Warum ist der Beckenboden so wichtig?
Ein gut trainierter Bizeps – davon träumen viele Frauen. Dabei gibt es in unserem Körper Muskeln, die weitaus wichtiger sind. Für unsere Gesundheit, unsere Energie, unsere Ausstrahlung und unsere Lebensfreude. Doch diese Muskulatur arbeitet im Geheimen, unbeachtet und tabuisiert – unsere Beckenbodenmuskulatur.
Selbst wer sie kennt, kümmert sich meist nicht um sie. Erst wenn sie schlappmacht, merken wir, was sie tagtäglich für uns leistet. Denn die handtellergroße, aus drei Schichten bestehende Muskulatur unseres Beckenbodens kann weit mehr, als unseren Beckenausgang wirksam zu verschließen. "Der Beckenboden (Pelvic) ist das Powerzentrum in der Mitte unseres Körpers", sagt Irene Lang-Reeves, Diplom-Biologin und Heilpraktikerin mit langjähriger Erfahrung in Körperpsychotherapie. "Wer ihn aktiviert, kann sein Leben komplett verändern. Man wird leistungsfähiger und fitter, ist besser drauf und fühlt sich einfach jünger."
Der Beckenboden verbindet Füße und Beine mit dem Oberkörper und richtet uns auf. Diese Muskulatur rund um das Schambein ist der Schlüssel zu allen unseren Bewegungen, zu guter Körperhaltung, zu Dynamik, stabilem Gleichgewicht und harmonischer Koordination – auch beim Sex. Ist sie in ihrer Funktion gestört oder arbeitet nur eingeschränkt richtig, kann das Folgen für den ganzen Körper haben.
Infos zum Beckenboden: Spannung im ganzen Körper
Ist sie kräftig und aktiv und machen wir regelmäßig Beckenbodentraining, baut sich im ganzen Körper eine gesunde Spannung auf. Unsere Bewegungen sind fließend, wir stehen fest auf der Erde, sind in den Schultern aber locker, offen und frei nach oben. "Bewege ich mich bewusst aus dem Beckenboden heraus, verändert sich der Tonus der gesamten Rumpfmuskulatur", so der Expertenrat von Irene Lang-Reeves. "In zwei Sekunden ist der Bauch flacher, die Innenseiten der Oberschenkel werden geliftet. Ich bin dynamischer, fühle mich wohler und sehe sofort besser aus."
Eine solche Haltung strahlt nicht nur Schönheit und Stärke aus, sie macht zudem psychisch belastbarer, stabiler, gelassener. Und sie versorgt uns mit Energie. Für die asiatischen Bewegungslehren nicht neu. Ob Yoga, Qigong oder Aikido, sie alle nutzen den aktiven Beckenboden – auch wenn sie diese Kraft anders nennen –, um den Fluss der Lebensenergie zu verbessern. "Messungen haben gezeigt", so die Expertin, "dass eine gezielte Anspannung des Pc-Muskels (Pubococcygeus-Muskel) im Beckenboden vermehrt Energie übers Rückenmark bis ins Gehirn strömen lässt. Ein aktiver Beckenboden funktioniert also wie eine Art Dynamo – durch Bewegung lädt er den ganzen Körper auf."
Beckenbodentraining im Fokus
Grund genug, die Beckenbodenmuskeln regelmäßig zu trainieren. Am besten, bevor sich die ersten Schwächen zeigen – vor allem, bevor der Östrogenabfall in den Wechseljahren ihn zu sehr erschlaffen lässt, und Inkontinenz ein Blasenvorfall oder eine Gebärmuttersenkung drohen. Und am besten so, dass das Beckenbodentraining in den Alltag integriert werden kann. Spazierengehen, Treppensteigen, Kistenheben, Gartenarbeit, das alles kann den Beckenboden trainieren, wenn wir erst einmal ein Gefühl für die notwendige Anspannung dort bekommen haben. Anfangs macht es deshalb Sinn, sich bewusst etwas Zeit fürs Üben zu nehmen, um diesen unbekannten Bereich des Körpers besser kennen zu lernen.
Beckenbodentraining: 7 Übungen mit Videos zum Nachmachen
Die sieben Übungen für das Beckenbodentraining des Programms, das Irene Lang-Reeves extra für BRIGITTE WOMAN zusammengestellt hat, sind dafür perfekt geeignet. Vieles davon ist alltagstauglich, es lässt sich später bequem zwischendurch absolvieren. Bei allen Übungen sollte das Becken fest werden, während Oberkörper, Schultern und Nacken frei und leicht bleiben. Wer das Gefühl hat, beim Anspannen des Beckenbodens größer, nach oben gezogen zu werden, macht es genau richtig.
Wer jedoch meint, beim Beckenbodentraining kleiner zu werden, und sich zusammengedrückt fühlt, presst mit den Bauchmuskeln, statt die Muskeln im Beckenboden anzuspannen. Dann ist weniger mehr: besser nur mit halber Kraft anspannen und sie erst langsam steigern. "Die Übungen sollten sich kraftvoll, aber nie unangenehm anfühlen", sagt die Beckenboden-Expertin. "Wer 'Lust an der Kraft' entdeckt, hat gewonnen. Unser Powerzentrum zu aktivieren tut sogar beim Üben richtig gut."
1. Die Tänzerin

- Setz dich auf deinen Stuhl, der Oberkörper ist gerade und nur ganz leicht nach vorn geneigt, die Füße stehen hüftbreit auseinander, das rechte Bein ist leicht nach außen gestellt. Der Körper ist auf dem Sprung. Diese dynamische Position aktiviert automatisch deine Körperbasis.
- Das kannst du noch wirkungsvoll verstärken: Atme ein.
- Dann ziehe mit dem Ausatmen deine Sitzbeinhöcker zusammen, spann den Beckenboden bewusst an und schieb dich von den Füßen her kraftvoll hoch in den Stand.
- Nach dem Aufstehen machst du sofort einen Schritt nach vorn zur Seite. So entsteht eine fließende Drehbewegung.
- Wenn du dich wieder hinsetzt, stellst du das linke Bein nach außen.
- Wiederhole den Ablauf zu jeder Seite zehnmal.
Je stärker du die Kraft deiner Muskeln im Becken nutzt, desto leichter ist diese Übung. Du fühlst dich schwungvoll und lebendig.
2. Tischzeit

- Nimm vor einem Tisch Platz. Er sollte so schwer sein, dass er sich nicht einfach wegschieben lässt.
- Setze dich wieder auf die Vorderkante des Stuhls, der Rücken ist aufgerichtet, das Becken leicht nach vorn geneigt, die Füße stehen in Schrittstellung.
- Atme ein und fass mit den Händen an die Tischkante.
- Atme aus, zieh deine Sitzbeinhöcker zusammen und drück kräftig gegen den Tisch. Dein Körperschwerpunkt sollte dabei im Beckenboden liegen, Schultern und Nacken bleiben locker. Die Füße dürfen mitarbeiten.
- Mit dem Einatmen löst du dann den Druck.
- Beim nächsten Ausatmen versuchst du, den Tisch zu dir heranzuziehen.
- Wiederhole diese Übung für den Beckenboden zehnmal im Wechsel.
Diese Übung für den Beckenboden lässt sich gut zwischendurch am Schreibtisch machen. Wer sie verstärken möchte, kann Druck und Zug jeweils einige Atemzüge halten – vielleicht sogar mit der maximal möglichen Kraft. Aber dabei immer schön locker im Oberkörper bleiben.
3. Schmetterling

Kraftübungen im Liegen sind optimal für den Muskelaufbau!
- Leg dich auf den Rücken und stell die Beine auf. Der Nacken ist lang, bei Bedarf legst du ein flaches Kissen unter den Kopf.
- Lass deine Beine in einer Grätsche locker auseinanderfallen, die Fußsohlen liegen aneinander. Diese Grätsche muss nicht sehr weit sein. Wer Probleme mit den Hüftgelenken hat, sollte sich Kissen unter die Knie packen.
- Wenn du bequem liegst, atmest du tief und entspannt in den Bauch ein.
- Beim Ausatmen schmiegst du deinen unteren Rücken bewusst an den Boden, spanne deinen Beckenboden kräftig an – die Sitzbeinhöcker streben aufeinander zu – und drück die Fußsohlen aneinander.
- Beim nächsten Einatmen entspannst du dich wieder. Wiederhole diese Bewegung zehnmal.
- Dann gönne deinem Beckenboden eine kleine Pause, bevor du eine zweite Runde anschließt.
4. Fersenpower

Noch eine Kraftübung:
- Wieder liegst du bequem auf dem Rücken, die Beine in hüftbreitem Abstand aufgestellt, Ober- und Unterschenkel bilden einen rechten Winkel.
- Stell die Fersen auf, die Zehen zeigen nach oben.
- Atme tief in den Bauch ein.
- Beim Ausatmen schmiegst du deinen unteren Rücken an den Boden, spannst den Beckenboden an, schiebst die Sitzbeinhöcker aufeinander zu und drückst gleichzeitig die Fersen kräftig senkrecht nach unten.
- Beim nächsten Einatmen löst du diese Spannung wieder, das Becken rollt zurück.
- Mache auch bei dieser Bewegung wieder zwei Runden mit je zehn Wiederholungen und einer kleinen Pause dazwischen.
5. Die Radlerin

Jetzt wird dein Beckenboden noch etwas kräftiger aktiviert.
- Beginne diese Übung wie "Fersenpower".
- Nachdem du den Beckenboden angespannt und die Fersen senkrecht nach unten gedrückt hast, hebst du das Becken und das rechte Bein – so angewinkelt, wie es ist – etwas vom Boden hoch. Deine Arme liegen als Stütze an der Seite des Körpers. Das Becken ist nur gekippt, nicht hochgerollt, und es sollte nicht zur Seite wackeln, wenn du das Bein anhebst.
- Atme weiter und halte die Spannung im Beckenboden etwa 20 Sekunden lang.
- Dann setzt du den Fuß ab und entspannst dich zwei bis drei Atemzüge lang.
- Wiederhole die Bewegung mit dem anderen Bein, insgesamt fünfmal mit jeder Seite.
Wer es dynamischer mag, kann mit dem gehobenen Bein Rad fahren – bitte in Zeitlupe, damit du die Spannung auch konzentriert halten kannst. Oder du streckst das gehobene Bein nach vorn aus und hältst es knapp über dem Boden. Die Spannung im Beckenboden sollte dabei erhalten bleiben.
6. Standwaage

Nach dem Krafttraining kommt jetzt die Koordination. Kannst du gut auf einem Bein stehen? Balance-Übungen sind perfekt für das Beckenbodentraining geeignet. Umgekehrt stabilisiert er den Körper und hilft dabei, das Gleichgewicht zu halten.
- Stell dich gerade und locker hin, die Beine etwas auseinander, die Knie leicht angebeugt.
- Aktiviere deinen Beckenboden, dann verlagere dein Gewicht auf dein linkes Bein und hebe langsam das rechte Bein an.
- Den Oberkörper beugst du gerade nach vorn. Achte darauf, dass der Rücken sich nicht rundet – dein Beckenboden würde dadurch seine Spannung einbüßen. Und überfordere dich nicht: Um den Beckenboden zu trainieren, ist es unwichtig, wie hoch du dein Bein streckst. Gehe nicht weiter, als du es mit sicherem Stand kannst.
- Versuche, das Bein 30 Sekunden in der Luft zu halten. Wenn du Bein und Fuß dabei etwas drehen und bewegen möchtest, ist das genauso in Ordnung. Oder du streckst das Bein abwechselnd aus und ziehst es wieder an. Wer mag, kann das Bein auch nach vorn weg strecken.
Spiel einfach mit dieser Bewegung – und deinem Beckenboden.
7. Aufsteigerin

Treppensteigen ist das ultimative Alltagstraining für deinen Beckenboden:
- Setze am besten nur den Vorfuß auf die Stufe, spann deinen Beckenboden an und benutze seine Kraft dazu, dich mit dem jeweils unteren Fuß abzustoßen.
- Wenn es dich richtig nach oben zieht, hast du den Bogen raus.
Du wirst staunen, wie energiegeladen und frisch du dich nach einem solchen dynamischen Aufstieg fühlst. Das ist das beste Beckenbodentraining im Alltag!