Mutter sein ist Extremsport. Das beweisen diese sechs typischen Situationen, nach denen wir völlig erledigt sind. Erledigt hat sich dann aber auch das Fitness-Studio.
1. Hindernislauf mit Kinderwagen
Die Mutter muss hoch zur S-Bahn. Der Aufzug ist kaputt. Rolltreppe gibt's nicht. Bislang hat sie zwei Männer um Hilfe gebeten, beide hatten akut "Rücken". Die Zeit drängt, die Bahn fährt gleich. Also los: Stufe, hauruck, Stufe, hauruck, Stufe, hauruck ... (zwei Treppenabsätze à 20 Stufen). Zwei Stufen noch bis zum Bahnsteig. Oben fährt die S-Bahn ab. Baby schreit. Mutter auch.
Sportlicher Einsatz: Ihr erbringt bei 40 Stufen eine Leistung von etwa 85 Kilokalorien - und trainiert Bauch, Oberschenkel, Po und Arme. Ähnliches Prinzip wie auf dem Stepper (nur rückwärts).
Autsch: Das geht auf die Knie - und auf den Rücken.
Das rät die Fitnessexpertin: In der ziehenden Bewegung den Rücken gerade halten, die Bauchmuskeln anspannen. Ab und an mal pausieren (trotz S-Bahn) und aufrichten, den Rücken lockern (Katzenbuckel).
2. Tour de Force
Die Mutter bringt der Tochter (3) Laufradfahren bei. Das Kind (15 kg) besteht darauf, an beiden Griffen geschoben zu werden. Eine Pause ist nicht möglich, weil der Bruder (5) wacklig mit dem Rad in Richtung Park rast und schon nicht mehr zu sehen ist. Eine vollgestopfte Tasche mit Sandspielzeug und Wasserflaschen, die unschön von der nach oben gezogenen linken Schulter rutscht, erschwert die angespannte Situation zusätzlich. Verbleibende Zeit bis zur rettenden Parkbank: 20 Minuten. Kurze Pause, dann auf dem Rückweg alles noch mal.
Sportlicher Einsatz: Glückwunsch, ihr habt soeben etwa 100 Kilokalorien pro Weg verbraucht. Bei häufiger Wiederholung wird die Ausdauer geschult; die Ausgleichsbewegungen (immer schön Arme hoch) stärken die Oberkörpermuskulatur - vergleichbar mit Skigymnastik.
Autsch: Kreuzschmerzen (sofort), Muskelkater, wegen der durchgestreckten Beine (morgen).
Das rät die Fitnessexpertin: Die unangenehme Haltung lässt sich kaum vermeiden. Helfen kann regelmäßiger Seitenwechsel beim Schieben. Dazwischen Beine ausschütteln und Arme nach oben strecken. Bei der Tasche immer wieder die Schulter wechseln oder lieber einen Rucksack nehmen - das entlastet den Rücken.
3. Wasserballett
Heute ist großer Badetag. Die beiden Jungs (7 und 2) und das Mädchen (4) sitzen mit stark verfilzten Haaren in der Wanne. Ihre Mutter steht mit gebeugten Knien auf Haaransatz-Höhe neben der Wanne. Einschäumen, einwirken lassen und dann nicht etwa schnell ausbrausen. Gespült werden darf nur mit einem eierbechergroßen Gefäß, die Wassertemperatur wird vorher von jedem Kind mit dem Finger geprüft.
Dauer der Prozedur: 30 Minuten oder bis die Oberschenkel so zittern, dass der Waschvorgang mit Schaum im Haar abgebrochen wird.
Sportlicher Einsatz: Trainiert die Oberschenkel wie Kniebeugen. Verbrauch ca. 35 Kilokalorien in 10 Minuten.
Autsch: Das geht auf die Gelenke.
Das rät die Fitnessexpertin: Sicheren Stand einnehmen (Hüfte leicht beugen, Beine hüftbreit auseinander, Bauchmuskeln anspannen, Bauch einziehen, Schultern nach unten). Den Rücken auch beim Hinunterbeugen möglichst gerade lassen. Immer wieder zwischendurch aufrichten, das Atmen nicht vergessen.
4. Einkaufsmarathon
Die Mutter hält mit der linken Hand den Jungen (2) fest, mit der rechten stützt sie von unten den Kinderwagen mit dem Mädchen (3 Monate) ab. Im Korb gerät der Wocheneinkauf im Drogeriemarkt (Windelpaket, Waschpulver, 5 Liter Biomilch) ins Rutschen. Quer über der Schiebestange liegt das Laufrad des großen Kindes. Zu stützendes Gesamtgewicht: 30 kg. Die Mutter hatte schon als Kind panische Angst vor Rolltreppen.
Sportlicher Einsatz: Training der Arme bei häufigen Fahrten - wie beim Gewichtheben. Kalorienumsatz: sehr gering, dafür ist die Zeit auf der Rolltreppe zu kurz. (ca. 10 Kilokalorien pro Minute).
Autsch: Bei langen Rolltreppen und häufigem Fahren drohen Verspannungen in Armen und im Nacken.
Das rät die Fitnessexpertin: Einkäufe in einem Rucksack tragen, das Gewicht trainiert so die Rücken muskulatur. Nach der Rolltreppe: auf jeden Fall Arme ausschütteln und dehnen.
5. Free Climbing
Die Mutter ist mit der älteren Tochter (3) auf dem Spielplatz. Im Ergobaby-Carrier schläft das Baby (6 Monate). Das große Kind (18 kg) klebt an einer Kletterwand und muss stabilisiert werden. Ihre Mutter stützt sie mit ausgestreckten Armen, gleichzeitig zieht das volle Babygewicht (8,5 kg) nach unten. Die Position wird für ungefähr 15 Minuten gehalten. (Schöner Erfolg für den Vater, der entspannt auf der Spielplatzbank sitzt und liest, seine Tochter aber beständig zu halsbrecherischen Kletterpartien animiert.)
Sportlicher Einsatz: Vergleichbar mit Hanteltraining. Gut für Arme, Bauch und Rückenmuskulatur. Verbrauch: ca. 50 Kilokalorien in zehn Minuten.
Autsch: Gewiss sind Genickstarre (sofort), Muskelkater und Kopfschmerzen (später).
Das rät die Fitnessexpertin: Sicheren Stand beim Kindstemmen einnehmen: Hüfte leicht nach vorn beugen, Beine hüftbreit auseinander, Bauchmuskeln anspannen, Rücken gerade, Bauch einziehen, Schultern nach unten. Die Arme sinken lassen und lockern - wenn das Kind gerade guten Halt hat. Das Baby dem Vater übergeben.
6. Auto-Rennen
Die Mutter kommt erhitzt mit dem Sohn (10 Monate) vom Babyschwimmen. Parkplätze in Schwimmbadnähe waren alle besetzt, zu bewältigende Strecke darum: 1 km.
Das Baby (9 kg, gefühlte 19 in diesem Moment) schläft völlig groggy im Maxi-Cosi, der über dem angewinkeltem linken Unterarm der Mutter hängt. In der rechten Hand trägt sie die Badetasche mit schweren nassen Badetüchern und Bademänteln von Mutter und Kind.
Sportlicher Einsatz: Geschätzter Verbrauch ca. 50 Kilokalorien. Trainiert auf Dauer Arme, Oberarme und Schultern - eine Art Nordic Walking mit Gewicht.
Autsch: Die Schultern verspannen, der Rücken schmerzt.
Das rät die Fitnessexpertin: Kind in den Tragesack oder ins Tragetuch. Auch die Badesachen lieber im Rucksack transportieren. Wenn nur der Maxi-Cosi möglich ist: Trageseiten wechseln, Pausen einlegen und Arme lockern.
Unsere Fitnessexpertin: Professor Dr. Dr. Christine Graf, Ärztin und Sportwissenschaftlerin. Sie leitet die Abteilung Bewegungsund Gesundheitsförderung an der Sporthochschule Köln und ist Vorsitzende des Sportärztebundes Nordrhein.