Die beiden Frauen, die ich treffe, haben großes Glück. Ihr Job ist für beide eine große Leidenschaft. Britta Sabbag schreibt für Kinder, Erwachsene und Jugendliche, Joëlle Tourlonias illustriert Kinderbücher. Gemeinsam mit Maite Kelly haben sie die kleine Hummel Bommel erschaffen, die extrem erfolgreich durch die Kinderbuchhandlungen der ganzen Welt summt – sogar auf chinesisch (熊蜂). Obwohl Erfolg natürlich auch immer Druck bedeutet, sagen beide: "Ohne diesen Job wären wir nicht glücklich." Und so entschieden sie sich, keine Babypause zu machen.
BARBARA: War das von Anfang an klar, dass ihr weiterarbeiten würdet?
Britta: Für mich ja. Schreiben ist meine Heimat. Ich kann gar nicht mehr nicht schreiben, glaube ich.
Joëlle: Für mich war das auch klar. Ich denke, das ist auch einfach keine Frage, wenn dein Job deine Liebe ist. Ich brauch das Zeichnen einfach zum Runterkommen.
Und war das dann in der Realität nicht kompliziert?
Joëlle: Doch, total. Einen Tag nach meinem Kaiserschnitt wollte ein Kunde Bilder haben. Große Kunden brauchen alles immer sofort, da spielt dein Privatleben keine große Rolle.
Wussten die nicht, dass du gerade ein Kind geboren hattest?
Joëlle: Klar wussten die das. Aber firmenintern hatten sich Zeitpläne verschoben, und die passten nicht mit dem Zeitplan meines Babys zusammen. Und dann musste eben beides gehen: Arbeiten im Wochenbett.
Britta: Ich hatte auch eine Deadline für einen 500-Seiten Roman, die 5 Monate nach der Geburt anstand. Deswegen wusste ich von Anfang an, dass ich nicht lange pausieren kann. Aber einen Tag nach der Geburt finde ich schon zu hart. Wir arbeiten ja beide in einer eher kinderfreundlichen Branche, in der solche Geschichten zum Glück nicht so häufig passieren. Von anderen Branchen (Anm.: Britta Sabbag arbeitete bevor sie Autorin wurde 7 Jahre als Personalerin) kenne ich das noch viel härter. Aber es ist es ja auch nicht nur der Druck von außen, der einen stresst, sondern auch der eigene Anspruch. Und dass die Planbarkeit so schwierig wird mit Kindern ist auch so eine Sache. Mein Kleiner hat mich immer dann vollgekotzt, wenn ich einen wichtigen Termin hatte (lacht).
Joëlle: Genau. Die Kinder werden grundsätzlich genau dann krank, wenn sie nicht sollten. Meiner hat zum Beispiel pünktlich zur Buchmesse 3-Tage-Fieber bekommen. Der Klassiker.
Und wie klappt das im Alltag, mit Baby zu arbeiten?
Britta: Gar nicht. (lacht) Nein, im Ernst, mit Baby zu arbeiten funktioniert mit den wenigsten Berufen. Wenn man sich konzentrieren muss, lenkt das viel zu sehr ab. Da kannst du eigentlich nur die Momente nutzen, in denen du Hilfe hast oder wenn du sicher bist, dass das Baby ne Weile schläft. Meine Gedanken müssen beim Schreiben sortiert sein, denn ich muss in eine andere Welt abtauchen. Und das ging nicht mit glucksendem Baby im Hintergrund und jetzt mit meinem Kletter-Kleinkind erst recht nicht mehr. Alles, was er anstellt, ist lebensgefährlich.
Joëlle: Bei mir geht das ehrlich gesagt ganz gut. Aber beim Zeichnen taucht man auch nicht so sehr ab wie beim Schreiben. Es kommt auch sicher sehr aufs Baby an.
Britta: Wahnsinn finde ich, wie unfassbar effizient man als Mutter wird. Ganz ehrlich, ich hätte nie geglaubt, dass man so fokussiert sein kann. Wenn du weißt, du hast jetzt einfach nur eine verdammte Stunde, dann musst du die eben optimal nutzen. Ich glaube, ich bin tausend mal schneller als früher. Bestimmt ist das bei allen Müttern so. Wir müssen einfach voll auf den Punkt arbeiten. Das ist echt erschreckend und verwunderlich, wie effizient Mütter sind.

Seid ihr manchmal neidisch auf all die Männer, die Väter werden, ohne danach dieses Gefühl der Zerrissenheit zu haben?
Joëlle: Ich war nur in der Stillzeit sehr neidisch auf meinen Mann, weil das Stillen am Anfang immer über eine Stunde gedauert hat- dieses Festsitzen und nichts anderes tun können hat meine Geduld und meinen Schaffensdrang auf eine harte Probe gestellt.
Britta: Auf diese körperlichen Extreme hätte ich auch gerne verzichtet. Da wäre es echt toll gewesen, sich diese Anstrengungen zu teilen. Aber da hat die Gleichberechtigung eben einfach biologische Grenzen. Diese Anfangsphase fand ich wirklich heftig, da war ich sehr ausgelaugt. Aber das Schmusen war das Beste und das hätte ich auch nicht missen wollen. In dieser Anfangszeit den ganzen Tag weg zu sein, das hätte ich mir nicht vorstellen können.
Joëlle: Ja, voll. Schmusen ist das Beste!

Könnt ihr Frauen verstehen, die ihre berufliche Laufbahn für die Kinder auf Eis legen?
Britta: Mh, schwierige Frage. Für mich persönlich wäre das unvorstellbar. Einfach, weil ich das Schreiben so liebe und das auch brauche. Es wäre aber total vermessen, das zu verurteilen. Mütter machen das eh viel zu oft. Man könnte sich so gut untereinander helfen und sich gegenseitig unterstützen. Stattdessen sind Mütter oft so hart zueinander und auch mit sich selbst. Das ist total schwachsinnig, wir sitzen schließlich alle in einem Boot.
Joëlle: Das stimmt. Das sollte man echt nicht tun. Ich finde es nur schlimm, wenn Frauen zu viel aufgeben und am Ende selbst nicht mehr glücklich sind. Solange sie selbst zufrieden sind mit ihrem Leben, ist aber doch alles gut. Eltern sollten menschlich und zwischenmenschlich irgendwie Vorbilder sein. Das ist das einzige Soll, das ich sehe. Und das hat ja nichts mit beruflichen Ambitionen zu tun.
Britta: Ok ist alles, was glücklich macht. Ich glaube, jeder Mensch sollte Träume oder irgendeine Form der Erfüllung haben.
Können nicht die Kinder diese Erfüllung sein?
Joëlle: Natürlich können sie das eine Zeit lang. Aber Kinder wachsen. Kinder gehen. Und dann sollte man irgendetwas haben, was einem gut tut.
Britta: Ich glaube, es ist immer gut, seine Träume zu leben. Nicht „obwohl“ man Kinder hat, sondern eben mit den Kindern. Ich glaube, dass das immer möglich ist. Auf die eine Weise oder eben auf eine andere. Kinder sollten einen nicht davon abhalten, das zu tun, was man liebt. Ich liebe mein Kind und meinen Beruf. Das ist das Beste, was einem passieren kann.

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