1. Under Pressure
Bei Mama und Papa eine Selbstverständlichkeit, auf einmal dann nicht mehr: Wasser, Strom, Heizung, funktionierende Elektro-Geräte. Von der Frage, wo man was wie beantragen muss, über unübersichtliche Jahresabrechnungen bis hin zur „Duschen oder nicht duschen“-Entscheidung, wenn das warme Wasser Samstagmorgen ausfällt – das sind alles erste Male, in denen ich ohne auch nur einen Hauch von einem Plan auf einmal vor einem Problem stand. Stand! Mittlerweile habe ich mich in allen möglichen Krisensituationen als stressresistent bewiesen. Kein warmes Wasser? Dann gehe ich eben wieder ins Bett. Kühlschrank ist kaputt? Komm, wir kochen einfach mit den Lebensmitteln, das hätten wir früher oder später sowieso gemacht. Glühbirne durchgebrannt? Ich habe noch ein paar Lichterketten im Schrank, lass uns die aufhängen. Weihnachtliche Stimmung inklusive.
2. They See Me Rollin‘
Kurz nach meinem Umzug bin ich stolze Besitzerin eines Fahrrads geworden, das ich für 35 Euro (inklusive Fahrradschloss, yes!) bei eBay Kleinanzeigen erstanden habe. Luft aufpumpen war für mich als emanzipierte junge Dame natürlich gar kein Problem. Dann ist mir bei einem kleinen Beinahe-Zusammenstoß der Bowdenzug gerissen (Jaa, sowas gibt’s!) und ab und an macht die Kette komische Geräusche. Oder sind es die Pedalen? Naja, eine funktionierende Bremse bleibt mir immerhin. Und es fährt ja. Noch.
3. Money, Money, Money
Nachdem ich zum ersten Mal einen stolzen Blick auf meine allererste Gehaltsabrechnung geworfen habe, schwirrte mir der Kopf: Zwischen Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherungen mein eigentliches Gehalt zu finden, hat wirklich gedauert. Und verstanden hatte ich es trotzdem nicht. Eine Kurvendiskussion? Kein Problem. Vektoren, die mehr Buchstaben als Zahlen enthalten? Easy! Die Gehaltsabrechnung verstehen? Hilfe!
4. Ich bin der Lieferandomann
In den ersten Monate des Allein-Lebens bestand meine Ernährung einseitig aus allen Dingen, die bei meinen Eltern nicht gab: Pizza vom Lieferdienst, Toastys (kleine tiefgekühlte Quadrate, die man in den Toaster schiebt und als gegrilltes und paniertes Hähnchen-Stück wieder rausholt – igitt, ich weiß), Mikrowellenpopcorn und allerlei andere Dinge, bei denen es meiner Mutter kalt über den Rücken laufen würde – und allen anderen Erwachsenen wahrscheinlich auch. Mittlerweile habe ich mich gebessert, aber ausgewogen und gesund ernähre ich mich nur, wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin. Sonst würde mich der Typ vom Liederdienst bestimmt vermissen, der Arme!
5. Pocketful Of Sunshine
Meiner Mutter sei’s gedankt – ich wusste schon vor dem ersten eigenen Waschgang, dass man Klamotten vor dem Waschen trennen muss, dass nicht alles gleich gewaschen werden kann und dass man lieber die Taschen der Hosen leer macht, sonst hat man die Tempo-Krümel verteilt über der ganzen Ladung. Nichtsdestotrotz zieht eine Freundin von mir in regelmäßigen Abständen eingelaufene oder verfärbte Wäsche aus der Maschine. Eine andere weiß gar nicht erst, wie das geht, dieses Mysterium „Wäsche waschen“, und lässt es von ihrer Mitbewohnerin erledigen. Wahrscheinlich könnten wir alle im fünfhebigen Jambus darüber fluchen, wenn mal wieder was schiefläuft – aber ob uns das hilft?
6. Bitter Sweet Symphony
Wenn die Steuererklärung anstand, war meine Mutter über einen Zeitraum von mehreren Tagen ziemlich schnell reizbar und größtenteils in ihrem Arbeitszimmer verschwunden. Das ist das einzige, was ich darüber weiß. Noch ist mir das Glück, mir einen Überblick über alle überflüssig bezahlten Steuern zu verschaffen, diese sinnvoll zu ordnen und einzureichen, verwehrt geblieben. Darf ich meine alten Lehrer zur Rechenschaft ziehen, wenn ich dann planlos und verzweifelt zwischen tausenden Kassenbons und Formularen sitze? Vielleicht bringt mich das ja weiter – mein Grundwissen über Analysis und Matrizen sicherlich nicht.
7. The Show Must Go On
Was uns in der Schule auch nicht beigebracht wurde, abseits von Ernährung, Putzplänen oder unbezahlten Rechnungen, sind viel essenziellere Dinge; Entscheidungen treffen, Selbstdisziplin haben, Verantwortung übernehmen. Wo vorher Eltern und Lehrer für uns entschieden haben, wann wir was machen, sitzen wir jetzt zuweilen da und wissen gar nicht, wo wir anfangen und wie wir alles schaffen sollen. Morgens spielt niemand mehr für uns den Wecker, Einkäufe muss man selber schleppen, und auch das Geld so haushalten, dass man möglichst den ganzen Monat etwas davon hat. Ganz abgesehen davon, dass alles, was man macht (oder eben auch nicht) im Nachgang auf einen zurückfällt und nicht von umsorgenden Eltern abgefangen wird. Vielleicht fehlt in deutschen Schulen an einigen Stellen der Realitätsbezug. Vielleicht sind all die eingelaufenen T-Shirts, zugenommenen Kilos und „Send Help“-Nachrichten an Papa Teil dieses Erwachsenwerdens. Ich werde berichten.