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Kinderwunsch Wenn das Warten auf die Schwangerschaft zur Qual wird

Kinderwunsch: Wenn das Warten auf die Schwangerschaft zur Qual wird
© Getty Images
Anja ist 36 und liebt ihren Mann. Die beiden wünschen sich ein Kind. Aber Anja wird einfach nicht schwanger. Und jeden Monat beginnt das Drama wieder von vorn ...
Protokoll: Pia Volk
Wenn ich ein Problem habe, gehe ich das an, suche eine Lösung. Ich bin eine Macherin. Aber jetzt bin ich in einer Situation, in der nicht einmal wirklich klar ist, was schiefläuft. Ich hätte gern Kinder, aber schwanger werde ich nicht. Woran das liegt? Weiß keiner. Wenn man sich gegen ein Kind entscheidet, dann ist es ein klares Ding. Aber wenn man sich für ein Kind entscheidet, dann spielt man Roulette.

Viele Menschen knallen mir Kommentare vor den Latz wie „Bei dir wird es aber auch mal Zeit“ oder weisen mich auf eine andere unangebrachte Art darauf hin, wie alt ich bereits bin. Als ob ich das nicht selbst wüsste. Alle meine Freunde haben Nachwuchs, schon lange. Ich gehe zu Einschulungen und Kinderdiscos. Ich freue mich jedes Mal, wenn mich eine Freundin anruft und mir ihre freudige Nachricht überbringt. Ich gönne es jedem. Gleichzeitig muss ich jedes Mal weinen, wenn ich auflege. Ich trage eine Wolke-Traurigkeit über meinem Kopf, und manchmal leert sie sich über mir aus.

Ich hatte lange einen Freund, der keine Kinder wollte. Nachdem ich mich von ihm getrennt hatte, habe ich mir wirklich kurz überlegt, einfach von irgendjemandem schwanger zu werden. Aber das war nur eine verzweifelte Schnapsidee. Irgendwie habe ich mich über mich selbst erschreckt, dass ich das in Betracht ziehe. Ich wünsche mir ja nicht nur ein Kind, sondern auch die Familie dazu.

Es bestimmt mein Leben

Vor zwei Jahren habe ich einen neuen Mann kennengelernt, vor anderthalb ist er bei mir eingezogen. Kurz darauf hat er vorgeschlagen, dass ich die Pille absetzen soll. Ich war hin und weg von seinem Vorschlag. Vor allem, weil nicht ich es war, die den Anstoß gegeben hat. Seitdem versuchen wir, schwanger zu werden. Ich hätte nie gedacht, dass das mein Leben so sehr bestimmen könnte.

Pille absetzen ist easy, dachte ich. Aber ich hatte sie seit 20 Jahren genommen, und ich wusste gar nicht, wie es ist, seine Tage zu bekommen. Wenn man die Pille nimmt, bekommt man ja nur eine Art Entzugsblutung. Ich musste meinen Körper erst mal lesen lernen. Also habe ich mir ein Thermometer gekauft und eine App heruntergeladen. Ich fing an, meinen Zyklus aufzuzeichnen.

Jeden Morgen, vor dem Aufstehen, um die gleiche Uhrzeit Temperatur messen. Und am nächsten Morgen wieder und am nächsten. Das war superkrampfig. Ein Tod für passioniertes Liebesleben. Plötzlich hat man diese medizinischen Apparaturen im Bett, auch wenn es nur ein Thermometer ist. Nach drei Monaten war klar, dass ich einen regelmäßigen Zyklus habe, und ich verbannte das Thermometer in den Schrank.

Jedes Ziehen im Unterleib wird beobachtet

Nur schwanger geworden bin ich eben nicht. Ich dachte nicht, dass es einfach werden würde. Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie furchtbar quälend Hoffnung sein kann. Jeden Monat aufs Neue. Wenn man schwanger wird, dann sind die ersten Anzeichen oft ein Spannen in den Brüsten und leichte Übelkeit. Ich bekomme beides aber kurz bevor meine Menstruation einsetzt. Und obwohl ich das mittlerweile weiß, ist da jedes Mal dieser Schimmer an Hoffnung. Schwanger? Vergeblich, bis jetzt.

In miesen Wochen denke ich: Okay, kein Kaffee mehr. Zu ungesund. Überhaupt am besten nur noch Gemüse, alles, was gut für den Körper ist. Aber wenn mein Zyklus um ist und ich wieder meine Tage bekomme, dann denke ich: Ach, total egal. Andere Leute werden schwanger, obwohl sie trinken und rauchen und sich auch um sonst nichts kümmern. Es ist ja doch egal.

Aber dann macht mich das Ausharren und Warten unruhig, und ich versuche etwas anderes: Zyklustee oder doch lieber Nestwärmertee? Jetzt bin ich gerade beim Gleitmittel angelangt, das angeblich einen besonderen pH-Wert schafft, damit die Samenzellen es einfacher auf dem Weg zum Ei haben. Meine Frauenärztin sagt, das sei Quatsch. Ich glaube ihr – und versuche es trotzdem. Ich mache all diese irrationalen Sachen und denke gleichzeitig: Schaden kann es ja nicht, einen Versuch ist es wert. Diese Hoffnung, dieses Klammern an jeden Strohhalm, ist zermürbend.

Natürlich wissen meine engsten Freunde, dass ich gern Kinder hätte, aber kaum einer erkundigt sich nach dem Stand des Projekts Kind. Meine Nicht-Schwangerschaft ist wie der Elefant im Raum, den keiner bemerken will. Ich habe eine Freundin, die wollte vor Kurzem auf einer Feier unbedingt mit mir anstoßen. Ich glaube, sie wollte nur testen, ob ich Alkohol trinke oder schon schwanger bin. Aber einfach fragen, das ist ihr nicht in den Sinn gekommen. Eine andere Freundin, die bereits ein Kind hat und ein zweites möchte, hat mir mal vorgeschlagen, dass wir zusammen schwanger werden. Klingt nett, oder? So nach Unterstützung und Wir-hängen-zusammen-auf-dem-Klo-mit-Morgenübelkeit. Für mich wäre es der totale Stress. Ich stelle mir vor, wie sie sofort schwanger wird und plötzlich jeder weiß, dass ich es auch versuche und es nicht klappt. Gleichzeitig schaue ich ihr zu, wie sie immer runder wird, und sie mir, wie ich jeden Monat scheitere. Eine totale Horrorvorstellung!

Vor ein paar Monaten, so ziemlich ein Jahr nachdem ich die Pille abgesetzt habe, kam mein Freund eines abends zu mir aufs Sofa und fragte: Vielleicht sollten wir uns einen Fertilitätsmonitor kaufen. Das ist ein kleiner Computer, der den Hormonhaushalt misst. Man muss auf ein Stäbchen urinieren, und das wird vom Computer ausgewertet. Er sagt uns, wann die fruchtbaren und die hochfruchtbaren Tage sind. Und dann haben wir Sex nach Vorschrift. Jeden zweiten Tag, weil dann die Samenqualität am besten ist. Egal wie es auf der Arbeit war, egal wie viele Überstunden man gemacht hat oder ob eigentlich der monatliche Kinotag mit der Freundin aus Grundschulzeiten ansteht.

Frustration wegen einer verpassten Möglichkeit zum Sex

Hat man dann noch Lust? Ich schon, denn ich weiß ja, wo das hinführen soll. Und ich weiß, wie ich meinen Freund animieren kann, sollte die Lust bei ihm eher mäßig sein. Zugegeben, es ist schon seltsam, Sex so wie das tägliche Essen mit in seinen Tagesablauf einzuplanen. Am Anfang haben wir das nicht gemacht und dann mal drei Tage keinen Sex gehabt. Aber ich war dann total frustriert, weil ich eine Chance verpasst hatte. Was, wenn genau das der Tag gewesen wäre, an dem es geklappt hätte? Jetzt besteht die große Kunst darin, in dieser Wiederholung keine Routine aufkommen zu lassen. Noch klappt es. Ich fühle mich noch nicht, als sei mein Körper eine Maschine, mit der ich Kinder zeugen möchte, und wir mussten uns auch noch nicht im Erotikladen mit Spielzeug eindecken.

Mittlerweile hat meine Frauenärztin mich aber auch an eine Kinderwunschklinik verwiesen. Spermiogramm I und II, Gebärmutterspiegelung, die Eileiter mit Kontrastmittel spülen – wir haben alles gemacht. Wie im Bilderbuch, stand auf dem Untersuchungsbericht. Ich wusste nicht, ob mich das freuen oder ob ich daran verzweifeln sollte. Wenn alles wie im Bilderbuch ist, wieso werde ich dann nicht schwanger? Ich komme mir vor, als kämpfe ich gegen Windmühlen.

Letzte Hoffnung künstliche Befruchtung

Deshalb haben wir uns jetzt für eine Insemination entschieden, bei der die Spermien meines Freundes zum Zeitpunkt meines Eisprungs in meine Gebärmutter gespült werden. 300 bis 400 Euro kostet es, und es ist fraglich, ob es beim ersten Mal gleich klappt. Für andere Menschen ist Kindermachen kostenlos. Für uns wird es zum Projekt mit Zeitplan und Kostenkalkulation. Weil wir nicht verheiratet sind, muss mein Freund zum Notar gehen und beglaubigen lassen, dass er die Vaterschaft für ein Kind anerkennt, das noch nicht mal gezeugt ist. Das ist irgendwie absurd und ganz weit weg von Romantik, Kerzenlicht und dem Sex deines Lebens, bei dem ganz nebenbei ein Kind entsteht.

Nach der dritten Insemination wird meine Frauenärztin zur Invitro-Fertilisation, also der Befruchtung im Reagenzglas, raten. Ich will aber gar nicht so weit denken. Ich muss daran glauben, dass es klappen wird. Sonst wäre ich ganz schnell bei der Frage, wann man aufgibt. Wann hört man auf zu versuchen, Kinder zu zeugen? Wann schließt man mit diesem Wunsch ab? Es ist eine Frage, auf die ich keine Antwort weiß. Allein beim Gedanken daran kriege ich einen Kloß im Hals und merke, wie mir die Tränen kommen.

Barbara

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