Vor einigen Jahren war ich im Urlaub schnorcheln. Ich weiß noch, wie ich dachte: Was ist das schön! Dann hat mich etwas an meiner Schwimmflosse berührt. Ein Fisch? Mein damaliger Mann, der Quatsch macht? Nein, ich hatte ein Riff gestreift – das weckte mich in jenem Moment. Ich war beim Schnorcheln eingeschlafen und einfach weitergeschwommen. Typisch für uns Narkoleptiker: Wir machen etwas weiter, bekommen es aber gar nicht mit.
"Ich habe gelernt, mit meinen Ängsten umzugehen"
Als ich wieder wach wurde, war ich bereits weit von der Tauchgruppe und den Guides entfernt. Gefährlich, denn ich hätte ertrinken können. Das habe ich damals unterschätzt. Meine Diagnose war noch frisch, solche automatischen Handlungen hatte ich noch nicht erlebt.
Manchmal will ich es heute noch nicht wahrhaben, dass ich meine Schlafattacken nicht steuern kann. Ich habe zum Beispiel lange Zeit versucht, berufstätig zu bleiben, etwa im Verkauf. Aber ich weiß einfach nicht, wann ich das nächste Mal plötzlich einnicken werde. Ich muss jederzeit eine Pause einlegen können, kann keine verbindlichen Termine machen. Kaum jemand versteht das. Werde ich zu einem Geburtstag eingeladen, muss ich sagen: Ich weiß nicht, ob ich komme. Vielleicht schlafe ich auch.
Man kann sich nicht auf mich verlassen. Weil ich mich auch nicht auf mich selbst verlassen kann. Das kommt nicht immer gut an, auch nicht bei Menschen, die mir nahestehen. Früher habe ich viel geweint, aber inzwischen bin ich zu der Erkenntnis gekommen: Wer mich nicht so nehmen kann, wie ich bin, der soll gehen. Man wächst in die Situation hinein, man lernt, damit zu leben. Ich habe gelernt, mit meinen Ängsten umzugehen. Und mein Partner kriegt das auch gut hin.
48 Stunden lang durchgemacht – Das ständige Gefühl bei Narkolepsie
Es gibt sehr unterschiedliche Typen von Narkos, so nennen wir uns. Bei mir ist es so, dass sich während der Schlafattacken mein Gehirn einfach abschaltet. Mein Kopf ist dann komplett leer. Ich höre nichts mehr, sehe schwarz, obwohl ich die Augen offen habe, sagt meine Tochter. Wenn in solchen Momenten jemand mit mir spricht, schaue ich durch ihn oder sie hindurch. Diejenigen, die Bescheid wissen, sind eher genervt: "Ach nö, muss ich jetzt noch mal alles wiederholen?"
Narkolepsie ist eine Störung des Schlafzentrums im Gehirn, unter der ungefähr 40 000 Menschen in Deutschland leiden. Manche Narkos haben zusätzlich Kataplexien – ihnen versagen die Muskeln, sie haben Gesichtsentgleisungen, fallen komplett in sich zusammen. Das sieht aus wie eine Ohnmacht, die Person ist aber noch ansprechbar. Manche Leute meinen es gut und rufen einen Krankenwagen, wenn sie jemanden am Boden liegen sehen. Dabei dauert so ein Anfall nur zwei, drei Minuten. Deshalb bitte immer schauen, ob die Person ein Notfall-Armband trägt, auf dem Behandlungsinformationen notiert sind.
Meine Narkolepsie kam auf, als ich 15 war. Ich fühlte mich dauermüde – in der Schule, nachmittags im Schwimmbad ... Meine Mutter hat sich oft beschwert, ich würde ihr nicht zuhören. Es war ein langer Weg, bis ich die Diagnose 2017 bekommen habe. Endlich konnte ich benennen, was ich habe.
Für viele bin ich trotzdem einfach nur die, die immer schlafen muss. Die Leute machen sich eher darüber lustig, "Oh, ich hatte auch keine gute Nacht" ist so ein Standardspruch. Narkoleptiker haben aber eben nicht nur diese unmittelbaren Schlafattacken, wir sind auch nachts stundenlang wach. Eine Ärztin hat einmal zu mir gesagt: "Ich bin auch müde, aber deswegen schlafe ich doch jetzt nicht." Ein Narko fühlt sich aber so, als hätte er 48 Stunden lang durchgemacht. Stellen Sie sich das mal bitte vor.
NICOLE ZWICKL ist 41 und hat zwei Kinder. Sie betont, dass jeder Fall von Narkolepsie komplett anders ist. Mehr: narkolepsie-netzwerk.de