Als ich mir mal wieder bei Youtube den Moment ansah, in dem Leonardo DiCaprio endlich den Oscar bekam, habe ich mich selbst beobachtet: Ich war ans äußerste Ende meines Stuhls vorgerückt, hatte die Hände gefaltet und spürte ein entrücktes Lächeln in meinem Gesicht. Ein wenig erschrak ich über die Erkenntnis, dass ich auch nach 25 Jahren noch so sehr Fangirl bin wie als Teenager, versuchte halbherzig in einen Zustand von Vernunft und Würde zurückzufinden, ließ es dann aber sein. Im Grunde war mein Verhalten ja nur angemessen – angesichts dieser Großartigkeit.
Kein Platz für einen anderen Mann
Seit mich Leo im Jahr 1996 durch ein Aquarium hindurch mit leicht geöffneten Lippen ansah, ist meine Welt nicht mehr dieselbe. Auch wenn dieser Blick nicht mir galt, sondern Claire Danes, die sich während des Drehs für "Romeo + Julia" in einer Situation befand, für die ich noch immer Leib und Leben geben würde. Ich war damals 17 Jahre alt und mit meinem Freund im Kino. Es war der letzte Film, den wir zusammen sahen. Mein Herz bot danach erst mal keinen Platz mehr für einen anderen Mann als jenen, der so schön war, dass er eigentlich ins Museum gehörte.
Zum ersten und einzigen Mal wurde ich ein richtiger Fan. Mark Owen, Johnny Depp, Nick Carter – keiner konnte eine veränderte Pulsfrequenz in mir auslösen. Nur Leonardo DiCaprio schlug ein wie eine Bombe. Ich malte ihn mit Bleistift, Kohle und Tusche, formte im Kunstunterricht der Waldorfschule eine Leo-Büste aus Ton. Ich pilgerte nach Oer-Erkenschwick, um seiner Oma Helene ins Wohnzimmerfenster zu gucken (brachte nix, dritter Stock!), buchte mit 19 einen Flug nach Los Angeles, um einmal dieselbe Luft zu atmen wie er.
Als ich dann meinen ersten Job bei einer Zeitschrift hatte, sah ich meinen großen Moment gekommen: Wir Jungredakteurinnen durften den Star unserer Jugend treffen. Die Wünsche der Kolleginnen ließen sich erfüllen, nur meiner war zu groß. Am Ende saß ich mit Patrick Bach, meinem Back-up, in einem Tretboot-Schwan und versuchte zumindest das Knistern der verglimmenden Glut zu spüren, die ein Feuer wie Leo in mir hinterlassen hätte. Tröstlich war allein, dass ich meinem tatsächlichen Idol die Frage "Hättest du mich damals auch gut gefunden?" nicht stellen musste.
Leo, der Retter der Welt!
Nein, er hätte mich nicht gut gefunden. Denn Leo mag Topmodels, und ich bin keins. Diese kleine Schwäche nehme ich ihm nicht übel, denn meine Bewunderung für ihn fällt ja in eine ähnliche Kategorie. Auch wenn es meiner Euphorie hilft, dass er sich für den Klimaschutz reinhängt, liebe ich ihn aus weniger ehrwürdigen Gründen: damals für jede einzelne, perfekte Haarsträhne, für die Art, wie er rauchte, atmete. Heute für diese über den Dingen stehende Hollywood-Ikonen-Eleganz, gepaart mit einer Coolness, für die sich andere erst mal drei Surfboards unter den Arm klemmen müssten. Mein Gott, Leo!
Noch immer pocht an jeder Station für Leihfahrräder mein Herz schneller, weiß ich doch, dass er ständig mit diesen Dingern durch die Metropolen der Welt gurkt. Er, der beste Schauspieler unserer Zeit, der Retter der Welt! Dass jemand meine Begeisterung nicht teilt, ist für mich kaum nachvollziehbar. Wäre es nach mir gegangen, hätte man ihn nicht jahrzehntelang auf den Oscar warten lassen, sondern das Teil vor 46 Jahren Mama Irmelin direkt auf die Geburtsstation geschickt. Einfach für seine Existenz.
LENA SCHINDLER stellte just fest, dass ihre Leo-Kiste vom elterlichen Dachboden verschwunden ist. Skandal!