Anzeige
Anzeige

Sterilisieren lassen: Eine Frau macht Schluss

Sterilisieren lassen: Eine Frau macht Schluss
© Sora/Corbis
Sollte ich mich sterilisieren lassen? Darüber denken viele Frauen nach, die sich mit ihrer Familie komplett fühlen. Aber bereut man's irgendwann doch? Diese Frau hat den Schritt zum Schnitt gemacht.

Babys bitte draußen bleiben!

Auf diesen Moment habe ich mich mein ganzes Frauenleben lang gefreut: abzuschließen mit dem Thema Mutterschaft. Mit der ewigen Angst, dass sich das Leben jederzeit radikal ändern könnte, wenn du nur eine Sekunde unaufmerksam bist und schwanger wirst.

Dieser Moment kam im Juni 1992, ein Jahr nach der Geburt meiner Zwillingstöchter. Ich war 33 Jahre alt und hatte drei Kinder, die Mädchen und ihren zwei Jahre älteren Bruder. Verhütung war für mich immer ein Elend gewesen. Die Pille vertrug ich nicht, wegen Zwischenblutungen musste ich sie nach einer Woche absetzen. Die Spirale war extrem schmerzhaft, dennoch hielt ich es jahrelang mit ihr aus.

Der Frauenarzt hat mich gewarnt

Irgendwann blieb nur noch die natürliche Verhütung, mit all ihren Unsicherheiten und dem ewigen Risiko. Kondome waren auch keine Lösung, denn welcher Mann benutzt die schon gern? Die Idee mit der Sterilisation hatte ich schon vor der Geburt der Zwillinge. Mein Frauenarzt erzählte mir von der Möglichkeit, den Eingriff sofort nach der Entbindung zu erledigen. Er warnte mich aber: Ich solle es mir gut überlegen und beim leisesten Zweifel Nein sagen.

Lange war ich fest entschlossen, die Operation gleich nach der Geburt durchführen zu lassen: Sie wäre schnell erledigt und ich würde mir einen zweiten Eingriff ersparen. Dann hatte ich doch Bedenken. Allerdings weniger wegen der Entscheidung an sich - ich wollte einfach nicht zwei Ereignisse vermischen, sondern mich ganz auf die Geburt konzentrieren.

Ich traf die Entscheidung ohne meinen Mann

Doch der Gedanke an eine Sterilisation ließ mich nicht los. Als meine Monatsblutung wiederkam und damit die Gefahr, erneut schwanger zu werden, fällte ich eine Entscheidung - ohne meinen Mann einzubeziehen. Schließlich ist es mein Leben, und es ist mein Körper, und niemand, auch nicht der Vater meiner Kinder, hat ein Recht, darüber mitzubestimmen.

Im Internet habe ich gelesen, dass heutzutage beide Ehepartner bei einer Sterilisation unterschreiben müssen. Damals gab es das noch nicht. So leitete ich die ganze Sache allein in die Wege. Nur eine Freundin wusste davon. Wie jedes Jahr besuchten wir die Großeltern der Kinder in der Nähe von Hamburg.

Ich hatte zuvor recherchiert, dass Pro Familia in Bremen eine gute Adresse für ambulante Sterilisation ist. Ich machte einen Termin aus, das war möglich, ohne sich persönlich vorzustellen. Wir reisten von Süddeutschland in den Norden, die Kinder nahm mein Mann mit zu seinen Eltern. Ich "besuchte" zwei Tage lang meine Freundin und fuhr mit ihr nach Bremen.

Erinnern kann ich mich nur noch an die langen Sekunden, in denen ich dachte, das Narkosemittel würde bei mir nicht wirken. Als ich aufwachte, hatte ich einen kleinen Schnitt im Nabel. Meine Eileiter waren verschlossen worden, damit die reifen Eizellen nicht mehr in die Gebärmutter wandern konnten.

Meine Freundin holte mich ab, mir ging es gut. Am nächsten Tag fuhr ich zu den Eltern meines Mannes und erzählte ihm vom wirklichen Grund meines Besuchs bei der Freundin. "Kein viertes Kind, das hier durch den Garten läuft", sagte er und schaute etwas wehmütig in die Ferne. "Um Himmels willen", dachte ich, "was hat der nur für Vorstellungen?" Doch auch mein Mann sah sehr schnell ein, dass wir genug Kinder hatten. Spätestens, als die drei ins Zimmer gestürmt kamen und wir wie stets überfordert waren. Wir haben immer darüber gescherzt, dass es besser wäre, eine Ehe zu dritt zu führen - so könnte sich je eine Person um ein Kind kümmern.

Eineinhalb Jahre später trennten wir uns, aus anderen Gründen. Das Thema Sterilisation haben wir nie wieder angesprochen. In den späteren Beziehungen meines Exmanns waren Kinder kein Thema mehr. Wenn eine Frau ein Kind mit ihm wollte, sagte er Nein. Auch ich habe die Entscheidung niemals bereut, obwohl der Kinderwunsch blieb.

Die Sehnsucht nach Kindern blieb

Wenn ich eine neue Beziehung hatte, überflutete mich manchmal die Sehnsucht: Wie würde wohl ein Baby von diesem Mann aussehen? Doch mein nächster Gedanke war immer sofort: Ich würde eins mit ihm bekommen, wenn ich nicht schon dreifache Mutter wäre.

Als meine Kinder größer wurden, gaben sie auch zu, dass sie es schrecklich gefunden hätten, wenn ich noch einmal schwanger geworden wäre. Sie wollten keine Konkurrenz. Es war ohnehin schwer genug, die drei Scheidungskinder emotional und materiell ausreichend zu versorgen. Mein Sexualleben war seit dem Eingriff wunderbar. Ich war befreit von jeglichen Verhütungsmitteln und vor allem von der Angst, dass ungeplante Dinge geschehen könnten.

Der Weg hat meine Lust beflügelt

Die Erleichterung darüber nutzte sich nie ab. Auch vor fünf Jahren, mit 48, war ich noch einmal sehr froh über die Entscheidung. Ich hatte einen jüngeren Mann kennengelernt, der noch keine Kinder hatte. Gleich zu Beginn unserer Beziehung wollte er mich überreden, es noch mal mit dem Kinderkriegen zu riskieren. Zum Glück konnte ich ihm unumstößliche Tatsachen präsentieren - wer weiß, ob ich sonst nicht doch schwach geworden wäre. Ich riet ihm, sich eine andere zu suchen, falls dieser Wunsch existenziell für ihn wäre (was allerdings nicht der Fall war).

Ich habe nur wenigen Leuten von meiner Sterilisation erzählt. Einige von ihnen konnten nicht verstehen, warum ich mich zu dem Eingriff entschlossen hatte. Ob ich ihn empfehlen würde? Einen solchen Schritt kann man nicht empfehlen, schließlich ist er nicht rückgängig zu machen. Für mich selbst war er richtig, er hat mich von einer Bürde der Weiblichkeit befreit, die mich nach der Erfüllung meiner Kinderwünsche verfolgt hatte. Dieser Weg hat meine Lust beflügelt und mir ein inneres Gleichgewicht gegeben. Die Freiheit, die viele Frauen angesichts der Menopause empfinden (in der ich mittlerweile auch bin), ist für mich nichts Neues. Ich kenne sie schon seit fast 23 Jahren.

Info: Sterilisieren lassen - so funktioniert's

Für wen geeignet? Für Frauen, die sich absolut sicher sind, keine Kinder (mehr) zu wollen. Oder die aus gesundheitlichen Gründen keine bekommen sollen.

Was wird gemacht? Der Eingriff ist, im Gegensatz zur Vasektomie beim Mann, deutlich aufwendiger, mit mehr Risiken behaftet und nur unter erheblichem Aufwand rückgängig zu machen. Über eine Bauchspiegelung und unter Vollnarkose klemmt der Arzt die Eileiter ab bzw. verschweißt sie. So schaffen künftig weder Eizelle noch Spermien den Weg in die Gebärmutter. Die Frau hat weiterhin ihren Eisprung, das Ei gelangt jedoch nur in die Bauchhöhle, wo es abgebaut wird. Die etwa einstündige Operation kann, wie jede OP, Komplikationen mit sich bringen: Narkoserisiken, Thrombosen oder Blutungen. In seltenen Fällen werden nach dem Eingriff nicht mehr ausreichend Sexualhormone produziert, oder die Frauen kommen früher als üblich in die Wechseljahre.

Was kostet das? Zwischen 600 und 1000 Euro, die von gesetzlich Versicherten selbst getragen werden müssen, wenn kein medizinischer Grund vorliegt.

Zahlen: Schnittchen gefällig?

Circa zwei Millionen Deutsche - Frauen wie Männer - sind sterilisiert.

Davon sind erstaunlicherweise fast drei Viertel Frauen, nämlich fast 1,5 Millionen.

50.000 Menschen entscheiden sich pro Jahr für die Sterilisation.

Text: Anne Hansen Ein Artikel aus BRIGITTE MOM 01/2015

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel