Als kleines Kind liebt man seine Eltern bedingungslos. Als Teenie schwankt man zwischen peinlich berührt und endlos genervt und als Erwachsene stellt man plötzlich die ach so peinlichen Eigenschaften an sich selbst fest. Woran unsere Redakteurinnen gemerkt haben, dass sie ihren Eltern ähnlicher sind, als sie einst dachten, erzählen sie hier.
Daran haben wir gemerkt, dass wir wie unsere Eltern werden
Ich musste nicht erst als reflektierte 45-jährige darauf stoßen, dass ich meiner Mama gerade was den Charakter betrifft, sehr ähnlich bin – wir sind beide sehr pragmatisch, manchmal schon fast gefühlskalt („Nun hab dich doch nicht so“ oder „Streng dich halt mehr an“ versuche ich schon seit einiger Zeit aus meinem Sprachgebrauch zu verschieben), können an keinem guten Buchladen vorbeigehen und lieben Schokolade mindestens genau so sehr wie uns selbst. 😉 Letztens ist mir allerdings etwas aufgefallen, das ich so bisher noch nie an mir bemerkt habe:
Vor zwei Wochen bin ich umgezogen. Raus aus meinem WG-Zimmer, rein in eine neue Wohnung – ich dachte, das wird ein Kinderspiel. Immerhin zieht hier nicht eine fünfköpfige Familie um, sondern eben nur ich, WG-bedingt mit nur einem halben, zusammengewürfelten Hausstand. Als ich beim Packen den dritten Karton mit „Krimskrams“ beschriftet habe, hat es mich gepackt: Die Verwirrung, woher die ganzen Sachen kommen, die ich noch nicht einmal genau benennen kann. Und die Wut darüber, dass ich das alles in den letzten zweieinhalb Jahren angehäuft habe, ohne es wirklich zu brauchen. Und dann habe ich zum ersten Mal instinktiv etwas gemacht, das ich so nur von meiner Mama haben kann: Ich habe ausgemistet. Sachen verschenkt, gespendet und verkauft. Bei meiner Mama gehört es schon fast zum wöchentlichen Doing, Kleiderschränke, Ordner und die Speisekammer auszumisten. Lange hatte ich überhaupt kein Bedürfnis, mich so genau mit meinen Dingen zu beschäftigen – das kam jetzt erst heraus. Und war sehr befreiend!“
Charlotte, Volontärin
Letzte Woche war ich im Supermarkt, um eine Wassermelone zu kaufen. Leider war die Kiste leer, aber der Mitarbeiter in der Obstabteilung legte gerade Ware nach und es waren auch Wassermelonen dabei. Ich sprach ihn an, und er fragte, ob ich noch ein paar Minuten warten könne, er würde mich gerne eine nehmen lassen, wenn er die darüber gestapelten Kisten abgearbeitet hätte. Ich sagte, klar, geduldete mich circa zehn Minuten, in denen ich noch einmal vor die Tür ging, und als ich wieder kam, lag nur noch die Kiste mit den Kiwis auf den Melonen, die der Mitarbeiter sofort für mich anhob, als er mich sah, wofür er seine Arbeit mit den Kartoffeln unterbrach. Dann aber stellte sich mir ein Problem: Zum einen waren die Melonen viel zu groß für mich (zum Tragen und zum Essen), zum anderen konnte man schon an den Dellen in der Schale erkennen, dass sie matschig waren. Ich hätte sagen können bzw. müssen, dass ich doch keine möchte. Aber was tue ich? Ich nehme eine Riesenmatschmelone, stelle mich damit noch einmal zehn Minuten an der Kasse an, schleppe sie nach Hause und überlege die ganze Zeit, warum. Als ich später meiner Mutter davon erzählte und sie mich sooo gut verstand, wurde es mir klar: Weil ich wie meine Mutter bin. Lieber bezahle ich sieben Euro für eine matschige Wassermelone, die ich nicht nur nach Hause schleppen, sondern auch noch tutti kompletti entsorgen muss, als das Risiko einzugehen, einen freundlichen Fremden vor den Kopf zu stoßen. Danke, Mama!
Susanne, Redakteurin Liebe
Früher habe ich es gehasst: Wenn Besuch vor der Tür stand, drehte meine Mama (lieb gemeint) am Rad. Plötzlich mussten alle Zimmer auf den Kopf gestellt und jedes feinste Staubkörnchen weggesaugt werden. Selbst wenn nur die Familie vorbeikam. Stress pur! Heute bin ich ehrlich gesagt genauso. Wenn sich Besuch ankündigt, meine ich, plötzlich in kürzester Zeit einen schnellen Kuchen zusammenzurühren und gleichzeitig die Küche putzen zu müssen. Schlechte Kombi, weiß ich selbst, vor allem weil mir andere viel sympathischer sind, wenn ihr Zuhause nicht blitzt. Aber ich habe heute trotzdem tiefstes Verständnis für meine gestresste Mutter.
Mareike, Redakteurin Aktuelles
Mein Vater ist polterig, tollpatschig und findet nie, nie, nie was er sucht. Bestes Beispiel: Der Kühlschrank. Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass der wirklich auch immer sehr sehr voll ist, aber dennoch, wie oft habe ich früher entnervt gedacht: "Papa, einfach mal die Augen aufmachen, so groß ist der Kühlschrank nicht." Mit fortschreitendem Alter habe ich das dann auch ziemlich oft ziemlich genervt laut gesagt. Ähnlich verhält es sich mit Brillen, Autoschlüsseln, Portemonaies – alles, was genau dann nie da ist, wenn man es gerade eilig hat und los will. Tja, was soll ich sagen, heute steh ich vorm Kühlschrank und seh vor lauter Butter die Milch nicht, finde kurz vor knapp meine sieben Sachen nicht und sehr viele Menschen müssen öfter mal auf mich warten und sind genervt von meinen unkoordinierten, hektischen Suchaktionen... "Hat jemand xy gesehen?" ist hier schon ein geflügelter Satz. Mein Vater treibt mich jedoch immer noch in den Wahnsinn. Ich warte eben nicht gerne...
Julia, Redakteurin Barbara.de
Es gibt ja zahlreiche Dinge, die einen als Teenager*in an seinen Eltern stören oder sogar peinlich sind. Meine Eltern lieferten mir wirklich allerhand Stoff, um emotional an die Decke zu gehen: Mein Vater zum Beispiel - ständig führte er Selbstgespräche. Kein Gang in die Küche blieb unkommentiert: Alle im Haus wussten, wann er sich einen Kaffee kochte und dabei vor sich hinmurmelte, dass die Milch bald alle ist und auf die Einkaufsliste gehört. Und wo liegt denn jetzt schon wieder die Brille?! Meine Freundinnen fanden das auch immer sehr amüsant und imitierten ihn. Fand ich als Teenagerin weniger amüsant. Zwanzig Jahre später erwische ich mich dabei, wie ich am Samstagmorgen meiner Geschirrspülmaschine mein Herz ausschütte und dem Radiomoderator erzähle, dass er sich die Schnulzen à la Kuschelrock um diese Uhrzeit doch bitte sparen soll. Erwischt! Ich bin jetzt definitiv erwachsen und führe Selbstgespräche, die meiner Tochter in einigen Jahren peinlich sein könnten. Aber wisst ihr was? Mir doch egal!
Daniela, Social Media-Redakteurin
Als Kind konnte ich nie nachvollziehen, was meine Eltern und Großeltern den ganzen Tag im Garten machten. Hatten die sonst keine Hobbies? Wenn es stressig wurde, gingen sie in den Garten; das Wochenende wurde (freiwillig) mit Umpflanzen und Jäten verbracht. Es schien mir einfach immer so viel Arbeit und so wenig Ertrag – auf der Terrasse sitzen kann man doch schließlich auch ohne perfekt gestutzte Büsche. Aber je älter ich wurde, desto ausgeprägter wurde auch mein grünes Bedürfnis. Mittlerweile plane ich jeden Quadratmeter meines Balkons möglichst ertragreich ein, baue in der Großstadt Gemüse und Kräuter an. Schon im Februar kann ich kaum erwarten, dass es endlich wieder draußen losgeht. Die körperliche Arbeit erdet mich buchstäblich – genau wie meine Eltern und Großeltern. Das verstehe ich nun endlich.
Lara, Redakteurin News
Meine Mutter hat früher immer vor sich hin geschimpft, wenn wir unsere Sachen mal wieder rumliegen lassen hatten und sie aufräumen musste. Das ging dann ewig so, mal leiser, mal lauter. Gerade so, dass wir die ganze Zeit hören konnten, dass sie ziemlich sauer auf uns war. Direkt angesprochen hat sie uns aber nicht, nur über uns geschimpft, geschimpft, geschimpft. Ich hab mich dann echt schlecht gefühlt, fand das einfach schrecklich und habe mich lieber in mein Zimmer verzogen. Heute fragt mein Sohn mich manchmal: „Mama, bist Du irgendwie sauer? Du schimpfst so.“ Da merke ich dann, dass ich es unbemerkt genauso mache wie meine Mutter damals. Einerseits finde ich das ziemlich erschreckend, da ich noch weiß, welche Gefühle das in mir damals ausgelöst hat. Meine Mutter kann ich heute aber auch besser verstehen: Es ist eben einfach frustrierend, wenn man der Familie ALLES hinterherräumen muss."
Rachel, Redakteurin SEO
Als ich meine erste Wohnung hatte, musste alles möglichst pur sein. Nix durfte rumstehen. Mein Bruder und ich haben den Tüddelkram meiner Eltern immer Steh-Rumskis genannt, ging gar nicht. Mein Vater, sonst eigentlich Landwirt durch und durch und eher handfest, hatte immer einen, mir unerklärlichen Fimmel mit handbemalten Porzellanfiguren aus Meißen (Vögel auf Ästen, Hofdamen mit Hochsteckfrisuren, Reifröcken und Korsetts, galoppierende Pferde mit wehender Mähne und so Zeugs). Meine Mutter hütete die Erzgebirgsengel, –hasen und -blumenkinder, die ihre Eltern in der Wirtschaftswunderzeit mühsam zusammengespart hatten, immer wie ihre Augäpfel. Naserümpfen.
Aber jetzt, so mit Ende vierzig merke ich, nicht nur Corona ist ansteckend, Fimmel irgendwie auch. Inzwischen jedenfalls berühren sie irgendwie mein Herz, die dicken kleinen Engel mit den Harfen und die Blumenkinder – angefangen hat es damit, dass ich mir selbst ein Blumenmädchen kaufte, als ich endlich eine Tochter bekam. Dann fand ich es ungerecht, so eine kleine Quotenfrau, also kamen zwei kleine Jungen mit Seppelhüten dazu – naja, und dann Engelkapelle in der Weihnachtszeit. Mein Man schüttelt den Kopf, aber der hat nix zu melden, ich muss ja auch das zerschundene erste Sofa seiner Eltern bei allen Umzügen mitschleppen. Inzwischen hab ich mir sogar die Porzellanfiguren meines Vaters schön- und Plätze in unserem Zuhause ausgeguckt, wo sie mal hinkönnten eines Tages. Aber mein Bruder hat auch schon Bedarf angemeldet. As time goes by….
Julia, Podcasterin "Elterngespräch"
Ich war gerade eine Zeit lang meine Eltern besuchen und da ist mir in Kleinigkeiten extrem aufgefallen, wie gleich wir mittlerweile ticken. Sei es der morgendliche Keks, der gerne noch vor dem Frühstück zum ersten Kaffee gegessen wird, oder nach ein paar Tagen zu Hause bleiben der fast zeitgleiche Ausruf: ich muss irgendwie ans Wasser!, mitsamt gemeinsamer Tour an irgendein Gewässer fernab von Menschen. Da dachte ich mehrfach: Ok, wow, wir sind uns verdammt ähnlich.
Mareike, Redakteurin Aktuelles
Macken machen uns aus
Das Schöne ist, nirgendwo können wir unsere Macken so gut ausleben, wie zu Hause. Denn niemand versteht uns so sehr wie diejenigen, die sie uns vererbt haben oder von denen wir uns bestimmtes Verhalten abgeguckt haben. Schließlich kann man uns ja nicht die Eigenschaften vorwerfen, die man selbst total verinnerlicht hat. Und Und eigentlich sind es doch auch genau solche Dinge, die uns ausmachen. Macken gehören einfach zu unserer Tradition.