Jedes Kind ist anders. Und jedes Kind fordert seine Eltern ganz anders.
Blabla… Kennen wir den Kram. Jetzt habe ich drei Exemplare versammelt und kann das selbstverständlich bestätigen.

Meine ersten beiden Kinder sind Zwillinge. Aber davon abgesehen, dass es ein zweieiiges Zwillingspärchen ist, sind sie total unterschiedlich. Da ist der fröhliche Sonnenschein. So zufrieden. Außer nachts. Da brauchte er viel Nähe. Seine Zwillingsschwester war ganz anders und forderte immer ein Unterhaltungsprogramm, hatte dafür aber nachts gerne ihre Ruhe.
Zwei Anfängerbabys. Unterm Strich waren die beiden entspannt.
Und auch Kind Nummer 3, der Krümel, ist ein zufriedenes kleines Kerlchen.
Trotzdem wurde ich neulich als überspannte Helikoptermutter bezeichnet. Eine, die ihr Kind ständig überwachen muss. Sich nie entspannen kann. Es nie "einfach mal laufen" lässt.
Wie konnte es dazu kommen? Beim dritten Kind!
Wir sind keine unerfahrenen Eltern mehr. Wir haben sogar zwei Kindchen gleichzeitig schon geschaukelt und das selig, entspannt grinsend gewuppt. Voll gechillt und so.
Nun, der eine Punkt mag sein, dass man beim dritten Kind zwar total routiniert ist, aber eben schon zwei aufmerksamkeitsbedürftige Exemplare hat. Das kann den Stresspegel grundsätzlich auf ein anderes Niveau heben. (Kann. Muss nicht.)
Zudem ist halt jedes Kind anders – erinnert euch an die krasse Floskel der Einleitung – und die ganze Erfahrung ist fürn Arsch.
Kind 3 ist eine Abrissbirne auf Speed
Krümel ist ein ziemlich äh … anders … Hmmm … wie kann man es ausdrücken… Ähm… Ein aufregendes Kind? "Kamikaze" höre ich immer wieder. "Abrissbirne auf Speed" wäre auch so eine mögliche Beschreibung. Vermutlich passt der Ausdruck "betreuungsintensiv", den der Patenonkel neulich lachend fallen lies, ganz gut. Denn ja, beim Krümel muss man lachen. Ungläubig grinsen. Aber man kommt nicht umhin, seine Energie zu fürchten.
Krümel war von Anfang an ein zufriedenes Baby. Der Ausdruck "entspannt" passt bei ihm aber nicht so wirklich. Er ist zwar das einzige meiner Kinder, das sich schon früh einfach in Kissen kuschelte und mal kurz 'ne Pause einschob. Aber man wusste nie, wie lange die anhält. Denn Krümel hat viel vor.
Im September geboren, drehte er sich schon vor dem Jahreswechsel auf den Bauch, stemmte sich bald darauf auf seine vier kräftigen Gliedmaße und setzte sich, kaum war er sechs Monate, zügig in Bewegung. Er war nicht zu bremsen.
Der Krümelchaot
Er kletterte auf Möbelstücke, bevor ihm überhaupt klar war, dass es sowas wie Höhenunterschiede gibt. Wie oft habe ich das Kind vor Abstürzen vom Sofa retten müssen, einfach weil er nie schnallte, dass es dort bergab geht. Das räumliche Sehen brauchte länger als seine Kletterkünste. Er war keine neun Monate alt, als er einfach losmarschierte. Auf zwei Beinen. Zack.
Krümel hat seinen eigenen Plan. Man kann mit ihm einen total entspannten Tag haben, wenn man ihn machen lässt. (Und immer brav hinter ihm steht, bereit ihn aufzufangen.) Er ist zufrieden und klettert, öffnet Türen und Treppengitter, klettert auf Möbel und marschiert Treppen selbstverständlich auf zwei Beinen rauf und runter. Schon immer. Das mit diesem umständlichen auf-den-Hosenboden-und-dann-langsam-runter-Zeugs hat er nie akzeptiert als mögliche Methode.
Es macht Spaß - und ist anstrengend
Es macht Spaß, Krümels Energie zu bewundern und ihn zu beobachten, wie er die Welt entdeckt. Aber wenn man nicht den ganzen Tag Zeit hat, den Krümel zu bewundern und im Notfall aufzufangen, dann ist dieses Kind ziemlich anstrengend. Anstrengender als seine zwei Geschwister je im Doppelpack waren.
Das glaubt mir kaum einer, der ihn nicht erlebt hat. "Klar Kerstin, Kleinkinder sind in ihrer Neugier anstrengend. Kennen wir doch alle."
Nein! Ihr kennt Krümel nicht. Wer ihn einmal in Aktion erlebt hat, behauptet das nie wieder.
Hier ein paar Beispiele:
- Papa lässt mich nicht an seinen Laptop? Dann gehe ich eben in den Flur, klettere auf das Schuhregal und räume geräuschvoll die Schlüssel ab. Das soll ich nicht. Also kommt Papa um die Ecke und hebt mich schimpfend vom Regal, sammelt die Schlüssel ein und meine kurzen Beine tragen mich im schnellsten Laufschritt um die Ecke, zack auf den Stuhl und YEAH! Laptop! Selbst schuld, wenn Papa seine Verteidigungslinien nicht geschlossen hält.
- Spielplatz. Mit meinen drei Kindern und einer Handvoll erfahrender Mütter (alle mit einem gleichaltrigen Kind). "Könnt ihr kurz auf Krümel achten, ich muss kurz… Sonnenschein muss mal." "Klar." …….. "Wo ist Krümel?" "Oh, eben war er doch noch … ups …" Krümel saß auf dem Klettergerüst. "Oh, der ist echt verdammt schnell." Ja, ist er.
- Urlaub. Mit der Großfamilie. "Kerstin, entspann dich. Hier sind so viele, die deine Kinder im Auge haben. Lass den Kurzen doch mal laufen, du musst ihm nicht permanent hinterher, wir können ihn doch alle sehen." Und ich sprang vom Tisch im Restaurant auf, legte einen Sprint hin, bei dem Usain Bolt vor Neid erblasst wäre, fing Krümel im Laufschritt ab und erwischte ihn über dem Pool im Flug. An meiner Hand tauchte er dann nur bis zur Windel ein.
- Er wuselte über die Parzelle, Mutti versuchte ihn "entspannt machen zu lassen", ganz viele Augen waren auf ihn gerichtet und er fand die Getränkedosen. So fix kann ich gar nicht sprinten, wie der Krümel sie ansetzt. Zumal er genau weiß, was kommt und in die entgegengesetzte Richtung mit der Dose losspurtet.
Krümel ist schnell. Verdammt schnell.
Krümel ist wendig. Wendiger als man seinem kompakten Körper zutraut.
Krümel ist stark. Sehr stark.
Krümel ist hartnäckig und gibt nicht schnell auf.
Krümel ist gewitzt und hat immer einen Plan.
Es ist gefährlich, Krümel zu unterschätzen!
Helikoptermutter? Natürlich!
Ja, ich bin eine überspannte Helikoptermutter und behalte meinen Jüngsten permanent im Auge. Ja, ich frage ständig nervös suchend "Wo ist Krümel?", denn dann hockt er wahrscheinlich auf irgendeinem Zaun oder kauend unterm Tisch, nachdem er vom selbigen eine Tüte Chips ergattert hat. Krümel ist anders.
Ein zufriedenes kleines Kerlchen, das es faustdick hinter den Ohren hat. Das aber auch kuschelt wie kein anderer, Körperkontakt liebt, unzählige Küsschen verteilt und sich mit zufriedenem Seufzen auf dem Sofa langstreckt, das Kissen unterm Kopf, die Kuscheldecke über die Beine gezogen. Ganz entspannt.
Fragt sich nur, wie lange.
Ich schaue Krümel übrigens nicht nur deswegen ständig hinterher, weil er sich nonstop in Gefahr bringt. Sondern ganz einfach, weil es richtig Spaß macht, dieses Kind zu beobachten. Man muss einfach grinsen, wenn man ihn in Aktion erlebt. Abends falle ich auf das Sofa. Wie erschlagen. Um mich auf eine kurze Nacht mit einem Nähe bedürftigen Riesenbaby zu freuen. Meinem Riesenbaby.
Text von Kerstin Neumann, ursprünglich erschienen auf chaoshoch2.com.
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