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Darmkrebs Mein Leben mit Kolostomiebeutel: "Ich bin ein Beuteltier"

Darmkrebs: Mein Leben mit Kolostomiebeutel: "Ich bin ein Beuteltier"
© NinaMalyna / Shutterstock
Kim Märkl hat das zweifelhafte Vergnügen, nach ihrer Darmkrebs-OP einen Kolostomiebeutel zu tragen. Und Bekanntschaft mit ihrem Dünndarm zu machen.

Der ist doch viel zu groß, oder?

Als ich nach der OP aufwachte, fühlte ich mich wie ein Beuteltier mit einer Tasche, die ein mysteriöses Loch in meinem Bauch bedeckte. Ich war noch von der Betäubung benommen, und so galt meine Neugier zunächst den Schläuchen und den Nadeln, die in erstaunliche Stellen meines Körpers gestochen worden waren.

Daher konnte ich meine volle Aufmerksamkeit nicht dem Beutel widmen. Ich tastete ihn nur kurz ab. Er war faltig und groß. Sicherlich gibt’s die auch kleiner, das muss wohl der Post-OP-Behälter sein, dachte ich.

Glücklicherweise wusste ich noch nicht, dass der Beutel nach dem Frühstück anfangen würde, wie ein Geysir zu speien. Ich lag also da, ahnungslos, dass ich nur Tage später diesen Sack so verabscheuen würde, wie nichts zuvor.

Ich drückte meine kleine Morphiumpumpe und schlief wieder ein. Den Rest des Tages verbrachte ich in einem verschwommenen Nebel.

Mögen Därme eigentlich Sonne?

In der Nacht wachte ich mehrmals in einem durchnässten Bett auf. Das Loch unterhalb des Beutels schien beschädigt zu sein und eine Ärztin wurde gerufen, um die Situation zu beurteilen.

Sie entfernte den Beutel und ich starrte schockiert hin. Da war kein Loch, da war ein riesiger, rastloser Wurm, der aus den unterirdischen Tunneln meines Bauches ans Tageslicht getreten und jetzt an meiner Bauchdecke befestigt war: Das Stoma, mein künstlicher Darmausgang.

Mein Dünndarm lebte nun außerhalb meines Körpers. Er hatte auf jeden Fall seinen eigenen Kopf. Wie er sich da streckte und zusammenzog, sah er so aus, als wolle er sich fortbewegen. Wäre er nicht zurückgehalten worden, kann ich mir gut vorstellen, dass mein Darm tatsächlich meine Bauchhöhle verlassen und eine kleine Reise unternommen hätte.

Mein Dünndarm hat offenbar seinen eigenen Willen, er sieht leidenschaftlich unabhängig aus und wirkt so, als würde er seine Aufgabe unbeirrt von der neuen Situation durchführen. Mögen Därme die Sonne? Und könnten auch andere Organe glücklich außerhalb des Körpers verweilen?

Während ich mich wunderte, schloss die Ärztin ihre Untersuchung ab und trieb eine wie ein Angelhaken geformte Nadel auf, um das Leck abzudichten. Meine Gedanken lesend sagte sie:

''Eine Betäubungsspritze würde mehr wehtun, als das Nähen selbst.''

''Gibt es keine andere Wahl? Kleber? Ein größeres Pflaster?'', fragte ich beunruhigt.

Anscheinend gab es keine Alternative. Ich schaute weg und brachte mich in Stellung für das bevorstehende Trauma, wurde aber angenehm überrascht. Sie hatte recht, es tat nicht wirklich weh. Nur um auf der sicheren Seite zu sein, drückte ich die Morphiumpumpe ein bisschen. Die Ärztin lächelte und ging.

Die Krankenschwester befestigte den Beutel wieder, und ich wartete auf meine erste Mahlzeit in 36 Stunden, während ich das Wort ''Stoma'' googelte. Ich entdeckte, dass das Wort ''Mund'' auf Griechisch bedeutet. Wikipedia unterrichtete mich: ''Jedes hohle Organ kann wie erforderlich in ein künstliches Stoma manipuliert werden.''

Nach der Krebs-OP bekam mein Dickdarm drei Monate Urlaub

Mein Stoma wurde geschaffen, um meinem erst kürzlich operierten Dickdarm die Möglichkeit zu geben, zu heilen. Er bekam für drei Monate Urlaub, um sich von der Quälerei zu erholen und im Gegenzug erhielt ich eine Sammelvorrichtung über dem Dünndarm, der in seinem Kampf mit der Abfallwirtschaft vollkommen allein gelassen war.

Unglücklicherweise wurde der Dünndarm nicht für Multitasking und die Übernahme der Aufgaben des Dickdarms geschaffen. Die Funktion des Dickdarmes ist es, den Abfallprodukten Flüssigkeit zu entziehen und diese dann in den Körper zu resorbieren. Ohne die Bemühungen des großen Bruders bleibt dem Wurm nur die Fähigkeit, Nahrung zu verdauen und Abfälle in flüssiger Form zu produzieren.

Nur wer Ponchos mag, kann den Beutel gut verstecken

Es ist nun die Zeit gekommen, dass Sie für einen Moment aufhören zu lesen, einen Luftballon mit warmem Wasser füllen und mit Klebeband an Ihrem Bauch befestigen. Aber vergessen Sie nicht, Ihr Ballon ist mit frischem Wasser gefüllt. Meiner nicht.

Wiki sagt: "Neuere Beutelsysteme ermöglichen den meisten Personen nach der OP, ihre normalen Aktivitäten und ihren Lebensstil ohne äußere Anzeichen des Stomas oder seinem Beutelsystem fortzuführen.'' Wie offensichtlich, dass der Autor dieses Artikels niemals einen Kolostomiebeutel getragen hat.

Ein anderer Artikel erklärte, dass man sämtliche Kleidung, die man zuvor getragen habe, auch jetzt noch tragen könne. Natürlich kann man das, wenn gerade keine Nahrungsnebenprodukte aus seiner rechten Seite quillen. Obwohl, wenn ein Poncho eines seiner früheren Modestatements war, dann ja: auf jeden Fall entstauben und anziehen.

Klebt der Wasserballon immer noch an Ihrer Vorderseite? Was halten Sie davon? Sieht Ihr Outfit gut aus? Fühlen Sie sich attraktiv? Beeinflusst der Auswuchs Ihr Erscheinungsbild?

Natürlich ist der Ballon nicht immer so voll, aber sobald Sie einen wohlschmeckenden Happen in Ihren Mund stecken, haben Sie ungefähr zwölf Minuten Zeit, bevor der kleine Bruder das Filtrieren, Herausspritzen und Herauswallen seines Gebräus in Ihren Beutel beginnt. Nicht sehr leise, sollte ich hinzufügen.

Mein Schlachtruf: "Wo ist das Klo!?"

Ich bin seit zehn Wochen Besitzerin dieses Beutels und leere ihn ungefähr 15 Mal am Tag, oder 105 Mal in der Woche. Das bedeutet, dass ich die sanitären Einrichtungen über 1000 Mal seit der OP besucht habe. Das ist mein Schlachtruf: "Wo ist das Klo!?"

Der Beutel hat seine schlechten und seine schlechten Seiten. Eines Tages löste sich der untere Teil des Ringes. Stellen Sie sich einen Tupperware-Deckel vor, der nicht richtig sitzt. Nun stellen Sie sich die Box mit dicker Suppe gefüllt und auf der Seite liegend vor. Manchmal verwechselt unsere Sinneswahrnehmung warm und nass, und da der Beutel immer warm ist, kann er sich auch nass anfühlen. Aber was ist, wenn er wirklich ausläuft? Ihre rechte Gehirnhälfte übernimmt das Steuer und flüstert in Ihr Ohr: ''Sei nicht so ein Nervenbündel wegen dieser Sache''. Aber die linke Gehirnhälfte weiß es besser und schreit: ''Renn aufs Klo, deine Ängste sind berechtigt!''

Zum Glück ist meine linke Gehirnhälfte immer lauter, und zu meinem Schrecken und Entsetzen hat sie immer recht.

Erfreulicherweise habe ich immer die gesamte Ausrüstung dabei, aber ich bin sicher, ich könnte schneller den Reifen eines LKW wechseln, als alle Teile dieser Vorrichtung zusammenzustöpseln. Ja, wenn es nur der Beutel wäre, click dran, click ab. Aber manchmal müssen alle Ringe und Klebeteile erneuert werden.

Was Sie tun können, um selbst nicht zum Beuteltier zu werden

In zwei Wochen werden meine Därme umgeleitet und wieder zusammengeschlossen. Das nennen sie "Umkehrung.“ Wird dann alles wieder normal werden? Dafür gibt es keine Garantie.

Jedenfalls hoffe ich, dass ich Sie inspiriert habe, Ihr Telefon zur Hand zu nehmen und diesen Darmspiegelungstermin, den Sie schon so lange vor sich herschieben, auszumachen.

Hätte ich mich früher auf diese lebensrettende Untersuchung mit der zugegebenermaßen unappetitlichen Vorbereitung eingelassen, wäre der Tumor entdeckt worden, bevor er Wurzeln geschlagen hatte. Er wäre routinemäßig herausgeschnitten und ich wäre nach Hause geschickt worden.

Also nicht zögern - außer Sie spielen mit dem Gedanken, auch ein Beuteltier zu werden.

Brigitte

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