Habe eine Handschrift wie ein EKG. Verkrampfe beim Schreiben, als müsste ich für jedes Wort einen Spaten in einen gefrorenen Acker rammen. Buchstaben, Silben, Wörter, Zahlen – sieht alles aus, als hätte ich den Stift mit beiden Fäusten gehalten.
Erstklässler haben so eine Schrift, und Ärzte natürlich, vor allem Ärzte. In den USA sterben jedes Jahr Tausende Menschen, weil unleserliche Rezepte ausgestellt werden. Multiorganversagen durch Sauklauen.
Längst nicht so dramatisch, aber immerhin nervig: meine Hieroglyphen-Einkaufszettel. Letztens stand ich im Supermarkt ratlos beim Dechiffrierungsprozess und dachte: Wahrnuttel? Kabisnattern? Seitdem benutze ich auch dafür eine App. Was das angeht, ist Digitalisierung ein Segen: Smartphones, Tablets, Laptops. Toll, toll, toll.
Nicht so toll, toll, toll: dass die Handschrift zum Anachronismus im digitalen Zeitalter verfallen ist, zur Kulturtechnik, die offenbar immer weniger Nutzen hat. In vielen Ländern wird im Unterricht bereits vermehrt auf Tablets statt auf Schulhefte gesetzt. Fortschrittlich ist es, das schon. Aber …
Der Fluss des Schreibens
Habe mein Federmäppchen früher geliebt. Den Geruch von Leder, Ratzefummeln, frisch angespitzten Buntstiften. Dazu das kratzende Geräusch des Füllers auf dem Papier, königsblaue Fingerkuppen. Penibel war ich als Kind, habe großen Wert gelegt auf den Fluss beim Schwingen der Buchstaben, die Magie der Lineatur. Schönschreiben war irgendwie – meditativ. Heute gibt es dafür Kalligrafiekurse an der Volkshochschule.
Irgendwo auf meinem Weg habe ich das leserliche Schreiben verloren. Und die Ruhe dazu. Beides wurde ausgelöscht, wie Fehler von einem Tintenkiller.
Will das wiederhaben. Also schreibe ich jetzt Weihnachtskarten. Möchte mir bewusst Zeit nehmen. Weil es nicht nur darauf ankommt, was geschrieben wird, sondern auch wie. An der Spitze eines Stiftes befindet sich eine eigene Ästhetik, eine emotionale Kraft. Jede Handschrift ist einzigartig und Ausdruck der Persönlichkeit.
Sülziges Geschwätz, brüllt eine Stimme in mir. Auf der anderen Seite: verpufft Romantik schneller als Spucke in einer heißen Pfanne. Möchte keiner der Männer sein, die ihren Namen leserlich in den Schnee pinkeln, aber nicht auf ein Blatt Papier schreiben können. Muss doch möglich sein, beides zu schaffen.
Björn Krause hat erkannt, dass seine Großbuchstaben leserlicher sind. Jetzt muss es nur noch schneien