Vor fünf Jahren verließen wir Deutschland. Unser Hab und Gut reduzierten wir auf 15 Kartons und beschlossen, uns von allen Möbeln zu trennen. Es fiel uns nicht mal sonderlich schwer.
Das Bett aus der Studienzeit mit Matratze verschenkten wir. Die 3-Meter-Couch hatte noch einen Wiederverkaufswert von 50%. Immerhin. Einen Kleiderschrank besaßen wir nicht, die guten IKEA-Regale gaben wir an Freunde weiter. Ebenso unseren Fernsehen, das Gästebett sowie die Badezimmermöbel. So räumten Freunde und Fremde nach und nach unsere damalige Wohnung im Schanzenviertel in Hamburg aus. Übrig blieb am Schluss genau ein Möbelstück, dessen Abschied wir einfach nicht übers Herz brachten: Eine alte Ledercouch.
Die Ledercouch war seit über fünf Jahren Teil meines Lebens gewesen. Wir hatten uns auf einem Flohmarkt im Schanzenviertel kennengelernt. Es war ein schöner Samstagmorgen, die Sonne schien, ich hielt meinen Kaffee in der Hand. Es war Liebe auf den ersten Blick. Die dunkelblaue Couch stand da und ihr weiches Leder glänzte im Sonnenlicht. Der dunkelbraune Kirschholzrahmen untermalte ihre Schönheit und verschaffte ihr pure Eleganz. Sie war vom Alter gezeichnet, gleichzeitig schick und elegant. Ihr damaliger Besitzer verkündete mir, dass ihm das gute Stück 120 Euro wert sei. Ein Hohn! Verhandeln musste ich nicht, wir waren uns einig.
Gemeinsam gingen wir durch dick und dünn, die Couch und ich, und könnte sie reden, müsste ich sie vermutlich vernichten. Sie kennt die irrsten Geschichten über Beziehungen, Freundschaften, würdelose Streits, fliegende Joghurts, Geschichten über Liebende und über Verzweifelte, und wie zwei immer dabei. Auf ihr sitzend, hatten wir damals viele Zigaretten geraucht, Astras getrunken, feine Essen verzehrt. Es wurde auf ihr gearbeitet, gekuschelt und es gab sogar Sex auf ihr.
Und dann gingen wir weg. Mitnehmen konnten wir sie nicht, verkaufen auch nicht. Meine kleine Schwester bot an, die Couch zu beherbergen, bis wir in unbestimmter Zeit wieder zurückkommen würden. Per Transporter ging die Reise nach Berlin. Dort stand sie für ein paar Monate im trockenen Keller, bis dieser durch einen Rohrbruch nass wurde. Eine schnelle Rettungsaktion war nur ohne fahrbaren Untersatz möglich. Eine Freundin meiner Schwester war so nett und half ihr, die Couch anderthalb Kilometer durch Berlin in den nächsten Keller von anderen Freunden zu tragen. Im nächsten Keller stand sie weitere drei Jahre. Viel erlebt hat sie da nicht. Ich bin mir aber sicher, es tat ihr gut, sich von den Geschichten und Strapazen meiner wilden Zwanziger auf dem Hamburger Kiez zu erholen.
Seit 2016 sind wir wieder zurück in Hamburg und ein Neuanfang ohne Job und Wohnung war schwer. Unsere Wohnung beherbergt heute nur noch wenig Materielles, wir wollen erst gar nicht wieder mit dem Horten anfangen. Meine alte Couch aber steht heute im Kinderzimmer meines Sohnes. Ich bin so froh, dass sie wieder bei uns ist. Wie eine alte, freundliche Dame lässt sie meinen Kleinen geduldig auf sich rumspringen, ist mal Piratenboot, mal Höhle. Sie und ich wissen, sie war schon so viel mehr... Und wird es immer bleiben. Manche Möbel sind einfach keine Möbel. Manche Möbel sind Freunde.