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Kleider machen Laune – Barbara plaudert mit Iris Berben

Wer in der Öffentlichkeit steht, denkt natürlich doppelt darüber nach, in welchem Outfit das geschieht. Und weil Iris Berben stets so super aussieht, sprach Barbara mit ihr über deren Modeverständnis, geklaute Klamotten und Partys auf allen Vieren
von Stephan Bartels

Barbara: Iris, als klar war, dass Mode das Schwerpunktthema dieses Heftes wird, habe ich mir dich als Gesprächspartnerin gewünscht. Genau genommen warst du für mich alternativlos.

Iris: Huch? Ich meine: schön, aber ... warum?

Weil du, ungelogen und ungeheuchelt, meine absolute Stilikone bist. Das habe ich sogar schriftlich. Ich habe dich nämlich schon einmal in einer Kolumne erwähnt.

Barbara: Dass ich schon oft bei Veranstaltungen in zwickender Korsage saß und viel Arbeit dafür nötig war, um überhaupt einigermaßen gut auszusehen. Und dann entdecke ich dich zwei Reihen vor mir in einem perfekten Spaghettiträgerkleid, einfach so. Du bist mein Idol, weil du am anderen Ende der Frauenskala stehst als ich.

Das ist sehr ...

Moment, ich bin noch nicht fertig mit der Lobhudelei. Du bist so jemand, da könnte eine U-Bahn vorbeifahren und dein Kleid hochwehen, und es wäre nie billig, nie anstößig – sondern von oben bis unten toll.

Äh ... danke.

Bitte. Warst du immer schon so? Stilsicher auf den Punkt und modisch bis ins Detail?

Ich glaube, ich interpretiere das anders. „Modisch“ ist ein Zustand, den ich mit mir nicht zusammenbringe. Das würde ja bedeuten, dass ich immer ganz genau schaue, was gerade der letzte Schrei ist.

Tust du nicht?

Tue ich nicht. Mein Verständnis von Mode hat sich in den 1960ern entwickelt, in London. Ich bin ja öfter mal von der Schule geflogen, war ziemlich krawallig drauf. Und ich war eben oft in London. Das Lebensgefühl damals war: Hauptsache anders sein als alles andere. Das galt auch in der Mode, vor allem in der Carnaby Street.

Was war dieses Andere, von dem du dich absetzen wolltest?

Ich bin Jahrgang 1950, ein Nachkriegskind, hineingeboren in das graue, verkorkste Deutschland. Es gab keine Farben. Alles war steif, konservativ, uninspiriert, die Frauen trugen Beige und Grau. Sie waren quasi unsichtbar, sie verschwanden in den Nicht-Farben.

Und dann kamen London und die Hippie-Zeit. Flower-Power und so.

Ich weiß, Flower-Power wird heute gern belächelt. Aber für uns war das wichtig, es war sensationell, das hat etwas aufgebrochen. Plötzlich war Farbe im Spiel. Frauen trugen bunte Kleider. Und es war noch mehr, denn es ging über in ein Lebensgefühl. Anders sein. Sich unangepasst fühlen.

Damals wie heute war und ist England allerdings kein billiges Pflaster.

Das ist wahr. Ich habe gejobbt und gespart, aber das hat vorn und hinten nicht für meine Bedürfnisse gereicht. Ich muss leider zugeben: Die ein oder andere Klamotte habe ich in der Carnaby Street einfach geklaut.

Das habe ich mich in dem Alter nicht getraut. Jetzt würde ich es machen. Aber das geht ja heute nicht mehr.

In den 60ern aber hatte es fast schon eine gewisse moralische Legitimation. Ladendiebstahl gehörte ja offiziell zum Kampf gegen das Establishment.

Was hast du noch getan?

Ich weiß noch, wie wir Partys in Hamburg gesprengt haben. Mit kleinen Mitteln. Wir trugen schwarze Rollis und das, was man heute Leggings nennt. Hatten Hundehalsbänder angelegt, warfen uns Leopardenfelle über und sind auf allen Vieren auf Partys gekrochen, zu denen wir nicht eingeladen waren. So konnte man damals noch gesellschaftlich Aufsehen erregen.

Wie toll! Und ich habe verstanden: Für dich ging es bei der Mode anfangs um etwas ganz anderes als um gutes Aussehen.

Ja. Um Freiheit. Und ehrlich gesagt: Das ist für mich fast immer noch der wichtigste Punkt dabei. Mich haut die Uniformierung in der Mode um. Irgendwie wollen alle immer das Gleiche anziehen. Zum Beispiel diese Jeans mit großen Löchern in Kniehöhe ...

Was ist mit denen?

Ich sehe die an Mädels von 16, 17 Jahren und denke: Sieht schön aus. Und dann sehe ich dieselben Jeans an Frauen weit über 40. Es ist, als hätten die keine Entwicklung mitgemacht.

Da gibt es viele, die diesen Übergang nicht hinbekommen. Den Unterschied zu erkennen zwischen modisch und dem, was zu einem passt. Wie machst du das?

Ich versuche, mich zu orientieren. Und das, was ich dabei finde, dann zu meinem Eigenen zu machen. Das wird nicht einfacher. In Modezeitschriften zu blättern deprimiert mich inzwischen oft.

Warum das?

Weil ich ganz schöne Sachen sehe, die ungewöhnlich sind. Oder etwas Provokantes. Und dann denke: Ach nee. Ich bin ja 67.

Aber ...

Ich weiß genau, was du sagen willst: Du könntest doch noch.

Stimmt. Das hörst du ständig, oder?

Genau. Und dann sage ich: Ich will aber nicht.

Verstehe. Weil man mit Mode etwas aussagt. Weil Mode in bestimmte Phasen des Lebens gehört.

Und noch etwas: Mode ist immer auch Kultur. Sie erzählt viel über unsere Zeit. Zum Beispiel in Filmen, da ist Kleidung Teil der Rolle, der Figur. Und für Abendveranstaltungen gibt es schöne Regeln, auch das ist Kultur. Das Wort „Dresscode“ kommt ja nicht von ungefähr. Es hat eine Bedeutung.

Na ja, hier in Berlin nicht immer.

Stimmt. Ist schon vorgekommen, dass in einer Einladung „Dress ? code Abendkleid“ stand, ich mich dran gehalten habe und am nächsten Tag in der Zeitung lesen musste: „Berben wie immer overdressed.“

Nimmst du diesen nett gemeinten Rat dann auch ernst?

Nein, weil das auch mit Respekt und Höflichkeit zu tun hat. Wenn jemand mich einlädt und das so haben möchte – auf welcher Basis sollte ich dagegen antanzen?

Aber ich habe das Gefühl, dass Mode heute nicht mehr so ein Distinktionsmerkmal ist wie früher. Du hast sie damals benutzt, um zu zeigen, dass du nicht dazugehörst. Heute benutzt man sie, um zu zeigen, dass man dazugehört.

Da ist was dran. Aber mal von so offiziellen Einladungen abgesehen: Ich finde schon toll, was es so an Streetstyle gibt.

Aber das ist auch Berlin. Du kannst hier anziehen, was du willst, und es interessiert keinen. In anderen deutschen Städten funktioniert das nicht so gut.

 Ja, diese Freiheit hat hier einen guten Boden. Und auch für Frauen allgemein ist es besser geworden. Du bist plötzlich auch mit Sneakers gut angezogen. Mode ist bequemer geworden, alltagstauglicher. Und respektvoller mit berufstätigen Frauen, die den ganzen Tag unterwegs sein müssen.

Nun ja, Männer hatten es auch nicht leicht im 18. Jahrhundert, mit schrecklichen Materialien und unbequemen Schnitten. Aber Frauen wurden ja geradezu gegängelt, um sie im wahrsten Sinne des Wortes im Zaum zu halten.

Das Korsett, allerdings. Ein schönes Sinnbild dafür, wie Frauen früher in jeder Beziehung die Luft zum Atmen, der Raum für die eigene Entfaltung genommen wurde.

Und ich trage es immer noch. Ein Stückchen Unterdrückung in Satin, das ich ins dritte Jahrtausend herübergerettet habe, um mich aufrecht zu halten.

Sehr aufrecht, möchte ich anmerken. Bei dir ist das okay. Dich zähmt ja sonst auch nichts und niemand.

Trägst du manchmal ...?

Klar! Auch ich trage Bauch- und Arschverenger.

Sogar die Berben!

Viele wissen ja gar nicht, mit was für Material wir so arbeiten.

Zum Beispiel Radlerhosen mit Trägern, die nicht nur Hintern und Oberschenkel in Form bringen, sondern auch obenherum nachhelfen. Und wenn man das mal den Leuten erzählt ...

 ... ist die nächste Frage ...

„Ist das nicht wahnsinnig unbequem?“

Und dann sagen wir ...

Beide: JAAAAAAAAA!

Und wie oft können Leute nicht fassen, auf was für Schuhen ich auf der Bühne stehe. Aber echt jetzt: Ich bin doch nicht ins Showgeschäft gegangen, um bequeme Klamotten zu tragen.

Also, mit den Highheels habe ich weitgehend aufgehört.

Das ist offensichtlich wahr. Fürs Protokoll: Frau Berben trägt zum Gespräch Schlappen!

Und damit liege ich im Trend. Ich kenne auch Kollegen, die zum Deutschen Filmpreis in Gummistiefeln stapfen.

Das finde ich nicht angebracht. Du?

Früher vielleicht, als es noch darum ging, sich gegen etwas zu kleiden. Aber heute? Nein. Wogegen sollen die denn sein? Die sollen doch lieber aus dem riesengroßen Fundus schöpfen, den die Mode heute bietet.

Der uns aber auch nicht zuverlässig vor Fauxpas schützt. Hattest du mal einen?

Gerade erst im Frühjahr, bei der Berlinale. Ich trug ein schwarzes Top mit dezenten transparenten Streifen. Ich dachte: Da passt ein hautfarbener BH doch ganz gut. Und zu Hause sah alles auch wirklich gut aus. Ich hatte leider nur die Blitzlichter auf dem roten Teppich vergessen.

Ach Gott. Ich ahne, was kommt, die Erleuchtung!

Genau: Auf den Fotos sah es so aus, als wäre ich nackt unterm Top. Fanden alle mutig. Und das ist in meinem Alter ja ohnehin die Standardvokabel in Interviews. Zum Beispiel: Frau Berben, haben Sie noch den Mut, ärmellose Kleider anzuziehen?

Hast du?

Na klar! Kann ja sein, dass das hier in Deutschland kritisch gesehen wird. Aber fahr mal in italienische Dörfer, wo Frauen mit 60, 70 Jahren ihre Arme ganz selbstverständlich an die Luft lassen. Denen ist es scheißegal, ob sich jemand daran stört. Die sind weiblich und selbstbewusst und leben das aus. Von denen habe ich gelernt und mich von solcherlei Zwängen befreit.

Dass es diese Zwänge überhaupt gibt! Du bist 15 Mal in Folge zur schönsten Frau Deutschlands gewählt worden …

Wer so einen Quatsch auch immer zur Wahl stellt.

Ist ja egal. Was ich sagen will: Du befindest dich eigentlich in einer Position, in der dir sämtliche Anwürfe, sämtliche unvorteilhaften Pressefotos sonst wo vorbeigehen könnten.

Du doch auch. Und?

Manchmal klappt das. Wenn ich mich wohlfühle in dem, was ich trage. Wenn ich dann von mir ein Foto sehe, auf dem ich mich doof finde, war der Fotograf schuld. Aber wenn ich ein Kleid anhabe, das Schwächen hat oder ich Schwächen in dem Kleid – nein, dann bin ich nicht so souverän. Das muss ich zugeben.

Siehst du. Am Ende des Tages sind wir ganz normale Frauen. Mit Stärken und Schwächen, mit guten und schlechten Tagen.

Um zum Anfang zurückzukommen: Ich sehe eigentlich nur deine Stärken. Du siehst selbst in Transparent toll aus. Und alles ist immer noch einen Ticken schöner und eleganter als bei anderen.

Dabei steckt auch noch ganz viel Rock ’n’ Roll in mir. Ich laufe so oft in Jeans und Lederjacke rum. Aber das sieht dann keiner.

Passt aber auch zu dir. Weil du eine perfekte Spielfläche bist, bei der alles geht. Das ist bei mir anders. Ich habe lange gebraucht, um zu merken, dass glänzend bei mir gar nicht geht. Und bis ich aufgehört habe, auf Leute zu hören, die keine Ahnung haben.

Und was machst du jetzt mit den ganzen glänzenden Klamotten?

Mein Keller ist voll von sehr vielen Sachen, die ich über die Jahre angeschafft habe und im Leben nicht mehr anziehe.

Meiner auch. Da sind historische Abendkleider dabei, 40 Jahre alt. Und weißt du was: Ein paar von denen trage ich jetzt doch wieder und ernte damit schöne Erfolge. Alles kommt zurück irgendwann.

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