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Mamakolumne Mein Schreibaby und ich

Mamakolumne: Ein schreiendes Baby mit grauer Mütze und Pulli aus Strick
© Aliaksei Lasevich / Adobe Stock
Ist eigentlich irgendetwas schnuckeliger als ein Baby, zumal: das eigene Baby? Bei dieser Frage kommen unserer Autorin sehr viele Momente in den Sinn, begleitet von einem unfassbar lauten Geräusch.

Was andere "das magische erste Jahr" nennen, sieht in meiner Erinnerung so aus: Ich kauere im Bad auf dem Boden, habe Herzrasen, als sei ich in akuter Gefahr. Nebenan brüllt meine Tochter. Ihretwegen bin ich hier drin. Ihr konstantes Schreien macht mich kirre, es wird nur übertönt von einer Stimme in mir, die warnt: Man darf ein verzweifeltes Kind nicht allein lassen! Ich atme tief durch und gehe zu meinem weinenden Bündel, obwohl ich weglaufen möchte … Wenn ich zurückblicke, sehe ich noch weitere Momente: wie ich kalte Nudeln aus dem Topf runterschlinge, weil ich keine Zeit finde, sie warm zu machen. Ich sehe mich Säuglingskacke aus meinem cremefarbenen Wollpulli pulen. Und wie ich oben ohne vorm Gefrierfach stehe, um meine entzündeten Brüste zu kühlen.

Für mich war das erste Babyjahr eine Hölle aus Spucktüchern, Stillhütchen und Selbstzweifeln. Wir hatten einen dauerwachen, dauerschreienden Säugling, den ich nicht einen Moment ablegen konnte. Ich hielt meine Tochter. Ich trug sie den ganzen Tag. Mehrmals ertappte ich mich dabei, dass ich sogar dann im Wiegeschritt an der Ampel hin und her wippte, wenn ich das Baby nicht dabeihatte. Wie habe ich mich gefühlt? Erschöpft, ernüchtert, reduziert auf ein paar Basisbedürfnisse. Wo waren die Nestwärme, mein Verzücken, das ganze Wonneproppenthema, der Frieden? Wenn ich Zeit für mich hatte, nutzte ich sie, um mich zu schämen. Was musste ich für eine schlimme Mutter sein, wenn ich mein Kind nicht beruhigen konnte?

Ach Gottchen, so ein Engel, lauteten die Kommentare, wenn mein Baby mal kurz mit der Welt zufrieden war – um gleich darauf brüllend aufzuwachen. Schreiende Kinder sind nicht niedlich, sie sind rot und zerknautscht, und diese durchdringenden Geräusche, die aus ihren kleinen Körpern kommen, lassen mich bis heute zusammenfahren. Jedes Mal dann die Erleichterung: Es ist vorbei, ich bin nicht mehr zuständig! Es sind die Eltern der anderen Schreibabys, die ich umarmen und trösten möchte.

Vielleicht wird es beim zweiten Mal anders?

Auch das zweite Jahr als Mutter war nicht gerade ein Picknick. Nachts wachte unsere Tochter so häufig auf, dass mir tagsüber vor Müdigkeit oft übel war. Kompletter Wahnsinn – aber zwei Jahre nach ihrer Geburt war ich wieder schwanger. "Du bist eine mutige Frau", sagte meine Freundin, die diese Zeit ähnlich erlebt hat und sich gegen ein zweites Kind entschied. Ich war mir so sicher, dass es dieses Mal leichter sein würde, wollte erleben, was alle anderen zu erleben schienen: Spaziergänge mit einem friedlich schlummernden Baby im Kinderwagen. Momente im Café mit anderen Eltern und einer "Sonnenschein"-Kandidatin, die selbstvergessen an ihrem Beißring nagt. Diese Innigkeit, dieses Dahinschmelzen angesichts von so viel Niedlichkeit.

Doch ich bekam wieder ein ähnliches Kaliber. "Streichholzkinder" nannte unsere Hebamme diese durchlässigen, explosiven kleinen Wesen. Aber gleich zwei? Das sei wirklich selten und auch einfach … Meine Schuld, ergänzte ich im Stillen. "Pech", fand sie. Auch die zweite Elternzeit, die andere entspannt mit dem Bulli in Portugal verbringen, zählt zu den schlimmsten Phasen meines Lebens. Portugal. Euer Ernst? An vielen Tagen traute ich mich mit der tickenden Zeitbombe nicht mal zum Bäcker. Wie ein Zombie lief ich umher, mit roten Augen und Trockenshampoo im Haar. "Genießen Sie die Zeit, sie geht so schnell vorbei." Oft gehört. Dieser Satz weckte nicht mehr nur Schuldgefühle, sondern auch Hoffnung. Würde sie das wirklich? WANN?

Mit den anstrengenden Exemplaren würde es später umso toller werden, damit besänftigte man mich. Heute weiß ich: Das stimmt. Der mütterliche Gefühlsüberschwang setzte bei mir ein, als die Hilflosigkeit endete, die der Kinder und auch meine eigene. Und er steigert sich noch. Mit fünf und sieben sind die beiden so bezaubernd, dass es kaum auszuhalten ist. Man nennt das ausgleichende Gerechtigkeit. Was da im Teeniealter auf die Eltern von dauerschlafenden Vorzeigebabys zurollt, ich mag es mir gar nicht ausmalen …

Barbara

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