Können wir uns alleine treffen?“, habe ich eine Freundin vor Kurzem gefragt. „Nur du und ich? Mehr ertrage ich gerade nicht.“ Das war allerdings nur die halbe Wahrheit, denn eigentlich war sie mir schon zu viel. Aber versprochen ist versprochen. Also schlenderten wir im Nieselregen durch den Wald, wo natürlich kein Mensch außer uns war.
Ich dachte immer, alle kennen das Gefühl
„Menschenüberdosis, was soll das sein?“, fragte sie mich. Eigentlich dachte ich immer, das sei normal und jeder Mensch habe diese Phasen, in denen er oder sie denkt: „Gesellschaft? Puh, nee. Zu anstrengend. Menschen kann ich heute einfach nicht ertragen.“
Für alle, die das nicht kennen: Es kommt dem Gefühl gleich, das sich ausbreitet, wenn man nach einer guten Feier verkatert im Bett liegt und mit einem Sekt zum Frühstück geweckt wird. Eine Mischung aus „Schön war das“ und „Bitte nicht schon wieder“.
Alleinsein ist nicht traurig
Ich werde dann menschenabstinent: gehe allein spazieren, ins Kino, zum Sport, auf Konzerte. Klingt traurig? Ist es aber überhaupt nicht. Ich liebe das Alleinsein. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen einsam sein und allein sein. Die Einsame wäre gern unter Menschen, ist es aber nicht. Ich aber will ja gar keinen Menschen sehen! Klar kenne ich auch Einsamkeit, aber sie stellt sich bei mir eher ein, wenn ich nicht allein bin. Wenn ich alte Freunde treffe, denen ich nichts mehr zu sagen habe. Wenn ich mit Paaren ausgehe, die sich gegenseitig nur erniedrigen. Wenn ich merke, der Mensch gegenüber sieht mich gar nicht, sondern braucht nur einen menschlichen Mülleimer für seinen Seelenballast. Für Freunde möchte ich mehr sein als ein Accessoire, das gerade schick aussieht, oder eine Dekoration, die schon immer da war. Nicht beachtet werden macht mich einsam, allein sein nicht.
Ein durch und durch egozentrisches Ding
Oft fragen mich Leute: „Aber was machst du, wenn du unter Menschenüberdosis leidest? Fernsehen? „Nein, es läuft weder Youtube, Netflix oder dergleichen noch Radiogedudel. Im Gegenteil: Da würden ja dann ständig irgendwelche Menschen herumquaken.
Ich tagträume, verlaufe mich, versinke im Film, tanze mir die Seele aus dem Leib und habe dabei den Spaß meines Lebens. Will ich mich darüber mit jemand anderem austauschen? Nein, ganz und gar nicht. Mein Alleinsein ist ein durch und durch egozentrisches Ding. Es dreht sich alles nur um mich. Es ist Beziehungspflege mit dem eigenen Ich. Nur tun (oder lassen), worauf ich Lust habe. Keine Diskussionen, keine Kompromisse.
Ich bin mir Gesellschaft genug
Das Schwierige daran ist das Alleinbleiben. Gehe ich allein auf Reisen, gibt es immer jemanden, der sich meiner annimmt und mir die Welt erklärt. Sitze ich allein in einem Imbiss, hockt bald jemand neben mir und textet mich zu. Stehe ich allein auf einer Tanzfläche, werde ich angetanzt. Manchmal frage ich mich, ob das auch an meiner Haltung liegt? Würde ein trostloses Mauerblümchen, das verlassen in der Ecke sitzt, ebenso oft angequatscht? Oder passiert das nur, weil es offensichtlich ist, dass ich mich vergnüge? Ich bin mir eben Gesellschaft genug.
Natürlich mache ich auch allein wirklich dumme Sachen. Erst vor Kurzem habe ich eine Wanderung in einem fremden Land gemacht, die erst nach Einbruch der Dunkelheit endete – was ich übrigens schon wusste, bevor ich losgelaufen bin. Am Ende bin ich im Schein der Handytaschenlampe zurückgestolpert. Als ich an meinem Auto stand, habe ich den Kopf über mich geschüttelt: „Schön blöd war das“, sagte mein eines Ich. „Haste recht“, sagte das andere, „aber so bist du halt.“ Und dann haben wir schön darüber gelacht.