Es ist also soweit, heute geht meine große Tochter wieder in die Schule. Mit Maske, Sicherheitsabstand, Hygienemaßnahmen, diversen Regeln und nur der Hälfte der Klasse. Für ganze zwei Stunden an zwei Tagen in der Woche. Nach einem kurzen Moment der Freude für meine Erstklässlerin, die nicht nur ihre Freunde und Lehrer sehr vermisst hat, sondern auch nicht die geduldigste Lehrerin zu Hause hatte, folgte: Ernüchterung. Denn zwei Stunden Schule bedeutet für mich vor allem: Fahrerei und sehr viel verlorene Zeit für den Job, den ich in dieser Zeit eigentlich zu erledigen habe.
Homeschooling war hart...
...obwohl wir ein wirklich geduldiges Kind haben. Trotzdem funktioniert es einfach nicht, im Homeoffice kreative Texte zu schreiben, wenn man zeitgleich Addition und Subtraktion erklären, jedes Wort gemeinsam buchstabieren, beim Lesen assistieren, eine Projektwoche mit diversen Bastelarbeiten begleiten, für Bewegung sorgen und irgendwie die Laune hoch halten soll, obwohl man nach Wochen selbst nur noch einen Flickenteppich von Nervenkostüm besitzt und eigentlich lieber in einer Ecke sitzen und weinen möchte. Aber: Irgendwie haben wir es gewuppt, trotz Wechselmodell, dem Hin- und Herschleppen der Klamotten, einem weiteren kleinen Kind, dass gerade die Trotzphase neu für sich entdeckt und auch Zuwendung braucht. Es ging, wir haben uns daran gewöhnt, uns kleine Oasen geschaffen und die Betreuung irgendwie aufgeteilt, sodass jeder von uns seine Arbeit irgendwann machen konnte. Und dabei dürfen wir uns sogar noch glücklich schätzen, weil wir an keine festen Zeiten gebunden sind und uns so gut es geht unterstützen. Wie machen das Eltern, die nicht flexibel arbeiten können, die mit Homeschooling völlig überfordert sind, oder alleinerziehende Mütter und Väter? Ich weiß, Corona betrifft uns alle, aber was Eltern zu leisten haben, kann man sich nur vorstellen, wenn man ein Elternteil ist. Und jetzt auch das: Schule in Häppchen.
Sorry liebe Kollegen, ich arbeite dann nur noch manchmal zwischendurch
Schule geht nun mal vor. Ist ja auch Pflicht. Für uns bedeutet das konkret Montag Unterricht von 11-13 Uhr, Dienstag von 8-10 Uhr. In der Theorie arbeite ich zu dieser Zeit. Praktisch bin ich nun nicht nur Lehrerin an den Tagen, an denen keine Schule stattfindet, sondern an den anderen auch noch viel unterwegs, um meine Kinder in die Schule und Kita zu bringen und im Anschluss eigentlich auch direkt schon wieder abzuholen. Arbeiten in der Zwischenzeit schaffe ich nicht, optional könnte ich mir natürlich ein Car-Office einrichten und auf einem Parkplatz das Zeitfenster mit Arbeit füllen, dass ich zwischen der Fahrerei eventuell habe.
Ich weiß, die Lehrer*innen meiner Tochter geben ihr Bestes
Die letzten Wochen waren sicher auch für sie nicht leicht und ich bin unglaublich dankbar dafür, wie viel Mühe sich alle gemacht haben, um ihre Schüler liebevoll durch die Krise zu lotsen. Ich frage mich nur, warum man bei all den jetzigen Planungen und Plänen von Politik, Behörde und Schule eines einfach nicht bedenkt: Wir Eltern arbeiten auch! Immer noch, auch noch nach sechs Wochen Wahnsinn zu Hause. Die Belastungen sind kein geheimnisvolles Flüstern hinter vorgehaltener Hand, sondern inzwischen schon recht laute Stimmen. Warum hört aber immer noch niemand zu? Warum bringen wir jetzt all die mühsam aufgebaute Homeoffice-Routine durch zweimal zwei Stunden Schule die Woche komplett durcheinander, statt Schule wenigstens an einem Tag stattfinden zu lassen, wie es durchaus auch einige Schulen tun?
Hygienepläne? Wie soll das gehen?
Eigentlich müssten die Toiletten dreimal am Tag gereinigt, der einzelne Einlass am Schultor und in den Pausen Abstände kontrolliert werden. In der Realität fehlt es an Platz, Personal und on Top kommt der Unberechenbarkeitsfaktor Kind. Denn im Grunde wissen wir doch alle, dass es schon vielen Erwachsenen schwerfällt Abstände und all die Empfehlungen umzusetzen, was erwarten wir also von unseren Kids? Von Schule und Politik erwarte ich hingegen, dass endlich auch an die Eltern gedacht und nicht immer noch mehr auf deren Schultern abgelegt wird. Es geht eben nicht nur darum, was die Schulen leisten können, sondern auch, was den Eltern zugemutet wird. Ich verstehe durchaus, dass es langsam wieder losgehen muss, dass noch niemand in einer solchen Situation war und auch ich habe keine perfekte Lösung parat. Allerdings gibt es Menschen, wie beispielsweise Bildungssenator Thies Rabe hier in Hamburg, die dafür eine entwickeln sollten und gerne eine mit etwas mehr Weitblick für alle.