Mein Mann ist wunderbar, ehrlich, ich habe es ganz großartig getroffen. Tolerant ist er auch. Den folgenden Text sollte er trotzdem nicht lesen, denn da geht es unter anderen um meine dunkelsten, schmutzigsten Geheimnisse.
Ja, ja, ich weiß, man soll nicht von sich auf andere schließen, aber in diesem Fall tue ich das trotzdem. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass wir alle unseren Partnern untreu sind. In Gedanken. Ich finde das übrigens auch kein bisschen schlimm.
Manchmal besucht mich mein Ex-Freund
Manchmal – und das hat nichts damit zu tun, dass ich mir das wünsche – besucht mich mein Ex-Freund. Oft nachts. Meistens schlafe ich dann schon. Er kommt aber nicht durch die Haustür, er ist nur in meinem Kopf. In meinem echten Leben spielt er schon seit Dekaden keine Rolle mehr, aber in meinem Unterbewusstsein hat er offenbar einen Platz. Das habe ich mir nicht so ausgesucht, er ist einfach da. Und da ich auch schon mal mit ihm im Bett war, scheint mein Hirn irgendwas abgespeichert zu haben, das ich gar nicht speichern wollte. Ich muss hier betonen, dass der Typ unmöglich war, ich bin froh, dass ich ihn los bin. Aber irgendwas hat er anscheinend ziemlich gut gemacht. Und deswegen taucht er ab und an mal wieder auf. Dass wir uns dann nicht über unsere Kinder und unsere Steuererklärung reden, muss ich hier nicht erklären. Es geht meistens um sehr viel nackte Haut, wildes Begehren und irgendwas Verschwommenes, das ich hier nicht aufschreiben kann ohne einen sehr, sehr roten Kopf zu bekommen.
Ich bin praktisch Serienbetrügerin
Es ist kein Einzelfall, ich bin praktisch eine Serienbetrügerin. Ich gestehe: Vor ein paar Monaten habe ich einen Film mit Keanu Reeves geguckt und mir vorgestellt, er wäre mein heimlicher Geliebter, mit dem ich lauter sexy Zeug mache, das ich mich in der Realität nie trauen würde.
Außerdem hat neulich ein sehr junger, wahnsinnig attraktiver Mann in einer Bar mit mir gesprochen. Das Ganze war absolut keusch und fand ohne jegliche Berührung statt. Auf dem Nachhauseweg ertappte ich mich trotzdem dabei, wie ich mich fragte, wie dieser sehr hübsche, große Mann wohl küsste. Ich fragte mich, wie er komplett nackt aussah und was ich mit ihm tun würde, wäre ich nicht verheiratet und zehn Jahre jünger. Nur fürs Protokoll: Ich schämte mich sofort ein bisschen dafür. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich niemals vor diesem Jüngling ausziehen wollen würde.
Gedanken sind kein Verrat
Wobei ich mich fragte, warum ich mir eigentlich deswegen so mies vorkam? Ich hatte ja nichts getan. Hatte Tyrion Lannister nicht neulich in Game of Thrones noch gesagt: "Gedanken sind kein Verrat!"?! Nicht, dass der sonst die wichtigste moralische Instanz in meinem Leben wäre, aber er hat einfach wirklich oft Recht.
Trotzdem musste ich mit jemandem darüber reden. Ich fragte also meine Freundin Michi. "Ich denke häufig auf etwas unangebrachte Art und Weise an Björn aus dem Büro, aber sag ja Stefan nichts davon", antwortete sie nur auf mein schuldbewusstes Gestammel. Dann lachte sie und fragte mit aufgerissenen Augen: "Glaubst du etwa, Thomas denkt immer nur an dich?! In Gedanken gehen wir alle mal fremd, da bin ich ganz sicher".
Natürlich glaube ich nicht, dass mein Mann an Sex nur in Verbindung mit mir denkt. Gerade ich bin ja davon überzeugt, dass wir alle schmutzige Gedanken auch an andere haben dürfen. Aber ganz genau wissen, was und an wen mein Liebster da so denkt, will ich auch nicht. Das geht mich auch gar nichts an, finde ich.
Es gab mal einen Film, der den hübschen Namen "Was nützt die Liebe in Gedanken?" trug. Da ging es allerdings um romantische Motive, nicht um niedere körperliche Instinkte. Ich fragte mich also: "Was nützt der Sex in Gedanken?" Einiges vermutlich. Er gibt zum Beispiel allen Menschen, die seit 20 Jahren in einer Beziehung sind, das Gefühl, dass sie gar nichts verpasst haben (das gilt übrigens auch für alle schlechten sexuellen Erinnerungen an andere Männer, die sind sogar noch besser). Sie sorgt für Lust in Beziehungen, in denen es sonst vielleicht gar keine mehr gäbe. Ja, ich glaube, die Seitensprünge im Kopf können echte Beziehungsretter und tolle Inspirationen sein.
Geheimnisse machen eine Beziehung spannender
Mal ganz abgesehen davon glaube ich, dass kleine Geheimnisse eine Beziehung spannender machen. Man kann nie alles über den anderen wissen. Muss man auch gar nicht. Wie öde wäre es auch sonst. Außerdem sind Gedanken doch frei. Oder?
Tatsächlich passiert gar nichts, wenn wir mal ein bisschen links und rechts von der eigenen Bettkante träumen. Muss man dem Partner ja nicht unbedingt auf die Nase binden. So lange man ihn dabei nicht vergisst und vor allem besser findet als die anderen, tut es ja keinem weh.
Nach meinem Gespräch mit Michi ging ich übrigens nach Hause, küsste meinen Mann – und wir taten etwas, an das ich demnächst denken könnte, wenn er nicht da war. Und ich verlor dabei nicht einen Gedanken an Keanu Reeves.