Anzeige
Anzeige

Enthüllungskolumne Von einer, die sich nicht auszog

Enthüllungskolumne: Frau steht am Strand mit warmer Jacke an
© simona / Adobe Stock
Je nackiger alle um sie herum unterwegs sind, desto zugeknöpfter zeigt sich unsere Autorin. Eine kleine Enthüllung

Aber es fühlt sich doch so gut an, sagen meine Freunde – und meinen, mir damit die Freude am Nacktsein näherbringen zu können. Sie wissen, wovon sie sprechen. Denn sie rennen nackt durch ihre Wohnung, sie liegen nackt im Garten, sie baden nackt – und zwar nicht nur zu Hause in der Badewanne. Mir fallen so viele Dinge ein, die sich besser anfühlen, als alle Klamotten abzuwerfen. Ein Stück Buttercremetorte essen zum Beispiel.

Auch bei heißen Temperaturen ist ausziehen keine Option

Die Nackten stören mich. In Sachsen, wo ich seit 15 Jahren lebe, ist es ab einer Temperatur von zehn Grad Celsius praktisch unmöglich, ihnen aus dem Weg zu gehen: Man kann sich an keinem Seeufer aufhalten, ohne blanke Hintern, Bäuche und Brüste zu erblicken – das ganze Bundesland ist ein gigantischer FKK-Bereich. Es ist halt heiß, sagen meine Freunde – und finden, das erkläre alles.

In Australien, wo ich eine Zeit lang gelebt habe, da ist es heiß. Die Sonne brennt. Deshalb ziehen sich die Menschen langärmelige Shirts und lange Hosen an. Sie setzen Hüte auf und schmieren die frei bleibenden Flächen mit Sonnencreme ein. Wenn Hitze dort kein Grund ist, sich zu entblößen, warum bloß ist sie es dann hier? Hier wird bei jedem Film mit gewissen Szenen alarmierend explizit auf diese hingewiesen – aber vor der nackten Realität warnt einen niemand! Wenn ich am Badesee im Badeanzug auf meinem Badehandtuch sitze, spaziert sie auf Augenhöhe an mir vorbei.

Nacktheit war schon immer eine Hürde

Ein schwuler Bekannter von mir behauptet, dieses Sich-nackt-in-der-Öffentlichkeit-Zeigen sei wie tindern offline. Man würde gleich sehen, was man bekommt. Ich gestehe: Das ist ein verständlicher Grund, sich Nackte interessiert anzusehen, aber das erklärt nicht, warum man selbst nackt sein möchte. Ich kann mich nicht erinnern, je gern nackt gewesen zu sein. Als Kind war es mir vermutlich egal. Da ärgerte man sich vielleicht beim Anziehen, dass das Kopfloch im Pulli zu eng war und beim Rein- und Rausschlüpfen an den Ohren zerrte. Aber wenn man erst mal drin war …

Ich glaube, ich muss schnell erkannt haben, dass Kleidung Schutz bietet. Und zwar nicht nur vor der Sonne, sondern vor allen möglichen Gefahren. Das fängt beim Schlafen an: Wer nackt schläft, paniert sich in Milben und Staub und Haaren und sonstigen Sekreten, die so aus einem rauslaufen. Und dann die Luft, oder besser: Luftbewegungen. Wenn Wind über meine Haut streift, kann ich nicht schlafen. Dafür ganz ausgezeichnet in Kapuzenpullis und mit Mützen. Ich versuche auch zu vermeiden, das Bett mit jemandem zu teilen. Ich mag einfach keinen Atem spüren – und auch nicht hören. Gott segne Ohrstöpsel. Kurzum: Ich verbarrikadiere alle meine Sinne ausgiebig.

Ohne Kleidung fühlt es sich wie eine sinnliche Überforderung an

Nacktsein ist genau das Gegenteil. Da sind alle Sinne offen. Und bei mir sogar, wenn ich gut eingepackt bin, aber alle um mich herum sich entblößen: Ich spüre die Brise auf ihrer Haut und wie die Sonne beißt und zwickt, ich meine sie fünf Meter gegen den Wind riechen zu können. Für mich ist das die maximale, sinnliche Überforderung.

Die Nackten stören mich. Egal, wie ihre blanken Hintern, Bäuche, Brüste beschaffen sind. Ihr Nacktsein ruft in mir all das hervor, was ich mit aller Kraft versuche, von mir fernzuhalten.

Barbara

Mehr zum Thema

Mehr Barbara ...

VG-Wort Pixel