Im Winter befindet sich unser Stoffwechsel auf dem Tiefpunkt. Dann fehlen uns Sauerstoff und Licht - beides Zutaten, die den Stoffwechsel in Schwung bringen. Doch wie wirkt sich der Stoffwechsel auf unser Wohlbefinden aus? Die Vorgänge in den Zellen, die den Stoffwechsel bestimmen und Nahrungsmittel in Energie umwandeln, können rundlaufen oder holpern, sich auf niedrigem Niveau oder mit Vollgas abspielen. "Genau so, wie es Autos mit vielen PS und solche mit schwachem Motor gibt", sagt Prof. Ingo Froböse, Leiter des Kölner Zentrums für Gesundheit.
Die starken Sportwagen verbrauchen selbst an der Ampel viel Energie. Und das ist beim Menschen nicht anders: Wenn der Stoffwechsel super läuft, kann man beim Essen auch mal reinhauen, ohne dass es sich auf der Taille niederschlägt. Doch das ist nicht alles: Ein gut motorisiertes Auto kommt auch besser von der Ampel weg, hat also mehr Brennstoff zur Verfügung. Darum ist ein aktiver Stoffwechsel der beste Garant dafür, dass man sich wach und fit fühlt.
1. Was ist genau mit Stoffwechsel gemeint?
Der Stoffwechsel umfasst die Gesamtheit der biochemischen Prozesse, die im Körper ablaufen - wie er also aus Nudeln verwertbare Energie für die Zellen macht und die darin enthaltenen Vitamine und Nährstoffe genau dort einbaut, wo sie benötigt werden. Das Speichern von überschüssiger Energie als Fett gehört natürlich auch dazu. All diese Prozesse werden gesteuert von Botenstoffen, Hormonen und Enzymen, die die einzelnen Reaktionen erst ermöglichen.
2. Wo genau liegt der Unterschied zum Kreislauf?
Wenn man beim Losrennen das eigene Herz schlagen spürt, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass der Kreislauf in Schwung kommt. Aber heißt das auch, dass der Stoffwechsel angekurbelt wird? Ja, sagt Ingo Froböse. Man kann sich das Herz-Kreislauf-System wie ein Versorgungsunternehmen für den Körper vorstellen, das seine Güter (Sauerstoff, Zucker, Fette, Mineralien, Vitamine oder auch Abwehrzellen) per Schiff transportiert, nämlich schwimmend in den Blutbahnen. Wenn man seinen Kreislauf anregt, bedeutet das, dass das Blut schneller fließt, sodass die Schiffe rascher vorankommen und die nötigen Nährstoffe eher bei den Zellen sind. Der eigentliche Stoffwechsel findet dann dort statt.
3. Fördert Sport einen aktiven Stoffwechsel?
Jein. Es mehren sich Studien, nach denen selbst Sportler ein hohes Krankheitsrisiko haben können. Nämlich genau dann, wenn sie - ganz unabhängig davon, wie oft sie zum Training gehen - viel Zeit im Sitzen verbringen. Um unglaubliche 73 Prozent (!) erhöhen Untersuchungen zufolge lange Phasen körperlicher Inaktivität das Risiko für ein sogenanntes "metabolisches Syndrom", die Vorstufe von Diabetes. Mehr als sechs inaktive Stunden täglich bedeuten allgemein ein 40 Prozent höheres Risiko, innerhalb der nächsten 15 Jahre zu sterben.
Noch einmal, weil es so schwer zu glauben ist: Diese Effekte gelten für diejenigen, die regelmäßig trainieren, genauso wie für erklärte Sportmuffel. Das lange Sitzen jeden Tag lässt sich durch die eine Stunde im Studio oder den 30-Minuten-Lauf am Abend leider nicht kompensieren, so die wichtige Erkenntnis der vergangenen Jahre. Es kommt also wesentlich mehr auf die Bewegung im Alltag an als früher angenommen.
4. Was macht ein Tag auf dem Bürostuhl mit mir?
Spätestens nach ein paar Stunden vor dem Computer, auf dem Sofa oder im Auto fährt der Stoffwechsel vollkommen herunter. "Nicht nur der Kalorienverbrauch ist dann sehr gering", sagt Sportwissenschaftlerin Dr. Birgit Sperlich. "Auch der feine Regelkreis der Enzyme und Botenstoffe kommt ins Stocken." Das Enzym Lipoproteinlipase zum Beispiel ist in bewegungslosen Phasen weniger aktiv, dadurch gerät der Fettstoffwechsel durcheinander, die Muskeln nehmen geringere Mengen an Fetten (Triglyzeriden) auf, um sie zu verbrennen. Außerdem wird das gute HDL-Cholesterin zurückgefahren.
Die gute Nachricht: Es deutet einiges darauf hin, dass es nicht viel braucht, um gegen diese Effekte anzugehen. Schon wer nur einmal in der Stunde aufsteht und fünf Stockwerke rauf und runter läuft, verbraucht nicht nur 600 Kalorien mehr pro Arbeitswoche; die Studienteilnehmer in Birgit Sperlichs aktueller Untersuchung fühlten sich damit auch deutlich wohler.
5. Muss ich dann überhaupt joggen oder Muskeln trainieren?
Besser ist das. Muskeln sind nämlich noch wichtiger, als viele Experten meinen, sagt Froböse: "Die Bedeutung der Muskulatur ist jahrzehntelang massiv unterschätzt worden. Sie ist der wichtigste Stoffwechselaktivator überhaupt." Denn auch wenn man sie gerade nicht beansprucht, verbrauchen Muskeln je nach Trainingszustand etwa 30-mal mehr Energie als Fettgewebe. Mit mehr Muckis können deshalb ein paar hundert Kalorien am Tag zusätzlich verbrannt werden, auch ohne sich zu bewegen.
Aber Muskeln können noch viel mehr. Seit ein paar Jahren ist bekannt, dass sie selbst Botenstoffe produzieren und freisetzen, sobald sie beansprucht werden: die sogenannten "Myokine". Über diese kommuniziert die Muskulatur mit dem Rest des Körpers. Das Myokin "Interleukin 6" zum Beispiel kann die Fettverbrennung ankurbeln und dafür sorgen, dass das Hormon Insulin wieder besser wirkt, die Zellen also wieder mehr Zucker aufnehmen. Vieles deutet darauf hin, dass die erwiesenen positiven Effekte von Sport - er stärkt die Abwehr, beugt Krebs vor, hilft bei Diabetes, Demenz oder Depressionen - durch Myokine vermittelt werden.
6. Warum ist es so wichtig, dass der Stoffwechsel im Gleichgewicht ist?
Weil die Gesamtheit der biochemischen Vorgänge im Körper nichts anderes ist als unsere Gesundheit. Nur, wenn all die Botenstoffe, Hormone und Enzyme, die die einzelnen Prozesse in den Zellen regulieren, auch wirklich ihren Job machen können, läuft alles rund. Ansonsten kann der Organismus aus dem Ruder geraten. Und gerade weil die einzelnen Vorgänge so eng ineinandergreifen, zieht eine Störung die nächste nach sich, wie etwa beim metabolischen Syndrom: Übergewicht geht sehr oft mit Bluthochdruck, erhöhten Blutzucker- und Blutfettwerten einher, der Fett- und Energiestoffwechsel "entgleist".
Hormone haben außerdem einen großen Einfluss auf die Figur: Sie regeln etwa, wann das Hungergefühl einsetzt, und bestimmen, an welchen Körperstellen sich Fett festsetzt. Und das ist nicht alles: Es gibt Hinweise darauf, dass der durch Inaktivität verursachte Spar-Stoffwechsel die Wahrscheinlichkeit steigert, Eierstock- oder Darmkrebs zu bekommen, genau wie Gallensteine oder psychische Probleme. Es sieht also danach aus, als würde ein lahmgelegter Stoffwechsel viel mehr bewirken als "nur" unsere Figur zu ruinieren.
7. Wie groß ist der Einfluss der Gene auf den Stoffwechsel?
Wie gut der Stoffwechsel läuft, bestimmt auch die Erbinformation, die wir von Geburt an in uns tragen - zu rund 30 Prozent, so Froböse, wenn man mal von speziellen Gendefekten absieht. Der weitaus größere Teil lässt sich also durch den Lebensstil beeinflussen. "Man kann den Stoffwechsel nach oben tunen, aber auch herabwirtschaften", so Froböse. "Das wissen die meisten Leute nicht, sondern meinen, wie viel Energie sie umsetzen, das sei immer gleich."
8. Kann ich mit meiner Ernährung den Stoffwechsel beeinflussen?
Der größte Fehler ist, zu hungern. Schon ein paar Tage haben verheerende Wirkung. "Wenn der Organismus in eine Unterversorgung gerät, fährt er die Stoffwechsel-Aktivität der inneren Organe so weit wie möglich runter", sagt Froböse. Ein solcher Sparmodus verbraucht viel weniger Energie. Außerdem baut der Körper die größten Energieverbraucher ab - die Muskeln.
Kalorien dauerhaft zu reduzieren ist daher äußert problematisch: zum einen, weil das Abbauen von Muskulatur den Grundumsatz noch weiter reduziert. Zum anderen, weil der Sparmodus länger anhält als die Hungerphase - die Folge ist der Jojo-Effekt. Wer schon mehrere Diäten hinter sich hat, sollte erst mal seinen Grundumsatz checken (beim Sportmediziner) und ihn gezielt pushen. Besser als hungern ist es, die Energiedichte der Nahrung zu senken. Satt werden wir nämlich auch mit kalorienarmen Lebensmitteln, wenn die Menge den Magen füllt.
9. Wie bekomme ich den Stoffwechsel so richtig in Schwung?
Recken und strecken ist angesagt! "Die Muskeln anzuspannen und zu dehnen erhöht sofort die Durchblutung und verbessert damit die Nährstoffversorgung in den Zellen", so Froböse. Ein weiterer Tipp: Heizung ausstellen. Eine der wichtigsten Aufgaben des Stoffwechsels ist es nämlich, den Körper immer etwa 36,6 Grad warm zu halten. Je wärmer wir es haben, desto weniger muss er von selbst dafür arbeiten.
Der einfachste Trick aber ist: einmal tief durchatmen. "Sauerstoff ist ein ganz wichtiger Stoffwechsel-Aktivator, das Lebenselixier für die Zelle", sagt Froböse. Jede Einzelne braucht ihn, um Blutzucker und -fette so aufzubereiten, dass Muskeln und andere Organe die Energie verbrauchen können. "Wenn wir im ungelüfteten Büro arbeiten, ist oft gerade mal genug davon da, um den größten Sauerstoff-Abnehmer, das Gehirn, ausreichend zu versorgen", so Froböse. Die anderen Körperzellen bekommen nicht genug ab, sodass sie ihren Stoffwechsel drosseln müssen.
Also: Öfter mal ans Fenster oder 15 Minuten spazieren gehen. Damit der Sauerstoff aber auch in den Zellen ankommen kann, muss dem Körper genug Eisen zur Verfügung stehen. "Gerade Frauen und Sportler haben einen erhöhten Bedarf, sie sollten einmal jährlich testen lassen, wie es um ihren Eisen- und Ferritin-Spiegel steht", so Prof. Froböse.
10. Warum ist Ferritin wichtig?
Ferritin ist ein Protein, das Eisen bindet und einen Rückschluss darauf zulässt, wie voll die Eisenspeicher in Leber, Milz und Knochenmark sind. Oft wird im Labor nur der Hämoglobin-Wert bestimmt, der erst absinkt, wenn der Eisenmangel schon stark fortgeschritten ist.
Diese Hormone beeinflussen den Stoffwechsel
Serotonin
Dafür ist es da: Serotonin löst schöne Gefühle aus. Man kennt es vor allem als Glückshormon, aber es macht auch satt und hilft beim Entspannen.
So können Sie es beeinflussen: Einfach als Tablette schlucken, das wär's? Leider nicht, denn aus dem Blut gelangt Serotonin nicht bis ins Gehirn. Man kann nur dafür sorgen, dass das zentrale Nervensystem und das Hirn alles haben, was sie zur Herstellung brauchen, also vor allem genug von der Aminosäure Tryptophan. Sie kommt vor allem in Fleisch, Milch, Bananen (und Schokolade) vor.
Leptin
Dafür ist es da: Leptin, in den Fettzellen gebildet, ist auch als "Sättigungshormon" bekannt, denn es hemmt das Hungergefühl. Leider gilt das nur für schlanke Menschen. Je mehr Speck auf den Rippen, desto eher wird das Hormon zwar ausgeschüttet, bleibt aber ohne die erwünschte Wirkung - Fachleute sprechen von einer Leptin-Resistenz und vermuten, dass entzündliche Prozesse der Andockstellen für Leptin im Gehirn dessen Effekt verhindern.
So können Sie es beeinflussen: Bewegen Sie sich! Körperliche Aktivität bildet die Leptin-Resistenz zurück. Es ist auch sinnvoll, weniger Wurst, Backwaren und Chips zu essen, denn sie enthalten viele gesättigte Fettsäuren. Diese befördern die Resistenz vermutlich.
Irisin
Dafür ist es da: Das Hormon zählt zu den Myokinen und steigert den Energieverbrauch, indem es weißes Fett in braunes umwandelt. Braunes Fettgewebe kann gespeicherte Energie direkt zu Wärme verbrennen. Lange ging man davon aus, dass nur Babys solches Fett haben, um nicht auszukühlen. Wie Irisin das schafft? Es aktiviert in den weißen Fettzellen Gene, die daraufhin die Eigenschaften der braunen annehmen.
So können Sie es beeinflussen: Wie alle Myokine wird Irisin genau dann vom Muskel freigesetzt, wenn er sich kontrahiert, sprich: Wenn er gebraucht wird. Das heißt aber nicht, dass Sie Hanteln stemmen müssen. Wer auf den Fahrstuhl verzichtet und per Fahrrad zur Arbeit kommt, kurbelt auch schon seine Irisin-Produktion an.
Insulin
Dafür ist es da: Insulin wird nach jeder Mahlzeit ausgeschüttet und schleust Zuckermoleküle aus dem Blut in die Zellen. Gelangt mehr Energie hinein, als der Körper braucht, baut Insulin das Zuviel in Fett um. Noch problematischer: Eine überschießende Insulin-Ausschüttung kann zu einer Unterzuckerung führen, bei der zu viel Zucker in die Zellen gelangt und zu wenig im Blut verbleibt. Den niedrigen Blutzuckerspiegel spüren manche Menschen dann als enormen Appetit, vor allem auf Süßigkeiten.
So können Sie es beeinflussen: Lassen Sie die Finger von Süßigkeiten, Zucker und Softdrinks und setzen Sie auf Vollkornprodukte. Denn darin stecken komplexe Kohlenhydrate, aus denen der Zucker verzögert freigesetzt wird, so dass der Körper insgesamt weniger Insulin benötigt. Und verkneifen Sie sich das Essen zwischendurch, denn es verhindert, dass der Insulinspiegel richtig absinken kann. Ein dritter Tipp: Kauen Sie langsam. Kauen regt die Darmschleimhaut an, so genannte Incretine zu bilden - das sind körpereigene Botenstoffe, die die Magenentleerung verlangsamen und so verhindern, dass übermäßig viel Insulin auf einmal benötigt wird.
Cortisol
Dafür ist es da: Das wichtigste Stresshormon im Körper mobilisiert Blutzucker aus den Zellen und sorgt so dafür, dass wir nicht essen müssen, wenn wir unter Strom stehen, und dabei trotzdem reichlich Energie haben. Eine sinnvolle Sache, wenn man wie unsere Vorfahren auf Stress mit Flucht oder Kampf reagieren musste. Heute sind wir aber eher am Schreibtisch unter Druck, und Cortisol ist ein echter Dickmacher geworden: Denn gerade im Stress bewegen wir uns selten und essen aus purer Nervosität. Die Folge: zu viel zur Verfügung stehende Energie, die vor allem in das gefährliche Bauchfett wandert.
So können Sie es beeinflussen: Lernen Sie zu entspannen - das senkt den Cortisolspiegel. Empfehlenswert sind die bewährten Entspannungsmethoden wie autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Ausreichend Schlaf hilft übrigens ebenfalls, genau wie Sport: Regelmäßige Bewegung baut zuverlässig Stress ab.
Wachstumshormon
Dafür ist es da: Das Wachstumshormon regt auch bei Erwachsenen die Bildung neuer Körperzellen an, um zum Beispiel abgestoßene Hautzellen zu ersetzen oder beschädigtes Organgewebe zu reparieren. Zudem stellt es die nötige Energie dafür bereit. Und, ganz wichtig in Sachen Figur: Es bestimmt auch, wie viel Fett der Körper speichert. Zu wenig Wachstumshormon sorgt dabei vor allem für mehr gefährliches Bauchfett. Und das ist noch nicht alles: Ein Mangel an diesem Hormon reduziert die Muskelmasse und schraubt so nach und nach den Grundumsatz nach unten, so dass man noch leichter zunimmt.
So können Sie es beeinflussen: Sorgen Sie für ruhige Nächte, denn das Wachstumshormon wird vor allem im Tiefschlaf gebildet, der nur zwischen etwa 23 und 3 Uhr nachts abläuft. Weiterer Tipp: Ernähren Sie sich proteinreich. Der Eiweißbaustein Arginin stimuliert die Produktion des Wachstumshormons.