Ich habe einen Pony. Den gab's schon Pre-Corona. Mittlerweile haben wir schon viel zusammen durchgestanden. Denn auch wenn ich mit dem wohl langsamsten Haarwachstum der Welt gesegnet bin – das hat sich noch nie so sehr ausgezahlt wie im Moment – um ein regelmäßiges Nachschneiden komme auch ich nicht herum. Dann wollen wir mal.
Zum Haare schneiden brauche ich Mut. Viiieeel Mut
Alkohol trinke ich normalerweise nur in Begleitung. Mich allein mit einem Glas Wein auf's Sofa zu setzen habe ich mir strikt verboten – Suchtpotenzial einfach zu hoch. Und das klassische "Mut antrinken" habe ich bis jetzt auch noch nicht gebraucht. Wie gesagt – bis jetzt. Denn "zu Corona-Zeiten", wie wir augenverdrehenderweise gern sagen, lebt es sich mit einem Pony ähnlich wie mit einem unsympathischen Mitbewohner: Nett, das er da ist und seinen Teil zur Miete beiträgt. Aber sobald er mir zu oft vor den Augen rumhängt, wird meine Zündschnur ganz schnell ganz kurz. Das geht ratzfatz.
Friseurbesuch gestrichen
Nun sind die Friseure pandemiebedingt mal offen, mal geschlossen. Und mal kurz bei meiner Stammfriseurin reinhopsen, damit die mit ihrer Zauberschere durch die Fransen huschen kann, geht leider auch nicht. Haarschnitte gibt's nämlich nur noch, wenn der ganze Kopf nass gemacht wird. Und das lohnt sich für meine drei Strähnchen im Gesicht wirklich nicht. Also muss selbst Abhilfe geschaffen werden. Die positive Nachricht: Friseurscheren sind gar nicht mal teuer. Und das war's dann auch schon mit dem Anfängerglück.
Anfängerfehler
Im Sommer habe ich meinen Pony nass geschnitten. Woran ich nicht gedacht habe: Im feuchten Zustand sind Haare immer ein klitzekleines bisschen länger als im trockenen. Ist eigentlich Wurscht – wenn's nicht der Pony gewesen wäre. Es hat drei Monate gedauert, bis die Lücke zwischen Haarspitzen und Augenbrauen endlich zugewachsen war. Drei. Monate. Das war der erste Streich. Und der zweite folgt sogleich.
Ich sehe kaum noch was
Das Sommer-Trauma ist mittlerweile überwunden, im Dezember musste die ganze Mähne dran glauben und auch mein Pony hat einen ordentlichen Schnitt von der Friseurin bekommen. Jetzt haben wir bald März. Und die Erkenntnis läuft mir wie ein kalter Schauer über den Rücken: Ich sehe kaum noch was. Heißt: Die Friseurschere bekommt ihren großen Auftritt.
Haben wir nicht gerade Ausnahmesituation?
Aber nicht ohne tatkräftige Unterstützung meines gekühlten Freundes aus der hübschen Flasche: Dem Weißwein. Richtig gelesen. Für eine halbwegs ansehnliche Friseur wirft unsereins auch schnell mal die eigenen Prinzipien über Bord. Aber hey – haben wir nicht gerade Ausnahmesituation? Schließlich macht Alkohol bekanntlich einiges einfacher. Warum dann nicht auch Haare schneiden?
Nächstes Mal dann wieder mit Nervenkitzel
Also habe ich es mir letzten Sonntag richtig schön gemacht. Hab' was Nettes gekocht, nebenher ein Gläschen Wein, und weil ich gerade so in Schwung war, bin ich dann auch mit der Schere in die Haare gegangen. Und was soll ich sagen: Hätte schlimmer laufen können! Bestätige ich auch nüchtern betrachtet erneut. Bin mir zwar nicht sicher, ob das Endergebnis auf den Alkohol zurückzuführen ist, oder ob's daran lag, dass ich dieses Mal einfach vorsichtiger geschnippelt habe. Aber ich kann meine Mitmenschen wieder sehen – und finde auch meinen eigenen Anblick erträglich. Nächstes Mal probiere ich es wieder nüchtern. Einfach, weil ich den Nervenkitzel so gern mag.