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Corona aktuell: Zwischen Homeschooling und Homeoffice

Corona aktuell: Kind sitzt vor Laptop
© LightField Studios / Shutterstock
Homeschooling der Kinder, während man eigentlich selbst von zuhause arbeiten müsste? Andrea Hacke berichtet von ihrem turbulenten Alltag im Home Office.

Es ist halb zehn morgens und gerade startet mein vierter Versuch, als alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen (10 und 14 Jahre alt) in diesen Zeiten Home Office zu machen. Wir sind extra früh aufgestanden, mein Grundschul-Kind und ich, um vor dem Home Office das Meiste vom Home Schooling zu erledigen. Um 13 Uhr ist die späteste Abgabe aller zu bearbeitenden Seiten in Mathe, Deutsch und Englisch. Ich darf mich da nicht beklagen, andere Mütter müssen sich auch noch mit Religion, Kunst oder Gesellschaft rumschlagen, basteln oder Gedichte über die Ausgangssperre erfinden. Mein Morgen bestand also aus Zirkel- und Knobelaufgaben, der Personenbeschreibung eines Fußballspielers, Essen von cucumber bis strawberry ice-cream und das Tagebuch für Deutsch. An sich sollen die Kinder das natürlich komplett alleine erledigen, aber wer in diesen Tagen zum Beispiel Facebook verfolgt, liest über Mütter mit drohenden Nervenzusammenbrüchen, schreiendem Ausrasten, aufgerüttelte Depressionen, die über Jahre schlummerten und nun wach geklingelt wurden. Das scheint nicht so richtig zu klappen mit dem Alleine-Arbeiten. Wie hieß es online so schön: Wenn Home School noch verlängert wird, werden die Mütter den Impfstoff vor den Forschern entwickeln – ich gehe davon aus, sollten sie sich bis dahin auf den Beinen halten.

Nach den ersten Tagen habe ich festgestellt: Sobald ich an meinem Computer sitze und die Aufmerksamkeit völlig dort liegt, kommen von meinem Kind etwa dreimal so viele Fragen als wenn ich direkt daneben sitze – und nur heimlich nebenher übers Handy meine Job-Mails beantworte. Als unsere ersten zwei Stunden Schule heute geschafft waren, im Kopf also der erste Haken des Tages für erledigte Aufgaben gesetzt werden konnte, kam die nächste WhatsApp der Lehrerin im Klassenchat, der leider über mein Handy läuft, weil das Kind in der vierten Klasse noch kein eigenes Gerät hat: Um zehn werde es eine Überraschung für alle geben! Vielleicht morgen komplett Corona-frei, einen Tag ohne Aufgaben? Ich freue mich mit dem Sohn auf zehn Uhr.  Bis dahin hat sich die ganze Klasse online zurückgemeldet: Alle freuen sich – nur 23x Gebimmel. Es schreiben auch ähnlich viele Freundinnen – lustige Filme, Sprüche, Horror-Infos haben auf WhatsApp gerade Hochkonjunktur. Später...

Zehn Uhr kommt dann der nächste Streich: eine Meditationsübung für zu Hause. Mein Sohn schnappt sich beim Abhören der geschickten Sprachnachricht gleich begeistert ein Kissen, da kann man das Ganze ja auch nicht unterbrechen – ist für die Kinder ja eh schon langweilig genug. Der Gong ertönt, eine Atemübung startet. Endlich Ruhe, auch ich atme auf. Das könnten sie an sich noch eine halbe Stunde oder vier Stunden in die Länge ziehen... Aber: Gong! Ist die Idylle schon wieder getötet.

Nachdem ich das jüngere Kind, nun hoffentlich entspannt, in sein Zimmer geschickt habe, Zeit zum Spielen, sitze ich wieder am Computer. Zwei Minuten später geht die Tür erneut auf, mein 14-Jähriger kommt rein, mit Heft. An sich macht immerhin der alles alleine. „Wenn ich diese Fläche habe, Mama“, sagt er und zeigt mir ein Gebilde aus einem Winkel und einem Halbkreis, wie komme ich dann nochmal auf die Länge der Halbkreis-Außenfläche?“ Himmel: Gibt es dazu nicht einen Film auf YouTube? Andererseits: Schön, dass der Pubertierende überhaupt mal wieder mit mir redet. Also: Setz dich, Kind, ich habe Zeit! Im Rechner ploppt die Mail zur nächsten Skype-Konferenz auf. Okay, schnell zurück in die Mittelstufe: Wie war das noch mit den Flächenformeln und der Wurzelrechnung?

Hallo, Computer, versuchen wir es nochmal! Ich schicke eine Mail an eine Expertin, die ich gerne interviewen möchte. Antwort: erst im April wieder da. Das wäre an sich der Punkt, die Recherche auszuweiten. Aber das jüngere Kind ist wieder da: „Was kann ich essen?“ – „Der Kühlschrank ist doch voll, die Obstschale auch, kannst dir auch Brötchen aufbacken“, rufe ich nun lauter als nötig. Herrje, wieso schleppe ich eigentlich ständig volle Einkaufstüten nach Hause, wenn die Kinder dann immer noch so tun als herrsche Ebbe auf allen Regalen? Wieso wage ich mich viel zu oft in den Supermarkt zu den Deppen, die ihren Wagen im ca. 5 cm-Abstand an mir vorbeischieben? Ach ja, ich weiß es wieder: Weil wir alle drei ständig zu Hause hängen und von den Jungs gefühlt doppelt so viel gegessen wird. Macht nichts, nach Home Office, was die Arbeitszeit durch die Umstände aus Kinderbegleitung und langsamerem WLAN eh verlängert, kann ich nach der nächsten Schulstunde am Nachmittag gerne wieder einkaufen gehen, bevor dann das Kochen beginnt. Der Vorteil am Ende eines solchen Tages: Man schläft um 21 Uhr gleich ein – und hat keine Zeit mehr, sich um die neuesten Nachrichten zu kümmern. Besser ist das, denn morgen startet ja ein neuer Tag mit auszufüllenden Blättern.

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