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"Künstlerin werden: Für mich der Schlüssel zum Glück"

"Künstlerin werden: Für mich der Schlüssel zum Glück"
© privat
Ihrem Traum folgen und Künstlerin werden - Beatrice Schnitzer hat es getan. Auch, damit aus ihrem Leben endlich das Bestmögliche wird, schreibt sie in dieser Folge der Leserkolumne "Stimmen".

Beatrice Schnitzer, 46, hat gerade ihren Juristenjob auf 50 Prozent gekürzt, um sich ihren anderen Leidenschaften zu widmen, vor allem der <target="_blank">Kunst, aber auch der <target="_blank">Rockmusik. Nach dem Motto: Es ist manchmal möglich, seine Träume zu verwirklichen.

Ich darf was für die Stimmen-Kolumne auf Brigitte.de schreiben. Freue mich total, und ist auch wichtig zwecks Erweiterung eines sozialvirtuellen Netzwerkgedankens, oder wie man das heutzutage so nennt. Oder vielleicht auch, um anderen zu bestätigen, dass man mehrere spannende Projekte gleichzeitig in Angriff nehmen und verwirklichen kann? Obwohl das bringt vielleicht auch viele wieder zur Raserei, weil man muss doch solche Menschen einfach doof finden, die alles auf die Reihe bekommen, weil sie sich in Ihren beruflichen und hobbymäßigen Wünschen so ganz und gar verwirklichen, oder? Also Sie dürfen mich doof finden, ist ok, habe ich kein Problem damit. Nächstes Jahr klappt es vielleicht bei Ihnen und dann finde ich Sie doof. Gleichgewicht der Dinge.

Fragt sich nicht jeder mal in schlaflosen Minuten, ob sich das alles so gut anfühlt, wie man sein Leben gestaltet? Ob man bisher seinen Wünschen zumindest teilweise gefolgt ist? Haben sich die Attribute reich, berühmt, zufrieden, glücklich, Weltherrschaft oder was auch immer man sich in seinen jungen Jahren erträumt hat, realisiert? Ich war mir da mit 46 Jahren plötzlich nicht mehr ganz so sicher. Und als sich die Gelegenheit geboten hat, habe ich mich erst kürzlich entschieden, meinen Juristenjob auf 50 Prozent zu reduzieren. Nicht, dass ich den nicht gerne mache, im Gegenteil, es war nur so, dass ich das Gefühl hatte, ich müsste noch andere Dinge ausprobieren.

Natürlich muss man erst mal das Glück haben, überhaupt eine 50-Prozent-Stelle zu finden. Hatte ich. Danke. Und dann muss man erst mal seine Erfüllung in der anderen Hälfte seiner neu dazugewonnen Zeit finden. Habe ich auch. Ich male gerne. Eigentlich schon seit meiner frühen Jugend. War natürlich nie eine Option, so was beruflich zu machen, weil angeblich brotlos. Würden Sie wahrscheinlich auch nicht richtig toll finden, wenn Ihr Kind so was wie Jonathan Meese (googeln Sie den mal) machen will. Total durchgeknallt - na ja, hat sich immerhin bis jetzt noch kein Ohr abgeschnitten, und ich auch nicht.

Zurück zu meiner eigenen Künsterlinnenpersönlichkeit. Hat immerhin eine Weile gedauert, mich als solche wirklich ernst zu nehmen, weil mit der Kunst ist das so eine Sache. Ab wann ist man denn eigentlich Künstlerin und wird man von der professionellen Kunstwelt ohne Kunststudium überhaupt ernst genommen? Ich weiß es nicht. Ich werde es erfahren. Ich habe auf jeden Fall ein dickes Fell und Durchhaltevermögen. Beim Kunstmachen geht es sowieso nicht nur um ein Talent im handwerklichen Sinn, es geht vielmehr um eine Haltung, um eine künstlerische Position!

Jetzt fragen Sie sich sicherlich, was macht Sie denn so als Künstlerin? Und eben, das ist dann jeweils ein bisschen schwierig zu erklären... Ich male Farbe und schaffe Flächen. Ich projiziere Empfindungen und Gedanken. Ich schreibe Statements auf meine Bilder, verweigere mich aber einer jeglichen Bedeutung und Aussage. Ich liebe die Neutralität und die Offenheit. Viele meiner Bilder sind rot. Jemand sagte einmal, "Rot" sei wahrscheinlich meine Lieblingsfarbe. Da musste ich lachen, denn "Rot" ist so viel mehr für mich als Farbe. Es ist ein Gefühl, es ist Leben, es ist Schmerz, aber auch Energie. Meine Bilder sind wie das Leben, sie bestehen aus verschiedenen, übereinander gelagerten Farbschichten, wobei die darunter liegenden teilweise wieder freigekratzt werden und wie Erinnerungen durchscheinen. Manchmal freundlich hell, manchmal schmerzhaft blutig.

Meine Bilder gehen in die Tiefe, geben eine Ahnung von dahinter Liegendem, ein Sog geht von manchen aus, als würde man rasend schnell durch einen Tunnel fahren. Ich arbeite mit Worten und Zitaten. Manche Texte schreien den Betrachter regelrecht an, andere Bild- und Textkompositionen, vor allem die hellen, strahlen eine Sanftheit und Ruhe aus, als wären sie Sonnenkringel auf der Tischdecke von Marcel Proust. Und wer könnte schon auf Anhieb sagen, was von Rilke, den Einstürzenden Neubauten, von Leonhard Cohen und was von mir selbst ist? Gerne würde ich wissen, was Rilke wohl sagen würde, wenn er von seinen Textfragmente auf meinen Bildern wüsste. Oder "I play dead", na, erkannt? Ja, Björk. Besinnungsloses Rot, Schmerz, Liebe. Björk würde das gefallen.

Neben der Malerei habe ich noch eine andere große Leidenschaft, ich spiele E-Bass in einer Indie-Rock Band. Das mache ich schon ziemlich lange mit meinen Freunden, und wir waren auch mal so ein klitzekleines bisschen berühmt. Allerdings gab es damals weder Internetz noch tausendfaches "Gernhaben", somit haben wir nur wenig Spuren in der virtuellen Realität hinterlassen. Worüber ich jetzt nicht wirklich traurig bin, denn meine 80er Jahre Dauerwelle und übergroßen Chiemsee-Pullover-Orgien gehören ganz alleine mir und der Vergangenheit an. Und ja auch mit 46 Jahren kann man noch auf der Bühne stehen und 120 db Geräuschkulisse auf das Publikum regnen lassen. So geil.

"Künstlerin werden: Für mich der Schlüssel zum Glück"
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Midlifecrisis? Manische Phase? Nö, wirklich nicht, es ist vielmehr die bewusste Entscheidung, mein Leben aus einer Mixtur von verschiedenen Zutaten zu leben. Irgendwann in der fernen Zukunft kann ich sagen: Leute, ich habe probiert das Beste mitzunehmen, was es gab, um das vom Leben zu bekommen, was ich mir erhoffte. Glück ist ein Schweinehund und den packe ich jetzt bei seinen Schlappohren.

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