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Lockdown mit Baby Gemeinsam einsam

Lockdown mit Baby: Spielendes Baby auf Teppich
© Marie Stadler
Unsere Autorin wird oft beneidet um ihre Elternzeit während der Corona-Zeit. Kein Homeoffice, kein Sich-Zerreißen zwischen Job und Kinderbetreuung. Muss das entspannt sein! Aber ganz so easy ist es leider nicht…
von Marie Stadler

Ich weiß noch, wie es war, als das erste Kind kam. Ich war die Erste in meinem Freundeskreis und es fühlte sich komisch an, sich plötzlich den ganzen Tag mit Brei, Holzspielzeugen und bekloppten Klatsch-Sing-Spielchen zu beschäftigen, während gefühlt der komplette Rest der Welt morgens zur Arbeit fuhr und abends nach Hause kam. Doch dann lernte ich andere Mamas kennen und schon wurde das merkwürdige Gefühl besser. Da gab es also noch andere, die den ganzen Tag spazieren gingen, auf dem Sofa Tiergeräusche nachmachten und "Guck mal, ein Bagger!" riefen mit dem gleichen Enthusiasmus, den sie vor etwa 15 Jahren maximal für Robbie Williams aufgebracht hatten. Ja, das Neu-Mamasein war und ist noch immer mitunter etwas wunderlich. Aber zum Glück fühlte man sich damit früher nicht alleine. Um zu erfahren, dass alle Menschen nach der Geburt ihrer Kinder ähnlich sonderbare Dinge machten, brauchte man sich nur mal ins Babybecken eines Schwimmbades setzen, einen Mutter-Kind-Irgendwas-Kurs belegen oder die Kontakte aus der Rückbildung pflegen. War ein Selbstläufer.

Im Lockdown ist da niemand

Seit Juni ist bei uns das vierte Kind, ein kleiner Nachzügler, auf der Welt und ich gehe wie vor Jahren wieder spazieren, mache Tiergeräusche nach und freue mich wie Bolle über jedes große Fahrzeug auf unserem Weg. Ich finde Themen wie ZahnenBeikost und Schlafrhythmus plötzlich wieder hochinteressant, schlafe schlecht und halte (wie jede frischgebackene Mama) mein Baby für das bezauberndste kleine Wesen, das es jemals unter diesem Sternenhimmel gab. Und doch ist etwas anders, denn da ist weit und breit niemand, mit dem ich diese verrückte, anstrengende und wunderbare Zeit teilen könnte. Die Kinder meiner Freunde sind alle älter, die Mädels aus dem Online-Rückbildungskurs kommen aus München, Freiburg, Leipzig und Wiesbaden. Babyschwimmen, Pekip, Krabbeltreff… alles abgesagt. Ich kenne schlichtweg keine Mamas von kleinen Kindern, mit denen ich mal auf Abstand spazieren gehen und quatschen könnte. Ganz davon abgesehen, dass das eh verboten wäre, denn zwei Mamas mit zwei Babys, das ist in vielen Bundesländern aktuell gar nicht erlaubt.

Ich kann mich noch glücklich schätzen, denn ich kann mich wenigstens in Gedanken mit meinem früheren Ich austauschen. Das ist zwar manchmal etwas abwechslungsarm, aber immerhin. Doch was machen bloß Eltern, die all das zum ersten Mal erleben?

Die Freude an diesem kleinen Menschen

Nein, ich möchte mich gar nicht beschweren, denn eigentlich platze ich vor Glück. Wenn mein kleiner Sohn mich morgens mit einem Strahlen begrüßt, wenn er mit seinen kleinen speckigen Beinchen lostanzt, sobald die großen Kinder ihm Musik von Justin Bieber vorspielen. Wenn wir ihn mit einem einzigen Geräusch so sehr zum Lachen bringen oder wenn er schon wieder etwas Neues gelernt hat und mich nach seinem Triumph stolz anlächelt. Manchmal versuche ich, diese Momente für Oma und Opa mit der Kamera festzuhalten oder seine Tanten per Videochat teilhaben zu lassen. Aber ich bleibe dabei, es ist nicht dasselbe. Sie riechen nicht diesen Duft, sie können ihn nicht in den Arm nehmen, er bleibt ihnen durch die Entfernung am Ende doch ein bisschen fremd, so wie eine Filmfigur oder der Gymondo-Fitnesstrainer hinter der Mattscheibe. Werden unsere Liebsten und das Baby das gemeinsam aufholen können und trotzdem noch ganz eng miteinander werden? Ganz bestimmt! Aber für den Moment fühlt es sich trotzdem scheußlich an.  

Wir kriegen das hin!

Meine Oma hat immer gesagt: "Wenn man bis zum Hals im Mist steht, darf man bloß nicht den Kopf hängen lassen, sonst wird’s eklig". Omas haben meistens Recht, außerdem sind sie in noch viel mieseren Zeiten als diesen geboren und kennen sich deshalb gut mit Mist aus. Ich für meinen Teil hole mir ihre Worte immer wieder ins Gedächtnis, was ganz gut gegen das Selbstmitleid hilft, das mich manchmal überkommt. Nein, ich lasse mir von diesem Virus, den Lockdowns und den Einschränkungen nicht dieses zauberhafte erste Jahr verderben. Aber manchmal inne zu halten und sich selbst zu erlauben, traurig zu sein, das sollte drin sein. Fast alles, was Eltern von Experten zum "Ausgleich" nahe gelegt wird, können wir momentan nicht. Selfcare ist mit den Kontaktbeschränkungen, geschlossenen Schwimmbädern, Cafés, ohne Babysitter, ohne Großeltern und ohne Gleichgesinnte eine Mammutaufgabe. Ja, wir kriegen das trotzdem hin. Aber ab und an dürfen wir uns trotzdem einsam und alleine fühlen. Auch wenn unser Leben in den Augen der anderen superentspannt ist. Durch die eigenen Augen sieht die Welt eben manchmal ein bisschen anders aus. Und das ist ok.

Dieser Artikel ist ursprünglich auf Eltern.de erschienen.

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