Ich bin nicht sehr eifersüchtig. Wirklich. Eigentlich finde ich es völlig okay, wenn man sich mit Menschen des anderen Geschlechts trifft. Vor allem, wenn es um mich geht. Ich treffe sehr gern mal einen Kollegen, einen Ex-Freund, einen Kumpel. Natürlich soll das auch mein Mann, er soll ja glücklich sein.
Doch es gibt da diese eine Frau, die mich nervös macht. Sie kommt aus seiner Vergangenheit – und ist hübsch und klug und witzig. Was ja an sich nicht weiter schlimm wäre. Aber die beiden waren mal ein Paar, lange, aber dafür sehr unbeständig. Zweimal getrennt in fünf Jahren, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Dann haben sie sich aber immer wiedergefunden. All das ist zehn Jahre her.
Diese eine Frau, nennen wir sie Sophie, traf ich zum ersten Mal, als er und ich uns ein paar Monate kannten. Sie war mir sympathisch. Was mir nicht sympathisch war, war die Art wie er und sie sich begrüßten. Sie umarmten sich nämlich sehr lange und sehr vertraut. Für meine Verhältnisse war das irgendwie alles too much. Von da an war ich wachsam, wenn er Kontakt zu ihr hatte. Wenn er von ihr sprach, war das immer in den höchsten Tönen. "Sophie hat jetzt einen neuen Job, es ist genau das, was sie wollte" etwa. Oder "Sophie hat jetzt diese schöne neue Wohnung bei uns um die Ecke".
Irgendwie war mir Sophie mit ihrem großen braunen Augen, den lockigen dunklen Haaren und ihren 1,57 cm suspekt. Ich fühlte mich bedroht von dieser hübschen, klugen, süßen und dabei auch noch sehr freundlichen Person, die als Krankenschwester Leben rettete – und dabei aussah wie die junge Winona Ryder. Neben ihr kam ich mir mit meinen nicht sehr niedlichen Maßen, dem blonden halblangen Haar und meinem Job, bei dem ich gar niemanden rettete, damals sehr durchschnittlich vor. Sie war außerdem schon vor mir da gewesen. Sie verunsicherte mich.
Jedes Mal, wenn mein Mann und sie sich trafen, fragte er, ob ich mit wolle, einmal sagte ich blöderweise "ja". Die Vertrautheit der beiden wegen ihrer langjährigen gemeinsamen Vergangenheit konnte ich nicht gut ab, obwohl beide versuchten, mich ins Gespräch einzubinden. Irgendwie kamen sie aber doch immer wieder auf früher, Bekannte aus ihrer Heimatstadt oder lustige Geschichten aus der Schulzeit. Nach einer Stunde haute ich mit einem Vorwand wieder ab.
Danach tat ich einfach längere Zeit so, als gäbe es gar keine Sophie.
"Du passt viel besser zu Fabian. Das mit uns ist doch 100 Jahre her", sagte sie
Bis ich sie etwa ein Jahr später auf einer Party traf, auf der ich ohne meinen Mann war. Sie kam freudestrahlend auf mich zu, umarmte mich. Und dann passierte etwas, das mich total überraschte. Wir unterhielten uns ewig und richtig gut. Wir hatten beide schon etwas getrunken und waren vielleicht deswegen etwas offener als wir es sonst gewesen wären. Irgendwann sagte sie: "Ich bin so froh, dass Fabian jetzt dich hat. Diese Sandra, die nach mir kam, war ja total bescheuert." Tatsächlich hatte ich nur Geschichten von Sandra gehört. Das reichte aber auch.
Es muss nach dem fünften Bier gewesen sein, als ich mich sagen hörte: "Ihr beide versteht euch noch so gut, manchmal frage ich mich, warum ihr euch damals überhaupt getrennt habt." So laut habe ich selten jemanden lachen gehört. "Ist das dein Ernst?", prustete Sophie nur. "Wir waren ein furchtbares Paar. Wir sind beide so froh gewesen, als das endlich vorbei war", sagte sie immer noch nach Luft suchend. "Du passt viel besser zu Fabian. Und das mit uns ist doch 100 Jahre her".
Seit diesem Abend bin ich viel entspannter, wenn es um Sophie geht. Neulich habe ich trotzdem mal gesagt, dass ich es komisch finde, dass alle Ex-Freundinnen von Fabian so klein und niedlich und dunkelhaarigsind. Da meinte er nur: "Ich mache doch meine Zuneigung zu jemandem nicht von der Haarfarbe abhängig. Mal abgesehen davon, dass du viel hübscher bist als Sophie."
Das finde ich übrigens nicht. Aber ich habe mir vorgenommen, mich darüber zu freuen, dass mein Mann so einen guten Geschmack hat. Dass er eine Ex-Freundin hat, die schlau und schön und dabei auch noch sozial ist. Irgendwie spricht das ja indirekt auch für mich. Ich gehe trotzdem nicht mehr mit zu Treffen der beiden, diese alte Vertrautheit, die Art, wie sie sich eine Minute lang umarmen, das muss ich nicht haben. Aber das ist ja auch völlig okay so.