Es ist noch nicht lange her, da sprach man von Ärzten gern von Halbgöttern in Weiß. Und es gibt sie ja bis heute: Chefärzte, die ihre Kliniken wie Fürsten in der Feudalzeit regieren und auch entsprechend verdienen.
Jetzt aber hat die Ärzteschaft anscheinend ein neues Problem: die Feminisierung der Medizin! Während es Jahrhunderte dauerte, bis an den patriarchalen Strukturen im Gesundheitswesen nur ein wenig gekratzt werden durfte, ist dieser Trend schon jetzt Thema auf zahlreichen Fachtagungen: Der Frauenanteil unter den Medizinern steigt. 63 Prozent sind es unter den Studienanfängern, 56 Prozent unter den neu zugelassenen Ärzten.
Wie gut! Könnte man denken. Endlich trauen sich Frauen in einen Beruf, in dem sie ihre Fähigkeiten richtig zur Geltung bringen und dafür mit sicheren Arbeitsplätzen, Karrierechancen und gutem Verdienst entlohnt werden. Außerdem, so zeigen verschiedene Studien, sind Frauen manchmal ohnehin die besseren Mediziner: weil sie ihren Patienten und Patientinnen zuhören und mit ihnen sprechen.
Doch kaum sind Frauen mal ein bisschen auf der Erfolgsspur, wird Ihnen das schon wieder madig gemacht. "Frauen wollen helfen und psychosozial arbeiten - auch wenn sie dabei nicht so viel verdienen", so begründet, laut ZEIT online, die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes Astrid Bühren, warum der weibliche Anteil an der Ärzteschaft wächst. "Das hat etwas mit ihrem Helfersyndrom zu tun, sie setzen eher auf die Sinnhaftigkeit ihres Berufes", meint auch Cordelia Andresen, die Geschäftsführerin der Ärztekammer Schleswig-Holstein in einer norddeutschen Tageszeitung (Überschrift: "Frauen machen's billiger").
Und die Schweizer Weltwoche zitiert die Kinderärztin Barbara Buddeberg-Fischer mit den Worten: "Ich plädiere für eine gesunde Durchmischung, unter anderem auch im Interesse der Patienten, die die Wahl zwischen Arzt und Ärztin haben sollen." Die Folge der Feminisierung der Medizin, laut Weltwoche: "noch schlechtere Löhne, weniger Forschung, Personalmangel. Eine Abwärtsspirale."
Wie jetzt? Kaum werden Frauen Ärztinnen, ist es aus mit Glanz und Glamour dieses Berufes? Keine Segeljachten mehr, keine wehenden, weißen Kittel, keine Abschreibungsobjekte auf den Kanaren? Stattdessen Helfersyndrom, Selbstausbeutung und Niedergang der medizinischen Forschung?
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Es ist ja leider wahr: Ärztinnen verdienen nach fünf Jahren Berufserfahrung im Schnitt 500 Euro weniger als gleich gut qualifizierte männlichen Kollegen. 35 Prozent der Medizinerinnen erreichen nie einen Facharztabschluss - bei den Männern sind es nur 15. Und auch auf dem Weg in die Führungsetagen bleiben Frauen "irgendwie" auf der Strecke: Nur jede zehnte Chefarztstelle wird mit einer Frau besetzt.
Woran das liegt? "Frauen halten sich eher zurück und üben sich in Bescheidenheit", kritisiert Marianne Schrader, emeritierte Professorin der Lübecker Uniklink. Also sind wir mal wieder selbst schuld? Immerhin sind sich Experten und Funktionäre einig, wie man die Karrierechancen von Frauen in der Medizin verbessern könnte: mit familienfreundlichen Arbeitszeiten und Kinderbetreuungs-Angeboten, die mit dem Krankenhaus-Alltag vereinbar sind. Inzwischen wird auch klar, dass all das nötig werden wird: weil in den nächsten Jahre für Deutschland ein dramatischer Ärztemangel prognostiziert wird.
Genau darin steckt aber unsere Chance zum Fortschritt. Denn nur wenn mehr Frauen im medizinischen Alltag und der Forschung nicht nur tätig sind, sondern auch Einfluss nehmen können, bekommen weibliche Gesundheitsbelange endlich die Aufmerksamkeit, die ihnen zusteht.