Louise Joy Brown verdankt ihr Leben einem Toto-Gewinn und einer medizinischen Revolution: Als erster Mensch wurde sie durch künstliche Befruchtung im Labor gezeugt. Am 25. Juli 1978 kam sie per Kaiserschnitt im englischen Oldham zur Welt, brachte 2,6 Kilo auf die Waage und war putzmunter. Das Geld für die In-vitro-Fertilisation (IVF) soll ihr Vater im Fußball-Toto gewonnen haben.
Die Kirche malt den Teufel an die Wand
Doch nicht nur die Kirche hatte etwas gegen Louises Geburt: Die glücklichen Eltern Lesley und John, die neun Jahre lang vergeblich auf eine Schwangerschaft gewartet hatten, bekamen vom Erzbischof von Canterbury zu hören, bei Louises Geburt sei "der Teufel am Werk" gewesen. Und die Boulevardpresse machte sich über das "Frankenbaby" her – in Anlehnung an Frankenstein, der einen künstlichen Menschen herstellen wollte und ein Monster erschuf.
In Deutschland ging Louise als "Retortenbaby" in die Geschichte ein – ebenfalls ein abfälliger Begriff. Denn was "aus der Retorte" kommt, wurde "widernatürlich" hergestellt: Retortenbaby, Retortenstadt, Retorten-Band - nicht gewachsen, seelenlos, lediglich Mittel zum Zweck. Die Eltern tourten mit Louise durch TV-Shows, um der Welt zu zeigen, dass ihre Tochter ein ganz normales Kind ist.

Brown ist heute IVF-Botschafterin
Trotz aller Aufregung rund um ihre Geburt lebt Louise Joy Brown heute ein ganz normales Leben. Sie heißt inzwischen Louise Mullinder, ist Mutter von zwei auf natürlichem Weg gezeugten Söhnen, riesiger Take-That-Fan und arbeitet in einem Speditionsbüro in Bristol. Und sie ist als IVF-Botschafterin unterwegs. Sie sprach schon vor dem Europäischen Parlament und tritt weltweit bei Kongressen zum Thema auf.
Sie liebe es, andere IVF-Kinder zu treffen und das Glück der Eltern zu sehen, sagte sie der "Welt". Und sie möchte, dass alle unfruchtbaren Paare die Möglichkeit zur Kinderwunschbehandlung bekommen:
Seit Louise mit ihrer Geburt unfreiwillig Geschichte schrieb, konnten sich viele verzweifelte Paare ihren Kinderwunsch per In-vitro-Fertilisation erfüllen, weltweit wurden inzwischen mehr als sechs Millionen Kinder im Reagenzglas gezeugt. In Deutschland hatte es nach Louises Geburt noch vier Jahre gedauert, bis das erste "Retortenkind" zur Welt kam: Im April 1982 wurde an der Universitätsklinik Erlangen der kleine Oliver geboren. Doch der möchte nicht in der Öffentlichkeit stehen.
Quellen: Die Welt, Süddeutsche, Tagesspiegel, Schweizer Illustrierte