Anzeige
Anzeige

Singles im Lockdown Dating in der Pandemie wird leichter

Schluss mit Larifari: Julia Becker und Roland Rödermund
© Privat
Als Single durch die Pandemie zu kommen, ist nicht einfach. Dating während Corona kann jedoch auch Vorteile haben, wie das Autorenduo Julia Becker und Roland Rödermund in ihrem Corona-Liebesroman "Mit Abstand verliebt" zeigen. Im stern-Interview verraten die beiden, warum es für alle Alleinstehende Hoffnung gibt. 

"Liebe ist systemrelevant", da sind sich die Autoren Julia Becker und Roland Rödermund sicher. Unter dem Pseudonym Juli Rothmund haben die zwei Freunde einen Corona-Liebesroman geschrieben. In "Mit Abstand verliebt" kämpfen die Hauptfiguren Lennard und Jella mit dem Lockdown, dem Leben als Single während einer Pandemie und mit den stärker werdenden Gefühlen füreinander. Im Interview mit dem stern verraten Rödermund und Becker, warum es eine Liebesgeschichte und kein Endzeit-Thriller geworden ist, wieso Dating während der Pandemie sogar Vorteile hat und was sie selbst als Singles im Alleinsein gelernt haben. 

Sie haben den ersten Corona-Liebesroman geschrieben. Die Pandemie bietet sich eher für einen Endzeit-Thriller an. Warum ist es keiner geworden?

Julia Becker: Ich glaube, es hatte vor allem mit dem Bedürfnis nach einem Lichtblick zu tun, das Roland und ich – und vermutlich viele andere – hatten. Den Endzeit-Thriller gab es ja schon jeden Tag in den Nachrichten. Am Anfang war daher wohl eher Eskapismus angesagt. Aber man kann sich nicht ewig ablenken. Deshalb wollten wir etwas schreiben, das mit der Realität zu tun hat, aber auch einen Hoffnungsschimmer birgt.

Roland Rödermund: Für alle, die nicht in einer Beziehung waren, war und ist körperliche Sehnsucht natürlich ein großes Thema. Und klar stellte man sich da Fragen wie: Werde ich je wieder jemanden kennenlernen? Das Single-Dasein hat dazu geführt, dass man sich dann eher eine Situation wie im Buch vorgestellt hat: Unter sehr erschwerten Bedingungen, aber doch romantisch, so wie bei unseren Protagonisten Lennard und Jella. Uns war schnell klar, dass uns die Pandemie mit ihren Folgen noch lange beschäftigen wird und uns als Gesellschaft verändert. Trotzdem oder gerade deshalb wollten wir etwas Positives erzählen.

Buchcover "Mit Abstand verliebt"
"Mit Abstand verliebt" von Juli Rothmund (Fischer Verlage) erzählt die Geschichte von Lennard und Jella, die gemeinsam auf der letzten Party vor Corona feiern und sich dann nicht aus dem Kopf gehen.
© Fischer Verlage

Die Bevölkerung ist Corona-müde. Warum sollte man das Buch trotzdem lesen?

Becker: Ich glaube, wir haben es geschafft, mit der Geschichte etwas Realitätsnahes und sehr Aktuelles zu erzählen. Genau so etwas trägt sich wahrscheinlich gerade bei vielen Menschen zu. Ich habe gelesen, dass Dating-Apps einen enormen Zulauf haben. Aber die Kommunikation dort verändert sich. Menschen sprechen länger miteinander, tiefgehender und intensiver. Das fand ich sehr interessant, denn genau das passiert bei den beiden im Buch auch. Sie nutzen die Medien und begegnen sich mit einer anderen Intensität als vielleicht normalerweise.

Rödermund: Uns hat natürlich die Frage beschäftigt, ob das irgendwer lesen möchte und ob die Geschichte jetzt, ein Jahr später, noch die Brisanz hat. Und wir finden, die hat sie. Mit ihren Höhen und Tiefen bietet die Story außerdem genug Positives, das einen auf andere Gedanken bringen kann. Selbst wenn sie sich vor dem Hintergrund von Corona zuträgt.

Wie und wann kam die Idee dazu?

Rödermund: Julia und ich sind sehr eng befreundet und haben uns auch am Anfang der Pandemie viel ausgetauscht, über Zoom, Sprachnachrichten und so weiter. Und natürlich haben wir auch enorm viel über die Situation gesprochen. Wir haben darüber diskutiert, was das alles mit unserem Leben macht – und uns auch gefragt, wie sich Leute jetzt wohl ineinander verlieben, wenn sie sich nicht treffen können. Im Frühsommer dachten wir dann: Okay, lass uns einen Liebesroman in Zeiten von Corona schreiben!

Becker: Ich finde, dass dem Thema Single-Dasein und dem Thema Alleinsein in der Pandemie viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Auch von Seiten der Politik, wenn man bedenkt, dass zwischendurch überlegt wurde, ob man sich nur noch im eigenen Haushalt aufhalten dürfte. Da wurden Singles oft nicht mitgedacht. Weil wir damals beide nicht liiert waren, hat uns genau das besonders beschäftigt.

Rödermund: Wie viele Leute wohnen in Deutschland allein, um die 16 Millionen? Da spielt chronische Einsamkeit natürliche eine riesige Rolle. Klar, jeder hat eigene Probleme durch Corona, als Single muss man keine drei Kinder beschulen und nebenbei Homeoffice machen. Alleinstehende haben eher das Problem: Wie pflege ich meine Kontakte? Mache ich jetzt diese ganzen Selfcare-Routinen? Ganz einfach formuliert: Wie drehe ich alleine nicht komplett durch? Diese Fragen finden auch im Buch ihren Eingang.

Was haben Sie in den gemeinsamen Gesprächen herausgefunden?

Becker: Wir haben beide schnell festgestellt, dass man anders kommuniziert. Sei es mit Freunden, oder mit alten Bekannten, zu denen man wieder Kontakt aufgenommen hat. Es ging viel schneller ums Wesentliche. Man guckt genauer hin und sieht schneller, ob es zwischenmenschlich passt oder nicht. Wir glauben, es gibt gerade einen Wandel beim Thema Kennenlernen. Denn im Moment muss man davon ausgehen, dass es noch länger so weitergeht.

Virtuelle Dates, keine Umarmungen, Abstand, das ist unser Alltag. "Danach" kann es vielleicht nur in zwei Richtungen gehen: Entweder man umarmt alles und jeden, oder man wird sozial etwas komisch. Was macht Corona mit unser aller Liebesleben, besonders dem von Singles?

Rödermund: Ich hätte anfangs gar nicht gedacht, dass es mir so wenig fehlen würde, alles und jeden zu umarmen. Hätte man mir das vor zwei Jahren erzählt, ich hätte gesagt, ohne Körperkontakt? Da sterbe ich, das halte ich nicht aus, da gehe ich ein wie eine Primel. Inzwischen haben wir das Nicht-Umarmen, auf Abstand bleiben, schon krass verinnerlicht. Wir können uns schon gar nicht mehr vorstellen, wieder auf Partys mit 100 Leuten zu gehen, oder gar auf Festivals. Das ist wie aus einer völlig anderen Zeit. Manche sagen, sobald alle durchgeimpft sind, wird es wieder genauso wie früher. Aber vielleicht werden wir auch alle total prüde und distanziert?

Becker: Ich glaube, dass wir genauer gucken werden. Genauer prüfen. Das ist das, was wir gerade gelernt haben: Man muss sich seine Kontakte gut einteilen. Sehr gut überlegen, ob man jemanden trifft und abwägen, ob man den berühren möchte. Ich bin, was das angeht, aber sehr optimistisch, glaube, dass das eine gute Veränderung sein wird. Wir werden nicht prüde, aber vielleicht vorsichtiger.

Rödermund: Wahrscheinlich werden die einen weniger hedonistisch und die anderen tanzen erst recht auf dem Vulkan.

Vielleicht doch die Roaring Twenties. Wie haben Sie selbst Dating und Liebesleben während Corona erlebt?

Becker: Verrückterweise habe ich tatsächlich einen alten Freund virtuell wiedergetroffen. Wir kennen uns von früher und haben angefangen, auf Facebook miteinander zu schreiben. Auf einmal hatte das eine ganz andere Intensität und Qualität als vor Jahren. Anfangs dachte ich, es wäre freundschaftlich. Dann haben wir uns im Sommer, als man durfte, auf einen Kaffee getroffen und mittlerweile sind wir ein Paar. Insofern habe ich diese Erfahrung selbst gemacht. Das hat mich beim Schreiben natürlich beeinflusst, obwohl mir das am Anfang gar nicht so klar war.

Vorher quatschte man lange über nichts und wieder nichts, jetzt ging es schneller ans Wesentliche?

Becker: Ja, so habe ich es jedenfalls erlebt. Es ist dabei nur wichtig, kein Traumbild zu erschaffen. Die Gefahr besteht ja, wenn man sich buchstäblich nicht riechen kann, nicht sehen, nicht berühren.

Rödermund: Ich befinde mich in einer ungewohnt langsamen Kennenlernphase. Im ersten Lockdown war ich frisch getrennt, und auch wenn das jetzt pathetisch klingt: Ich habe danach wirklich eine Liebesbeziehung mit mir selbst geführt. Ich meine: Ich verbrachte so viel Zeit mit mir allein wie noch nie zuvor und habe das auch genossen. Ich zog vorübergehend in meine alte Heimat aufs Land, war jeden Tag im Wald, habe dort einfach gesessen, stundenlang Tiere beobachtet und geschrieben. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich keine FOMO (Anm: "Fear of Missing Out"), also nicht das Gefühl, ich würde gerne woanders sein, weil ich etwas verpasse. Ich merkte: Ich kann super mit mir alleine klarkommen. Okay, das war im ersten Lockdown etwas magischer als im zweiten oder jetzt im dritten. Aber mich hat es nachhaltig verändert. 

Diese Krisensituation ist als Single oder als Paar nicht leicht.

Becker: Ich habe das bei einigen Paaren, vor allem mit Kindern mitgekriegt. Es war wie ein Urlaub mit Dauerregen. Man hat viel Zeit miteinander, wächst vielleicht auch zusammen, aber irgendwann nervt es nur noch und es kommt zum Lagerkoller. Bei manchen Paaren schweißte die Situation zusammen. Bei anderen trat etwas, das früher nur ein kleiner Reibungspunkt war, auf einmal als ernste Schwierigkeit hervor.

Die Hauptfiguren – Lennard und Jella – gehen sehr unterschiedlich mit den Corona-Regeln um. Was war die Intention dahinter und in wem erkennen Sie sich selbst mehr? 

Rödermund: Wir waren und sind beide sehr vorsichtig. In dem Punkt also eher wie Lennard. Für eine Liebesgeschichte hat es natürlich seinen Reiz, dass die beiden unterschiedlich sind und die Auflagen unterschiedlich für sich auslegen. Aber sie verhalten sich nicht nur hinsichtlich Corona gegensätzlich, sondern sind von Grund auf verschieden.

Becker: Das war sehr schnell klar für uns, was das für Persönlichkeiten sind und dass sie sich zuerst überhaupt nicht mögen. Für uns war die Frage spannend: Wie gehen so unterschiedliche Charaktere mit dieser Situation um? Und treten die Unterschiede vielleicht erst hervor, wenn man auf jemanden trifft, der ganz anders ist?

Und fänden sie ohne Corona überhaupt zueinander?

Rödermund: Vielleicht hätten sie einen One-Night-Stand gehabt und das war's. Dann hätten sie vielleicht keine Chance gehabt.

Becker: Auch weil Jella vielleicht in der nächsten Bar zum nächsten Typ geflippt wäre und gar keine Zeit gehabt hätte, Lennard kennenzulernen. Die Geduld dafür zu haben, jemanden wirklich kennenzulernen – das ist auch für sie etwas Neues aus dieser Zeit.

Haben Sie einen Ratschlag für Singles im Lockdown, die auf Partnersuche sind? Worauf soll man Wert legen?

Becker: Gnadenlos ehrlich sein, auch zu sich selbst. Deutlich sagen, was man sich wünscht und was nicht in Frage kommt. Nicht von den schönen Fotos blenden lassen. Ich glaube wirklich, dass es leichter wird, zu sortieren. Zu sehen: Da passt etwas nicht von den Werten her. So larifari vor sich hinschreiben, das kann man mal ein paar Tage machen. Aber für die meisten Menschen sind jetzt existenzielle Fragen aufgetaucht, in Zeiten der Pandemie und der Angst vor Krankheit, der Angst vor dem Tod. Wir sind näher bei unseren Werten und dazu sollten wir stehen.

Rödermund: Als urbaner Single mittleren Alters konnte man sich immer gut ablenken, etwa mit One-Night-Stands und Affären – aber das fällt ja nun größtenteils weg. Und die Zeit für oberflächlicheres Geplänkel ist vielleicht jetzt vorbei. Man fragt sich dringlicher: Um wen kümmere ich mich, wer ist für mich da und wer ist mir wirklich wichtig, wenn es drauf ankommt?

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei stern.de.

ls/stern

Mehr zum Thema

Mehr Barbara ...

VG-Wort Pixel