Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht irgendeinem Menschen begegne, der/die sich posierend vor dem Handy inszeniert um sich dann von Followern abfeiern zu lassen. Ein schnelles Foto, oder auch ein 30 minütiges Hin und Her mit Positionswechsel, Schönheitskorrektur und aus zehn verschiedenen Winkeln. Dann beginnt das Drama der Nachbearbeitung. Kein Filter passt so richtig. Ewig wird an den einzelnen Einstellungen gedreht und am Ende ist doch irgendwas nicht vollkommen.
#Hashtag #MeinLebenInHashtags
Egal, #perfectimperfection und #effortlesslyselfie werden trotzdem gepostet oder gerade deswegen. Und natürlich #FürMehrRealitätAufInstagram – ja ne, ist klar. In Zeiten von Slow Sex, Müßiggang und Entschleunigung frage ich mich, warum wir nicht einfach Momente erleben können, statt sie aufzunehmen. Denn meist ist es doch so, dass diese Momentaufnahmen (und das ganz Posten) den eigentlich schönen Moment zerstören.
Lieben in Zeiten von Social Media – Love 2.0
Am eindrucksvollsten finde ich Paare auf Instagram. Von Null auf #loveofmylife in 3 Post, oder auch einer Woche. Und dann wird wirklich alles geteilt. Im Badezimmer, auf der Couch, beim Spaziergang, ein Kuss über dem gemeinsamen Essen, in der Disko und natürlich beim Aufwachen und Frühstück im Bett. Klar, wer frisch verliebt ist, macht auch nichts Anderes als zusammen zu sein.
Was ich aber einfach nicht verstehen kann, warum man das mit der ganzen Welt öffentlich teilen muss. Ist Liebe nicht etwas total Privates und etwas, das ich schützen möchte? Neulich sagte jemand zu mir "Wahre Liebe ist leise", das finde ich klasse. Für mich äußert sich Liebe selten in den ganz großen Gesten. Vor allem zeigt sie sich in schweren Zeiten und nicht auf Instagram. Schon gar nicht in Hashtags.
Egal wie authentisch ein Motiv ist, sobald ein Hashtag benutzt wird, ist es immer eine Inszenierung. Wer einen Hashtag verwendet, möchte gefunden – und geliked, ja geliebt – werden. Dann reicht die #reallove wohl noch nicht.
Du bist toll, wie du bist, dafür brauchst du kein Like
Der Schrei nach Bestätigung geht natürlich auch als Single, gerade dann. Profile, die nur aus Selfies bestehen finde ich abscheulich. Entweder ist da jemand selbstverliebt oder selbst-unsicher, oder beides. Je nach Inszenierung verspüre ich dann entweder den Impuls, der Person zu entfolgen oder sie in den Arm zu nehmen.
Oder bin ich nur neidisch?
Manchmal frage ich mich, warum mich diese inszenierten Bilder so aufregen. Klar, wenn ich mich einsam fühle, gibt es Momente, in denen ich mir auch wünsche, dass jemand mich als #Lieblingsmensch ablichtet. Obwohl, eigentlich nicht. Eigentlich möchte ich dann der Lieblingsmensch von jemandem sein und jeden Moment in vollen Zügen genießen. Ich brauche weder ein zur Schaustellen meiner Liebe noch die Bestätigung, dass ich ein toller Fang bin oder einen gemacht habe.
Nichts gegen ein Pärchenbild – habe ich selbst schon gepostet – aber bitte keine "Lovestory" als Dauerbespielung. Und bitte, bitte schützt die Privatsphäre eurer Kinder. Die können sich nämlich nicht wehren!