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Mama und Papa haben ein Date! Ihr stört!

Mama und Papa haben ein Date! Ihr stört!
© Getty Images
Unsere Autorin hätte gerne mal wieder ein Date mit ihrem Mann. Ohne Kinder. Aber darf man die einfach ausschließen? Der in diesem Jahr leider verstorbene Familientherapeut Jesper Juul war sich sicher: Man darf nicht nur. Man soll sogar.
von Christine Rickhoff

„Fast jede Familie startet mit einer Krise.“ Ich sehe den abgeklärten Blick unserer Hebamme auch Jahre danach noch genau vor meinem inneren Auge. Genau das sagte sie, während ich hormonüberflutet heulend im Bett lag und mein Mann mich hilflos anstarrte, weil er gar nicht verstand, was genau mir nicht passte an der Art, unsere schreiende, neugeborene Tochter zu halten.

Auch mal ausrasten. Fürchterlich sein. Einfach nur, weil es eben ehrlich ist.

Noch vor einem Monat hatten wir um diese Zeit kuschelnd Serien geguckt und waren uns allerhöchstens uneinig gewesen über die Auswahl der Chipssorte. Jetzt fiel erst auf, wie unterschiedlich wir tatsächlich waren. Der Sprung von romantischer Zweisamkeit in verantwortungsvolle Dreisamkeit war der härteste Sprung unseres Lebens. Und gleichzeitig der Schönste. Es ist völlig normal, dass die Paarbeziehung erst einmal in den Hintergrund tritt, wenn aus Paaren Eltern werden. Aber ob das auf Dauer gut geht? Über genau dieses Thema hat Jesper Juul ein Buch geschrieben. Der Autor war ein dänischer Familientherapeut und Verfasser zahlreicher Ratgeber zum Thema Erziehung und Familienleben. In der Presse wird er gerne „der Papst der Gelassenheit“ genannt. Jesper Juul, der 2019 leider nach langer Krankheit gestorben ist, war keiner von denen, die einem sagen, was man alles falsch macht, sondern einer, der Eltern zu mehr Authentizität auffordert. Sein Credo: Auch mal ausrasten. Doof sein. Einfach nur, weil es eben ehrlich ist und zu einer authentischen Kommunikation dazugehört. Für Jesper Juul zählte am Ende vor allem eines: Gleichwürdigkeit und Ehrlichkeit. Dazu gehörte für ihn auch der Ausschluss der Kinder, wenn ein Elternpaar Zeit für sich haben möchte. Haben muss. Denn Eltern haben ein Recht auf Zweisamkeit, schrieb er in einem Buch, das sich weniger mit Kindern, sondern mehr mit der Paarbeziehung der Eltern beschäftigt.

Kinder sind von Natur aus kooperativ

„Mama und Papa haben ein Date. Du störst!“ war für den renommierten Therapeuten eine absolut legitime Aussage. Weil sie ehrlich ist und weil sie langfristig gesehen die ganze Familie schützt. Solange sich Eltern um das Fundament der Familie, nämlich die eigene Beziehung kümmern, sorgen sie laut Juul für das Wohl des Kindes. Auch wenn es sich für den Moment ausgeschlossen fühlt. Ist ja auch so. Noch ein interessanter Punkt, der einem in Jesper Juuls Büchern immer wieder begegnet: Kinder, so Juul, sind von Natur aus kooperativ. Will heißen: Wenn Eltern in aller Bestimmtheit für ihre Zweisamkeit und Liebe einstehen, werden die Kinder das akzeptieren. Ein von schlechtem Gewissen zerfressenes „Es tut mir so leid, aber gerade würden Papa und ich gerne mal ganz kurz ein klitzekleines bisschen Zeit miteinander verbringen, wenn das ok für dich ist“ wird mit Sicherheit zur Revolte führen. Denn wenn Mama und Papa so ein schlechtes Gewissen haben, dann ist das ganz sicher ziemlich böse, was sie da grade beanspruchen. Eine klare, überzeugte Ansage hingegen wird laut Juul im Normalfall viel besser akzeptiert.

Zeit, sich mal wieder gemeinsam aufs Sofa zu fläzen

Natürlich kann man kleinen Babys noch nicht klarmachen, wie wichtig die Beziehung von Mama und Papa ist. Aber irgendwann sind sie dann alt genug, um es zu verstehen: Mama und Papa haben jetzt ein Date und alle anderen stören! Dieser Tag wird kommen, versprach Jesper Juul.

Höchste Zeit also, sich mal wieder gemeinsam aufs Sofa zu fläzen und sich um die Chipssorte zu streiten. Sour Creme oder Sweet Chili? Eigentlich völlig latte, solange bloß kein Kind dazwischensitzt und alles wegfuttert.

Danke, Jesper Juul, für diese und all die anderen weisen Worte, die du uns geschenkt hast...

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