Creme, Serum, Lichtschutzfaktor, Anti-Aging, Well-Aging – die Liste ist endlos! Wo fangen wir an, was bringt's wirklich und können wir eigentlich gegen Falten arbeiten? Wir haben mit der staatlich anerkannten, medizinischen Kosmetikerin, Trainerin und Hautcoach Susanne Martens über Hautpflege für reifere Haut gesprochen und sie hat klare Antworten geliefert.
BARBARA: Was passiert mit unserer Haut wenn wir altern?
Susanne: Die Hautalterung beginnt ganz klassisch ab dem 25. Lebensjahr. Man muss sich vorstellen, dass die Haut einfach weniger durchblutet wird und dadurch auch weniger Versorgung stattfindet. Die Produktion von Hauttalg nimmt ab und der Ablauf der Hauterneuerung verlangsamt sich. Im jungen Alter dauert es 28 Tage, im Alter kann es 35 oder sogar 40 Tage dauern und die Haut kann matter wirken und sieht nicht mehr so frisch aus. Außerdem kann durch fehlenden Hauttalg die Barrierefunktion gestört sein und Feuchtigkeit dringt mehr nach außen. In der zweiten Hautschicht nimmt die Produktion von Kollagen und Elastin ab. Durch diesen Substanzverlust verliert die Haut an Volumen und Spannkraft und Fältchen kommen zum Vorschein. Dann ist es häufig so, dass auch die Gesichtshaut ein bisschen eingefallen aussieht und nicht mehr so gut gepolstert ist.
Die Kollagenproduktion lässt also im Alter nach. Was braucht denn reifere Haut dann?
Reifere Haut braucht einen Auslöser, der die Kollagenproduktion anstößt. Dadurch, dass der Körper es nicht mehr schafft, das dann selbst zu produzieren und ein Verlust stattfindet, braucht die Haut im Alter Hilfe von außen.
Und wie bekommen wir das hin?
Da sollten wir Wirkstoffe nutzen, die in der zweiten Hautschicht arbeiten, also dermal. Und das ist unter anderem Retinol, ein fettlösliches Vitamin. Es regt die Kollagen- und Elastinproduktion an und hilft, verlangsamte Zellprozesse zu regulieren. Und es muss quasi alles, was irgendwo weniger wird, von außen zugeführt werden. Zum Beispiel Feuchtigkeit.
Weil mehr Feuchtigkeit, weniger knittrige Haut, oder?
Genau, weil sie quasi von innen etwas mehr durchfeuchtet ist. Aber das ist dann immer nur so ein temporärer Effekt. Also wenn du deiner Haut am Morgen Hyaluronsäure zuführst, dann hast du diesen klassischen "Plumping Effekt". Die Haut ist gut durchfeuchtet und aufgepolstert. Aber das ist leider nur so ein Kurzzeit-Effekt, um frisch auszusehen. Wenn du einen Langzeit-Effekt haben möchtest, dann musst du schon mit Wirkstoffen wie zum Beispiel Retinol arbeiten. Um auch in der Tiefe wieder Kollagen zu produzieren, führt da kein Weg dran vorbei. Und wenn das dann produziert ist, dann minimieren sich auch die feinen Linien und Fältchen für längere Zeit.
Was hältst du von Nahrungsergänzung, also zum Beispiel Kollagen-Pulver oder Kollagen zum Trinken. Bringt das was?
Das bringt tatsächlich was! Kollagen ist ja in der zweiten Hautschicht vorhanden. Und wenn du es von innen zuführst, triggert das schon die Kollagen-Produktion.
Was muss ich an der Pflege im Alter ändern, wenn ich meiner Haut was Gutes tun will und gegen Falten vorbeugen möchte?
Im Alltag ist die Haut eine Abwehr gegen freie Radikale, die ebenfalls abnimmt. Dadurch kann es sein, dass die Haut anfälliger für Irritationen, Rötungen oder Schuppungen ist. Genau da muss geschaut werden, wo gerade das Bedürfnis liegt. Das heißt Antioxidantien, wie Vitamin C oder auch Vitamin E erhöhen die Abwehr gegen freie Radikale und beugt Reizzuständen vor. Grundsätzlich kann man sagen: Retinol, Vitamin C, Hyaluronsäure sind die drei Wirkstoffe bei denen viel zur Wirkung bekannt ist. Also Retinol wirkt in der Tiefe, damit regeneriert du deine nachlassenden Fasern, das ist langfristig gedacht. Vitamin C ist mittelfristig gedacht, da dieses vor freien Radikalen schützt, welche die Fasern zerstören können und Irritationen entstehen lassen und Hyaluronsäure ist kurzfristig gedacht, da es sofort Feuchtigkeit schenkt und so ein frischeres Aussehen macht.
Würdest du sagen, dass Retinol der Nummer-1-Wirkstoff ist? Der, der immer geht?
Da kommt es wieder auf den Zustand der Haut an. Wenn du zum Beispiel eine sehr empfindliche Haut hast, musst du dich ganz langsam ran tasten. Aber vom Prinzip her ist Retinol ein Wirkstoff, der fast immer geht. Bei aktiven Entzündungen wäre ich vorsichtig, da es dann unangenehm ist. Außerdem ist eine langsame Gewöhnung wichtig oder bei sehr empfindlicher Haut der Wirkstoff Bakuchiol, welcher als Bio-Retinol bekannt ist und sehr schonend wirkt. Aber grundsätzlich ist es der Wirkstoff, der einfach am Besten im Bereich der Hautalterung funktioniert, in Kombination mit anderen Antioxidantien, wie Vitamin C und E.
Schritt für Schritt
Wie sollte denn so eine normale Hautpflege-Routine im mittleren Alter aussehen?
Da würde ich empfehlen, zweimal am Tag zu reinigen. Auf jeden Fall ist die Reinigung am Abend unumgänglich. Und dann würde am Abend eine Feuchtigkeitscreme folgen und am Morgen ein Lichtschutz mit z.B. Hyaluronsäure.
Wenn ich jetzt ein bisschen mehr machen will als nur Reinigung und Creme, also wenn ich noch ein Serum verwenden möchte – worauf muss ich achten, wenn es um das Schichten geht?
Produkte sollten immer von der leichtesten Textur zur schwersten Textur hin aufgetragen werden. Wichtig ist dabei jede vorangegangene Pflege gut einziehen zu lassen, um ein Kleben oder Abrollen der Produkte zu vermeiden.
Wenn ein neuer Wirkstoff wie z.B. Retinol integriert werden soll (Achtung, Retinol nur am Abend anwenden, da dieser lichtempfindlich macht!), sollte nach der Reinigung am Abend etwas Zeit vergehen, sodass der natürliche pH-Wert wieder ausbalanciert ist. Dadurch senkt sich das Irritationspotential und der Wirkstoff kann von der Haut leichter verarbeitet werden. Auch Toner schaffen nicht einen kompletten pH-Wert Ausgleich, sodass diese Herangehensweise bei sehr empfindlicher Haut oder in der anfänglichen Gewöhnungsphase ein Mehrwert ist.
Was ist denn mit jemandem, der im frühen Alter nicht vorgebeugt hat? Kann man dann im späteren Alter immer noch mit der Well-Aging-Pflege anfangen?
Ja, unbedingt. Du kannst ja immer wieder deine Kollagenproduktion anregen. Es dauert dann natürlich einfach länger, bis sichtbare Erfolge da sind – Kollagen wird eben nicht von heute auf morgen produziert. Da würde ich dann empfehlen, vielleicht sogar noch mit anderen Maßnahmen zu arbeiten. Zum Beispiel mit einem tieferen chemischen Peeling oder dem medizinischen Needling, das wirkt in der zweiten Hautschicht oder auch Laser die Kollagen und Elastin stimulieren.
Welche Hautpflege-Regel ist deiner Meinung nach die wichtigste?
Der Sonnenschutz. Und wenn du wirklich wenig Lust auf eine aufwendige Routine hast, dann kauf' dir eine milde Reinigung und Mikrofaser-Gesichtstücher. Natürlich jeden Tag ein frisches! Die nehmen doppelt so viel auf wie normale Baumwollfasern, dazu haben sie einen ganz leichten Peelingeffekt.