarten drohte, zog er mich an den Haaren zurück, packte mich an den Armen, stieß mich zu Boden. Manchmal würgte er mich, manchmal trat er mich. Ich versuchte häufig, mich zu wehren, aber ich hatte keine Chance. Einmal wollte ich ihn mit einer offenen Schere von mir fernhalten, aber er nahm sie mir weg und schnitt mir damit in die Hand. Ich musste genäht werden und noch jetzt ist mein Finger taub, wenn ich drüber streiche.

Eines Tages fand ich heraus, dass er mich betrogen hatte, während ich in Deutschland war. Alles um mich herum brach zusammen. Ich spürte den Schmerz in mir überall, körperlich, als würde ich zerreißen. All die Zweifel und Ängste, ob meine Entscheidung richtig war, alles, was ich hier ertragen musste – und dann das. 

Wo konnte ich jetzt hin?

Ich wollte nicht mehr bei ihm sein, aber wo sollte ich hin? Zurück nach Deutschland? Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte in Thailand leben. Und ja, ich muss zugeben, ich wollte mir nicht die Blöße geben, zu den Zweiflern zurückzukehren, die mir mit ihren Blicken sagen würden: Ich wusste es doch. 

Er war wütend, dass ich ihm nicht wieder verzeihen wollte. Er verfolgte mich zur Arbeit, fing mich auf dem Weg ab, betrieb Psychoterror. Auf der Suche nach Job-Alternativen stieß ich auf eine deutschsprachige Firma im Norden Thailands. Ich bewarb mich und wurde zu einem einwöchigen Training vor Ort eingeladen. Ich war bereit, mit Kind dorthin zu ziehen, trotz der unbändigen Angst davor, allein zu sein.

Aber ich hatte nicht mit meiner eigenen Dummheit gerechnet, denn er wickelte mich wieder um den Finger. Wie all die Male zuvor gelobte er Besserung. Er könne nicht ohne mich sein, ich sei doch die Liebe seines Lebens. Ich erzählte ihm von meiner Einladung zu diesem Training und er sagte, das sei eine Chance für uns. Neu anfangen, wo uns beide niemand kennt, alles hinter uns lassen. Ich glaubte, oder wollte es glauben, dass das funktionieren konnte.

Ab da ging es bergauf, zumindest für mich. Und zumindest für den ersten, trügerischen Moment. Es war eine tolle Firma; ich hatte wieder deutschsprachige Menschen um mich herum mit dem gleichen kulturellen Hintergrund wie ich. Wie viel das ausmacht, versteht man erst, wenn man im Ausland lebt. Es gab ein gutes Gehalt, Versicherung, man kümmerte sich. Mein Kind konnte dort sogar auf eine deutsche Schule gehen.

Dann wurde ich wieder schwanger

Plötzlich wurde ich trotz Pille schwanger. Ein Schock. Ich hatte doch gerade erst meine neue Arbeit angefangen, war noch in der Probezeit. Würden sie mich trotzdem übernehmen? Kann ich überhaupt ein Kind in die Welt setzen mit einem Mann, der so eine dunkle Seite hat?

Er freute sich sehr über die Schwangerschaft und versprach, nie wieder etwas Schlimmes zu tun. Er wollte zu Hause bleiben, sich um unser Kind kümmern, damit ich arbeiten gehen konnte. Ich wurde sogar befördert, trotz Schwangerschaft, und hatte die Hoffnung, nur kurzzeitig einen bösen Traum erlebt zu haben.

Ich täuschte mich. Mit der Zeit wurde er unzufrieden, langweilte sich, fühlte sich nutzlos. Ich konnte arbeiten, traf Leute, brachte das Geld nach Hause. Sein Hass gegen die Welt und gegen mich kehrte zurück. Manchmal blieb er nachts weg, belog mich, nahm Geld und verwettete es.

Nachdem unser Kind zur Welt kam, wurde es schlimmer. Er blieb zu Hause und kümmerte sich, wie er es versprochen hatte, aber er wurde immer unzufriedener und wütender. Ich hatte nach der Geburt nicht mehr das Bedürfnis nach Nähe oder Sex und er war sich sicher, ich hätte einen anderen.

Er wurde gewalttätig, wieder und wieder, ohne Rücksicht auf irgendwas. Es waren keine offenen Schläge ins Gesicht; er trat mich, wenn ich am Boden lag, würgte mich, zerrte mich an den Haaren durchs Zimmer. Ich betete so oft, dass er müde wird und einschläft, oder dass er wegfährt und erst am nächsten Morgen zurückkommt. Ich fühlte mich wie in einer Endlosschleife gefangen, wusste nicht, wohin, schämte mich, darüber zu reden, wollte niemandem zur Last fallen und um Hilfe bitten.

Ich konnte nicht gehen: Wohin mit zwei Kindern in einem fremden Land? Aber wie konnte ich bleiben?

Wie oft lief ich auf die Straße, hinaus in eine Welt, in der sich nicht eingemischt wird, wenn eine Frau schreit, nur um doch wieder zurückkehren zu müssen?

Dann kam die schlimmste Nacht

In der Nacht, die sich als die schlimmste herausstellte, versuchte er mit Gewalt, Sex einzufordern. Ich wehrte mich und stachelte damit seine Wut an. Mein älteres Kind lief aus dem Haus, zu meiner Freundin eine Straße weiter.

Sie kam, versuchte ihn zu beruhigen, aber es war sinnlos. Ich weiß noch, dass wir im Bad saßen. Mein einjähriges Kind in meinen Armen, meine Freundin neben mir. Wir konnten die Tür nicht schließen, weil er reindrängte, er riss mir büschelweise Haare aus, meine Kopfhaut blutete. Immer wieder zog er meinen Kopf ruckartig nach hinten.

Irgendwann schafften wir es ins Schlafzimmer, schlossen die Tür ab und schoben einen Schrank davor. Er versuchte die Tür einzutreten, holte ein Messer und drohte sogar, das Haus anzuzünden. Mein Telefon lag im Schlafzimmer, nicht geladen. Ich schloss es ans Ladegerät, versuchte, die Polizei anzurufen, er drehte den Strom ab. Wir saßen im Dunkeln und die Fenster waren vergittert.

Das schlimmste war, dass ich meine Kinder und jetzt auch meine Freundin in diese Situation gebracht hatte.

Weil ich nicht die Kraft hatte aufbringen können, ihn nach dem ersten Mal zu verlassen. Ich weiß nicht wie oder warum er plötzlich sagte, er würde weggehen, aber er verschwand und sagte, wenn er wiederkäme, sei die Tür offen. Ich sammelte in Windeseile ein paar Sachen zusammen, packte meine Kinder ins Auto und fuhr weg.

Stundenlang fuhr ich durch die Gegend, bis der Morgen graute. Ich musste ins Krankenhaus, da ich meinen Kopf nicht mehr bewegen konnte. Schleudertrauma. Ich meldete mich krank, eine Kollegin brachte mich in ihrem Apartment unter, damit er mich nicht findet. Am nächsten Tag ging ich zur Polizei, die mich in unser Haus begleitete, damit ich meine Sachen packen konnte.

Bei Tageslicht wurde mir das Ausmaß seiner Wut bewusst. Die umgekippten Möbel, der Schrank, den wir vor die Tür geschoben hatten. Vom Messer zerfetzte Kleidung, ein paar meiner Sachen hat er angebrannt. Die Polizei nahm alles auf, aber häusliche Gewalt ist hier etwas Privates und geht niemanden etwas an.

Heute weiß ich, wieviel ich aushalten kann

Fünf Jahre sind seither vergangen. Ich bin immer noch in Thailand, immer noch Single, aber mir geht es wieder gut. Das erste Jahr danach war das schlimmste. Allein mit zwei Kindern und der Angst, dass er plötzlich wieder vor der Tür steht. Aber vor allem alleine mit den Vorwürfen, nicht früher gegangen zu sein.

Immer wieder die Frage: Warum bin ich geblieben?

Es hat mich so viel Kraft gekostet, diese Zeit zu überstehen. Nicht zu zerbrechen an dem Schmerz, der mich zu einem anderen Menschen gemacht hat. Ich bin distanzierter geworden, es gibt jetzt eine Mauer zwischen mir und den anderen. Und ich habe den Glauben an Liebe verloren.

Aber ich habe auch gelernt, wie stark ich wirklich bin. Wie viel Schmerz ich aushalten kann, ohne mir etwas anmerken zu lassen, ohne aufzugeben. Jeden Tag wieder aufzustehen, zu arbeiten, zwei Kinder großzuziehen. Langsam kann ich wieder atmen, fühle mich befreit, habe ein gutes Leben und wundervolle, fröhliche Kinder, die hoffentlich keine Erinnerung an diese Zeit haben. So wie meine daran verblasst und tief in meinem Inneren vergraben ist.

Die Autorin: Parani (41) lebt mit ihren beiden Kindern im Norden Thailands. Sie bewohnen ein kleines Häuschen am See, in dem sie sich sehr wohl fühlen und es genießen, "in einem Land zu leben, in dem jeder Tag ein bisschen wie Urlaub ist."

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