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Das Schweigen der Männer – Gruseliger als Hannibal Lecter

Das Schweigen der Männer – Gruseliger als Hannibal Lecter
© Getty Images
"Kannst du jetzt bitte auch mal was dazu sagen?" Keinen Satz hat unsere Autorin in ihrem Leben häufiger gesagt als diesen. Sie hat ein besonders stilles Exemplar des ruhigen Geschlechts geheiratet und weiß: Nichts ist gruseliger als das große Schweigen der Männer. 
von Marie Stadler

Ich rede. Er atmet. Ich erkläre. Er starrt an die Decke. Ich schreie. Er stöhnt genervt und massiert sich die Schläfen. Szenen einer Ehe, nämlich meiner? "Nein, Szenen, die so in abertausenden Beziehungen vorkommen", beruhigt mich Andrea Simmer, Dipl.-Psychologin und Paarberaterin. "Der schweigende Mann" sei kein Phänomen, das meinen Mann zu einem Trendsetter macht. Im Gegenteil: "Da spielen ganz alte Muster mit rein, die mit der Rolle von Männern und Frauen vor vielen Jahrtausenden zu tun haben", sagt die Expertin. Soso. Die Steinzeit also. Männer, die nach der gefährlichen Jagd schweigend ins Feuer starren. Frauen, die zusammen den Bären häuten, die Kinder versorgen, die Höhle in Schuss und die Sippe zusammen halten. Oh weh! Dass solche Muster zum Problem werden, wenn plötzlich beide jagen, äh, arbeiten gehen und auch der Mann mit für Kinder und Höhle zuständig ist, ist wenig überraschend. Da wäre eine gute Kommunikation hilfreich und schweigendes ins Feuer starren nicht gerade zuträglich. Finde ich. Mein Mann hätte sicher eine andere Meinung. Aber über seine Meinung redet er selten. Überhaupt hat man manchmal den Eindruck, er müsse für jedes gesprochene Wort zahlen. Dabei mag ich seine Stimme so gerne. Und seine klugen Gedanken auch. Doch die meisten teilt er eher ungern mit mir.

Reden ist für Männer Stress

Nichts liegt mir ferner, als hier Männer und Frauen jeweils über einen Kamm scheren zu wollen. Klar weiß ich, dass es sehr redselige Vertreter der männlichen Spezies gibt. Und ganz sicher gibt es eine Menge Frauen, die gerne ihre Ruhe haben. "Aber man kann ganz klar sagen, dass es bei Kommunikationsproblemen zwischen Männern und Frauen meist darum geht, dass Frauen eher reden möchten und Männer das stresst." Und da liegt auch schon das Hauptproblem. Während das Reden über Probleme für Frauen der Grundstein zum Stressabbau ist, jagt der Satz "Schatz, wir müssen reden" vielen Männern schon den Angstschweiß auf die Stirn. Dabei ist es relativ egal, worum es geht. "Es muss nicht mal ein Problem zwischen dem Paar sein", erklärt Andrea Simmer. "Auch wenn die Frau vom Streit mit ihrer Kollegin erzählt, steigt bei vielen Männern der Stresspegel. Sobald Kommunikation die sachliche Ebene verlässt und Emotionen ins Spiel kommen, fühlen sie sich oft inkompetent." So richtig unrecht haben sie mit dem Gefühl ja auch nicht. Denn die logische, lösungsorientierte Herangehensweise von Männern kann uns schon mal ganz schön auf die Palme bringen. Vor allem dann, wenn wir einfach nur einen Zuhörer gebraucht hätten und keinen Rat.

Die Frauen-Aggro-Bombe – wundert es irgendjemanden?

Wenn redselige Frauen und ruhige Männer jedenfalls über große Gefühle reden und sich dabei nicht hundertprozentig einig sind, kommt ein Teufelskreis in Gang, der sich andauernd wiederholt. Sie will reden, er fühlt Stress und glaubt, dass sie am Ende eh wieder ausrasten wird. Also schweigt er, was sie aggressiv macht und am Ende passiert genau das, was er befürchtet hat: Sie rastet aus. Und er speichert: Reden führt immer zu Stress. Egal, was ich mache oder sage, es ist falsch.

Was Mann nicht versteht: Schweigen ist aus unserer Sicht unter allen falschen Reaktionen die allerallerfalscheste. Wie man aus dem Teufelskreis rauskommt? Andrea Simmer sagt, dass das gar nicht so schwer ist. "Zunächst einmal hilft die Einsicht, dass man nur sein eigenes Verhalten ändern kann, und nicht das seines Partners." Argh, ich hatte es geahnt. "Vor allem in Stresssituationen", sagt sie, "agieren und reagieren wir alle gerne in alten Mustern."Frauen, die die Kommunikation in ihrer Beziehung verbessern wollen, rät sie, das Ganze sachlicher anzugehen. Ein bisschen so, wie man es im Job als Team machen würde. "Wenn man mit seinem Partner sprechen möchte und ihm das offensichtlich schwerfällt, dann am besten in einem festgelegten zeitlichen Rahmen. Das entspannt Männer sofort ungemein, weil es eine zeitlich absehbare Stresssituation ist. Bevor man das Problem oder das Thema schildert, könnte man vorher auch einmal kurz sagen, was das Ziel des Gesprächs ist. Zum Beispiel: Ich brauche grade einfach kurz ein Ohr, aber keinen Ratschlag. Auch das gibt Männern mehr Sicherheit, weil sie wissen, was von ihnen erwartet wird, und was nicht."

Aber warum reden Disney-Prinzen mit den Prinzessinnen?

Nachvollziehbar. Aber: Das eigentliche Problem am Mann-Frau-Kommunikations-Dilemma ist ja das Gefühl, dass wir vielleicht einfach den falschen Mann an unserer Seite haben, wenn wir so aneinander vorbeireden und -schweigen. In all den schönen Filmen, da gibt es auch Kommunikationsmuffel. Aber das sind meist die, die für Hugh Grant, Brad Pitt oder Ryan Gosling verlassen werden. Oder es sind die, die einfach die falsche Frau hatten und erst mit Anne Heatheway an ihrer Seite aufgeblüht sind. In Disney- und Hollywoodfilmen wäre ein typisches Gespräch im Hause Stadler jedenfalls eindeutig ein Indiz dafür, dass wir nicht füreinander bestimmt sind. Und zwar ein todsicheres! "Aber das Leben ist eben nicht Disney", unterbricht Andrea Simmer meine Überlegungen. "Und der Partner muss nicht so eloquent, einfühlsam und verständnisvoll sein wie unsere beste Freundin." Oh. Muss er nicht? Sind etwa meine Erwartungen zu hoch? Andrea Simmer nickt. "Das sind sie." Und dann sagt sie etwas wirklich tröstendes: "Die wenigsten Paare schaffen es, völlig ohne Anstrengung miteinander zu kommunizieren. Und das ist kein Weltuntergang."

Was man tun kann als Frau

Wer also einen schweigsamen Kerl zuhause hat, kann zunächst einmal eines tun: Sich entspannen und das Schweigen nicht als Gleichgültigkeit werten, sondern als Unsicherheit.

Wenn man dann noch übt, den anderen ausreden zu lassen (falls er denn dann doch mal redet), nicht immer mit "ja, aber" zu antworten (touché!) und geduldiger mit dem Partner zu sein, wenn der nicht so kompetent mit Wörtern und Emotionen jonglieren kann wie unsere Freundinnen, dann ist das schon mal ein guter Anfang.

Ich beschließe, das mal mit meinem Mann zu versuchen. Natürlich nicht länger als 15 Minuten. Dabei werde ich ganz professionell ein Kostüm und eine Lesebrille tragen, mein Gesprächsziel in einer Powerpoint-Präsentation vorstellen und der Sachlichkeit halber Protokoll führen. Vielleicht teilt er dann auch seine klugen Gedanken mit mir. Aber danach müssen wir wirklich ganz dringend einen Disneyfilm gucken. Wegen der Romantik und so. Meinetwegen auch schweigend. 

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