Ein paar Cocktails bei der Geburtstagsfeier der Freundin, ein Glas Sekt zum Jubiläum in der Firma, ungezählte Bierchen auf dem Konzert Freitagabend: Alkohol berauscht, lockert die Stimmung, macht uns mutiger und ausgelassener. Doch wer häufig trinkt, neigt dazu, seinen Konsum zu verharmlosen. Wann ist es zu viel?
Der aktuelle Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeichnet ein düsteres Bild: Weltweit starben 2012 rund 3,3 Millionen Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum oder von Gewaltakten und Verkehrsunfällen, die Betrunkene verursachen. 5,9 Prozent aller Todesfälle gehen auf Alkohol zurück - das sind mehr als alle Aids- und Tuberkulose-Toten zusammen. Mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung trinkt; im Schnitt sind es 17 Liter reiner Alkohol pro Jahr.
Auch andere Studien sind besorgniserregend: Mittlerweile sind rund 1,8 Millionen Deutsche alkoholabhängig - eine halbe Million mehr als noch 2006. Hinzu kommen etwa 1,6 Millionen Deutsche, die übermäßig viel Alkohol konsumieren. Dabei sind die Grenzen zwischen Genuss, Missbrauch und Sucht meist fließend. Die Anzeichen für einen kritischen Alkoholkonsum entwickeln sich über Jahre hinweg und äußern sich bei jedem Betroffenen anders.
Warnsignale gibt es dennoch: Wenn wir Alkohol trinken, um seelische Belastungen besser zu ertragen und wenn wir ihn brauchen, um uns wohlzufühlen, stimmt etwas nicht. Zum Problem wird das nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für Familie und Freunde. Schätzungsweise acht Millionen Menschen leiden in Deutschland mit, wenn der Alkoholkonsum eines Angehörigen außer Kontrolle gerät.
Alkohol: Fragen und Antworten zu Missbrauch, Sucht und Therapie
Wie wirkt Alkohol in unserem Körper?
Alkohol dringt über die Schleimhäute von Magen und Dünndarm ins Blut und verteilt sich in unserem Organismus. Er beeinflusst unser Bewusstseinszentrum im Gehirn, betäubt unsere Nervenzellen und senkt deren Reiz- und Leitfähigkeit. Wie stark Alkohol wirkt, ist bei jedem anders. Bei Frauen findet sich allerdings oft eine höhere Alkoholkonzentration im Blut als bei Männern, wenn sie die gleiche Menge trinken.
Wie schädlich ist Alkohol?
Ein Glas Wein, Bier oder Schnaps täglich schadet unserer Gesundheit noch nicht. Männer können sogar die doppelte Menge bedenkenlos trinken. Um Ihre Gesundheit nicht zu gefährden, sollten Sie aber an zwei Tagen in der Woche ganz auf Alkohol verzichten. Denn auch ein mäßiger Konsum mindert unsere Leistungsfähigkeit und unser Reaktions- und Konzentrationsvermögen.Bei Alkoholmissbrauch verfettet und verhärtet unsere Leber. Auch die Wahrscheinlichkeit von Herzmuskelerkrankungen oder Bluthochdruck steigt. Wer Alkohol langfristig missbraucht, erhöht sein Risiko, eine Krebserkrankung, einen Schlaganfall oder eine Herzrhythmusstörung zu bekommen.
Wie erkenne ich, dass ich alkoholabhängig bin?
Eine Alkoholabhängigkeit entwickelt sich meist schleichend und kann sich bei jedem Betroffenen anders bemerkbar machen. Dass Sie abhängig sind, erkennen Sie daran, wenn Sie den Konsum nicht selbstbestimmt beenden oder unterbrechen können, ein Verlangen nach Alkohol haben, um Probleme zu bewältigen, und auch alleine und heimlich trinken. Kommen dann noch körperliche Entzugserscheinungen wie Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Zittern und Angst hinzu, befinden Sie sich bereits in einem gefährlichen Stadium der Abhängigkeit.
Was kann ich tun, wenn jemand aus dem Freundeskreis oder der Familie alkoholabhängig ist?
Experten sagen: Die beste Hilfe ist, nicht zu helfen. Das klingt hart. Es kann den Betroffenen aber eher aus seiner Sucht führen als ein ewiger Kampf gegen den Griff zur Flasche. Erst, wenn der Betroffene seine Abhängigkeit selbst erkennt, die Verantwortung dafür übernimmt und Hilfe sucht, sollten Sie ihn unterstützen. Akzeptieren Sie, dass es sich um eine Krankheit handelt und die Sucht nicht Ihr Verschulden ist. Vorwürfe an den Betroffenen sind genauso sinnlos wie der Versuch, Alkohol zu verstecken oder zu entsorgen. Kündigen Sie an, wenn Sie etwas gegen das Verhalten Ihres Angehörigen unternehmen wollen - und bleiben Sie konsequent! Nur dann spürt der Betroffene, dass er sich in einer ausweglosen Situation befindet.
Wie spreche ich mit meinen Kindern über Alkohol und Alkoholmissbrauch?
Welches Verhältnis wir zu Alkohol haben, entscheidet sich oft schon in sehr jungen Jahren. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem Alkoholkonsum als Elternteil ist darum wichtig. Bei Kindern unter zwölf Jahren ist noch kein ausführliches Gespräch nötig. Zeigen Sie sich aber glaubwürdig: Ein Kind sollte nie den Eindruck gewinnen, dass Alkohol ein Allzweckmittel gegen Probleme oder für gute Stimmung ist. Im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren entwickeln Kinder und Jugendliche ein Interesse an Alkohol. Sie testen ihre Grenzen aus und teilen auch nicht mehr jedes Geheimnis mit dem Vater oder der Mutter. Auch wenn es manchmal schwer fällt - bleiben Sie interessiert und offen! So weiß Ihr Kind, dass es im Zweifel zu Ihnen kommen kann. Weiterführende Informationen erhalten Sie auch in der Broschüre Alkohol - reden wir darüber. Ein Ratgeber für Eltern. Ist Ihr Kind über 16 Jahre alt, kann es Bier und Wein kaufen und kommt oft auch schon an Schnaps heran. Übermäßigen Alkoholkonsum sollten Sie nicht unkommentiert hinnehmen, denn auch Jugendliche brauchen Grenzen. In diesen Momenten ein offenes und vertrauensvolles Gespräch zu suchen, ist dabei ebenso sinnvoll wie die gesundheitlichen Schäden eines Vollrauschs zu erklären. Stellen Sie klare Regeln auf: Wie oft ist Alkohol erlaubt? Wie viel darf Ihr Kind trinken? Welche Anlässe eignen sich? Finden Eltern gar keinen Zugang zu Ihrem Kind, können sie Hilfe bei Beratungsstellen suchen. Eine Übersicht über Beratungsstellen finden Sie hier
An wen können sich Betroffene wenden?
Wenn Sie feststellen, dass es so nicht weiter geht und Sie Hilfe brauchen, haben Sie mehrere Möglichkeiten: Der Hausarzt kann zum Beispiel erklären, wie ein Entwöhnungsprozess abläuft und auf Wunsch eine Überweisung in ein Krankenhaus ausstellen. Dort wird der Körper zunächst entgiftet. Zudem gibt es bundesweit mehr als 1.300 psychosoziale und Sucht-Beratungsstellen, die Ihnen helfen können, den für Sie richtigen Weg zu finden. Gefährlich ist eine Entgiftung auf eigene Faust: Entzugserscheinungen wie Krampfanfälle können lebensbedrohlich sein und müssen dann schnell von einem Arzt behandelt werden.
Gibt es auch Hilfe für Angehörige?
Fast alle Beratungsstellen und Selbsthilfeorganisationen bieten nicht nur den Abhängigen, sondern auch ihren Kindern, Partnern und Freunden in kostenlosen Sitzungen Hilfe an. Rund 7.900 Anlaufstellen gibt es derzeit in Deutschland. Eine Liste der Institutionen finden Sie auf der Internetseite der Aktionswoche Alkohol
Wie läuft eine Therapie ab?
Eine Alkoholtherapie unterteilt sich meist in mehrere Abschnitte. Wer erkannt hat, dass er alkoholabhängig ist und Hilfe braucht, macht zuerst einen Entzug. Ist die Angst vor dem Entzug besonders groß, empfiehlt sich eine stationäre Entgiftung in einer Fachklinik oder einer psychiatrischen Klinik. Der Vorteil ist, dass dort nicht nur der Körper entgiftet wird, sondern auch begleitende Gespräche möglich sind, um den psychischen Zustand des Betroffenen zu stabilisieren. Eine Alternative bietet der ambulante Entzug: Einmal täglich melden Sie sich zu einer Untersuchung bei Ihrem Hausarzt oder einem anderen Arzt, dem Sie vertrauen. Bei Bedarf erhalten Sie dort Medikamente, um die Entzugserscheinungen zu lindern. Beide Entgiftungsmöglichkeiten dauern etwa zwei Wochen.Der Heilungsprozess ist damit nicht abgeschlossen. Die so genannte Entwöhnung beginnen Sie am besten direkt im Anschluss. Auch hier haben Sie die Wahl zwischen ambulant oder stationär. Psychosoziale Einrichtungen bieten ambulante Behandlungen an. Über einen Zeitraum von ein bis anderthalb Jahren steht Ihnen mehrmals wöchentlich ein Therapeut zur Seite. Er bespricht mit Ihnen Ursachen, Verlauf und Lösungen für Ihre Alkoholabhängigkeit. Die stationäre Entwöhnungstherapie in einer Fachklinik dauert nur zwei bis vier Monate. Mehr Distanz zu dem früheren Umfeld und eine Betreuung rund um die Uhr sollen den Betroffenen die Heilung erleichtern.Auskünfte rund um die Entwöhnungstherapie gibt es unter diesen Telefonnummern: BZgA-Info-Telefon: 0221 892031 Sucht und Drogen Hotline: 01805 313031
Wer übernimmt die Kosten einer Therapie?
Für die Kosten des zwei- bis dreiwöchigen Entzugs kommt bei gesetzlich Versicherten die Krankenkasse und bei Sozialhilfeempfängern der Sozialhilfeträger auf. Schwerer haben es Privatversicherte. Ihre Versicherungen betrachten Alkoholismus meist als selbst verschuldete Krankheit und klammern eine Kostenübernahme schon im Vertrag aus. Teilweise können Sie aber auf eine Kostenübernahme auf Kulanzbasis hoffen.Anders ist es bei der Entwöhnungstherapie: Alle, die vorher Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben, können ihren Antrag auf Kostenübernahme direkt an den Rentenversicherungsträger richten. Sozialhilfeempfänger erhalten die gleiche Hilfe wie gesetzlich Versicherte, wenden sich jedoch an den Sozialhilfeträger oder ihre Krankenkasse. Bei Kindern oder Jugendlichen werden die Behandlungskosten nur dann übernommen, wenn die Eltern vorher Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Als Privatversicherter sind Sie dagegen auch hier meist von der Kulanz ihrer Versicherung abhängig.
Was passiert nach der Therapie?
Besonders in den ersten Monaten ist die Gefahr eines Rückfalls groß - vor allem dann, wenn es an Rückhalt in der Familie oder in der Partnerschaft fehlt, wenn der Betroffene keinen festen Wohnsitz hat oder wenn die Arbeitssituation unklar ist. Auch, wer einsam ist und sich langweilt, kann schnell wieder rückfällig werden. Doch egal, ob Rückfall oder nicht: Selbsthilfegruppen sind sinnvoll. Bei den meist wöchentlichen Treffen können sich die Teilnehmer sowohl über Erfolge als auch über Misserfolge austauschen. Die Erfahrungen anderer geben Hoffnung und helfen dabei, sein Leben dauerhaft zu ändern.