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Scheidungstransmission Laut Studie: So wirkt sich die Trennung der Eltern auf ihre Kinder aus

Scheindungstransmission: Kind mit zerrissenen Papier
© ulianna19970 / Adobe Stock
Eine neue Studie behandelt die langfristigen Folgen von Scheidungen für Kinder und deren Beziehungsmuster. Die Ergebnisse lassen auch Rückschlüsse über die Ehe und gesellschaftlichen Wandel zu.

Lassen sich Eltern scheiden, gilt die größte Sorge meist den Kindern. Werden sie die Trennung gut verkraften? Wie stark wird sie die Trennung prägen? Und sind sie später in der Lage gesunde Beziehungen zu führen?

Wie bereits Studien herausfanden, haben Scheidungskinder eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich später selbst scheiden zu lassen. Dieses Phänomen der Weitergabe von Scheidungsrisiken von einer Generation zur nächsten ist als "Scheidungstransmission" bekannt und wurde erstmals in den 90er Jahren untersucht. Eine aktuelle Studie erforscht nun, ob sich dieser Transmissionseffekt aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen abschwächt, oder weiterhin besteht.

Scheidungskinder investieren weniger in die Ehe

Für ihre neue Studie untersuchte die Sozialwissenschaftlerin Sonja Schulz vom Leibnitz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln die Datensätze aus Umfragen von rund 37.000 Erst-Ehen, die zwischen 1981 und 2020 geschlossen wurden. Die Ehepartner:innen waren zwischen 1906 bis 1986 geboren.

Für den "Scheidungstransmissionseffekt" sind mehrere Faktoren ausschlaggebend, wie genetische Prädispositionen, die Fähigkeiten zur Konfliktlösung, Familienwerte und stressbedingten Einflüsse. Außerdem lernten Scheidungskinder von ihren Eltern eine geringere Bindung an die Ehe, weshalb sie selbst später sogar konfliktarme Ehen schneller beenden würden. Gleichzeitig würden sie mit dem Anspruch aufwachsen, möglichst schnell selbstständig und erwachsen zu sein. Das führe im Umkehrschluss dazu, dass sie früher heirateten und sich weniger Zeit bei der Auswahl eines passenden Partners ließen.

Hinzu komme, dass Scheidungskinder weniger in ihre Ehen investierten. Sie blieben eher kinderlos, kauften keine gemeinsame Immobilie und lebten seltener das traditionelle Arbeitsteilungsmodell. Diese Investitionen würden jedoch Ehen stabilisieren. 

Normalisierungen von Scheidungen beeinflusst den Transmissionseffekt

Während Scheidungen bis in die Nullerjahre noch als großes Scheitern stigmatisiert wurden und häufig mit einer Traumatisierung der betroffenen Kinder einher ging, werden sie heute immer normaler und bedeuten gleichzeitig nicht mehr zwangsläufig das Ende der Familie. Vielmehr erfreuen sich alternative Beziehungs- und Familienmodelle wachsender Beliebtheit, wobei das Wohl des Kindes im Fokus steht.

Die Institution Ehe hingegen wird mehr denn je hinterfragt. Auch die Unabhängigkeit der Frau spielt eine Rolle. So ist in Deutschland keine mehr aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, in einer Ehe zu bleiben, die sie unglücklich macht. Gleichzeitig wird auch das Ideal der ewig währenden Liebe in Frage gestellt, ebenso das Konzept der Ehe, das noch aus der Antike stammt. Dementsprechend, so Schulze, führe die Liberalisierung der Ehenorm auch dazu, dass Scheidungsbarrieren innerhalb einer Gesellschaft verringert würden.

Hat dies auch Auswirkungen auf den Transmissionseffekt?

Aufgrund des Anstiegs der Scheidungszahlen und des Rückgangs der Scheidungsbarrieren in Deutschland könnte erwartete werden, dass sich die Scheidungswahrscheinlichkeit weniger vererbe und demnach rückläufig ist. Es wird vermutet, dass die Auswirkungen sich möglicherweise abschwächen, wenn jüngere Generationen in nichttraditionellen Familienformen aufwachsen. Doch obwohl die Ehenorm in der Gesellschaft sich ändert, scheinen die Auswirkungen von Scheidungen auf die nachfolgenden Generationen bestehen zu bleiben. Dies zeigt, dass einige Erfahrungen sich nicht einfach normalisieren, nur weil sie häufiger auftreten. 

Zukünftig möglicherweise Abschwächung des Effektes

Gründe für diese Ergebnisse vermutet Schulz unter anderem darin, dass die untersuchten Kohorten zwar in einer Zeit steigender Scheidungszahlen aufgewachsen seien, aber möglicherweise noch zu denen gehörten, die "zu spät" geheiratet hätten. Gleichzeitig wurden die jüngsten Teilnehmer:innen der benutzten Datenquellen im Mittel zwischen 1971 und 1982 geboren und damit in einer Zeit in der alternative Familienformen noch längst nicht üblich waren. Inwieweit sich der Transmissionseffekt verändert, wird sich demnach erst zeigen, wenn Daten zu den Scheidungskindern der 90er Jahre aufwärts vorliegen. So geht Schulz davon aus, dass sich der Effekt abschwächen könnte, sofern sich die Gesellschaft hin zu weniger konfliktbelasteten Scheidungen entwickle.

Brigitte

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