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Gute Gene - oder schwieriges Erbe?

Krampfadern, Osteoporose, Asthma und Co.: Was Sie über Ihre Familiengeschichte wissen sollten und wie Sie bei einer Vorbelastung vorbeugen können.

Gibt es in unserer Familie ein Herzinfarkt-Risiko?

Eine Veranlagung zu Gefäßerkrankungen wie Herzinfarkt oder auch Schlaganfall kann man tatsächlich ebenso erben wie eine Stupsnase. Ein herzkranker Opa ist jedoch kein Grund zur Sorge. Von einer familiären Vorbelastung (im Fachjargon: positive Familienanamnese) gehen Ärzte nur aus, wenn Vater oder Bruder vor dem 55. Lebensjahr einen Infarkt hatten bzw. Mutter oder Schwester vor dem 65. Lebensjahr. Das erhöht das eigene Risiko um etwa 50 Prozent.

Wissen sollte man, ob ein Elternteil wegen deutlich erhöhter Cholesterinwerte oder hohem Blutdruck in Behandlung ist. Diese beiden Hauptrisikofaktoren für Gefäßerkrankungen werden in gewissem Umfang ebenfalls vererbt - wie auch die Neigung zu Nikotinsucht und Übergewicht.

Was kann ich tun? Regelmäßig den LDL-Cholesterinwert checken lassen, auch schon unter 35 Jahren (LDL ist das gefäßschädigende Fett). Ein Wert über 160 ist bei familiärer Vorbelastung besonders kritisch. Auch Blutdruck und Blutzuckerspiegel sollte man besonders im Auge haben. Durch vollwertige Ernährung, ausreichend Bewegung, wenig Stress und viele Freunde lässt sich das Infarktrisiko deutlich senken. Einen Risiko-Check kann man beim Hausarzt oder unter www.chd-taskforce.com machen.

Hattest du mal Probleme mit der Schilddrüse?

Etwa 13 Prozent der Bevölkerung leiden unter einer Schilddrüsenunterfunktion, darunter mehr Frauen als Männer. Besonders häufig ist die sogenannte Hashimoto Thyreoiditis schuld, eine Autoimmun-Erkrankung, die die Schilddrüse schwächt. "Ich gehe davon aus, dass 80 Prozent der Betroffenen diese Krankheit geerbt haben", sagt die Schilddrüsen-Expertin Leveke Brakebusch.

Typische Anzeichen dafür sind: unerklärliche Gewichtsschwankungen, ständige Antriebslosigkeit, Haarausfall, einschlafende Hände, Gereiztheit, depressive Verstimmungen, ja sogar Panikattacken. Die Symptome sind jedoch so unterschiedlich, dass die Krankheit oft ganz lange nicht erkannt wird. Wenn man mehrere Symptome an sich beobachtet und merkt, dass etwas spürbar anders ist als sonst, sollte man zum Arzt gehen. Das gilt vor allem nach starken Hormonschwankungen (Absetzen der Pille, Geburt, Wechseljahre), die die Krankheit oft auslösen. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann darüber hinaus die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.

Was kann ich tun? Den TSH-Wert bestimmen lassen (zahlt die Kasse) - TSH ist das Hormon, das die Schilddrüse steuert. Bei einer Unterfunktion ist dieser Wert erhöht. Mit Hormontabletten kann man leicht gegensteuern. Wer ganz sicher gehen will, sollte das Blut auch auf die Schilddrüsenhormone T3 und T4 sowie Antikörper checken sowie einen Ultraschall der Schilddrüse machen lassen. Das übernimmt die Kasse nur bei Beschwerden. Jod übrigens, das vor einer Jodmangel-Unterfunktion der Schilddrüse schützt, fördert eine Hashimoto Thyreoiditis. Jodtabletten sollte man deshalb meiden.

Ist jemand in der Verwandtschaft zuckerkrank?

Gehören blutsverwandte Onkel, Tanten, Oma oder Opa zu den etwa 8 Prozent der Bevölkerung, die unter Diabetes leiden (meistens ist es Typ II), hat man die Anfälligkeit für die Zuckerkrankheit möglicherweise geerbt. Sind Mutter oder Vater zuckerkrank, steigt das Risiko immerhin um 30 bis 40 Prozent. Haben beide Diabetes, ist es sogar um 60 bis 70 Prozent erhöht, wenn weitere Risikofaktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel und unausgewogene Ernährung dazukommen.

Bis Diabetes entdeckt wird, dauert es oft lange, da die Stoffwechselstörung zunächst wenige Beschwerden verursacht. Bereits in der Vorphase aber steigt das Risiko, auch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen. Schwierig wird es, wenn Sie schwanger sind. Denn bleibt ein Schwangerschaftsdiabetes unentdeckt, werden die Babys oft zu groß, neigen ihr Leben lang zu Übergewicht, es kann Probleme bei der Geburt geben. Übrigens legt eine aktuelle Studie nahe, dass auch Babys mit einem besonders niedrigen Geburtsgewicht ein erhöhtes Diabetes-Risiko haben. Fragen Sie Ihre Mutter also auch einmal, was Sie selbst eigentlich wogen, als sie auf die Welt kamen.

Was kann ich tun? Schwangere sollten zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche einen Blutzuckerbelastungstest machen (keine Kassenleistung, Kosten: 30-50 Euro) - die sicherste Methode, Diabetes festzustellen. Ab dem 35. Lebensjahr sollte man alle zwei Jahre einen Blutzuckertest machen (gehört zum kostenlosen Check-up), stark Übergewichtige sollten dies eventuell bereits vorher. Ansonsten hilft oft schon eine Umstellung der Lebensgewohnheiten zur Vorbeugung: auf Normalgewicht achten, fettarm und ballaststoffreich essen, ausreichend bewegen.

Kriege ich auch mal Krampfadern?

Auch wenn Sie das jetzt nicht so gern hören werden: Hat Ihre Mutter (oder auch Ihr Vater) Krampfadern, wurde Ihnen die Veranlagung dazu mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls in die Wiege gelegt. Genauer: eine Bindegewebsschwäche, die dazu führt, dass die Venen leichter ausleiern, das Blut sich staut.

Frauen sind davon besonders betroffen, und das ist nicht nur ein kosmetisches Problem: Die Beine können massiv anschwellen, Gefäße können sich entzünden, Blutgerinnsel (Thrombosen) entstehen. Erben kann man zudem bestimmte genetische Defekte, die die Blutgerinnung beeinfl ussen und generell das Risiko stark erhöhen, eine Thrombose zu bekommen. Rund 5 Prozent der Bevölkerung haben solche veränderten Gene. Hatten schon mehrere Familienmitglieder Blutgerinnsel, ohne dass es eine offensichtliche äußere Ursache gab (z. B. Bettlägerigkeit oder eine Operation) oder waren die Betroffenen zu dem Zeitpunkt noch jung, könnten auch Sie dazugehören.

Was kann ich tun? Wer sicher wissen will, ob sein Thrombose-Risiko erhöht ist, kann bei einem Gerinnungs- oder Gefäßspezialisten einen Gentest machen. Für ein Blutgerinnsel müssen aber einige Risikofaktoren zusammenkommen, z. B. Übergewicht, Pille und langes Sitzen. Diese Risiken kann man gezielt vermeiden oder vorbeugen (etwa Stützstrümpfe tragen in der Schwangerschaft, auf Langstreckenflügen und vor Operationen).

Ansonsten sind Gehen, Walken, Schwimmen und Radfahren bei schwächelnden Venen besonders effektiv. Pressatmung, etwa beim Kraftsport, sollte man besser vermeiden, sie fördert das Ausleiern der Venen. Gift sind auch extreme Hitze und stundenlange Sonnenbestrahlung, Wechselduschen dagegen kurbeln die Blutzirkulation an. Legen Sie zudem so oft wie möglich die Beine hoch.

Seit wann hast du eigentlich Heuschnupfen?

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Niesattacken, dicke Augen, Atemnot - reagieren Eltern oder Geschwister überempfindlich auf Stoffe wie Pollen oder Milch, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch bei Ihnen eine Allergie dahintersteckt. Ärzte sprechen dann von einer Atopie, das ist die genetisch bedingte Bereitschaft, entweder Heuschnupfen, allergisches Asthma, Neurodermitis oder eine Lebensmittelallergie zu bekommen (es wird also nicht die konkrete Allergie vererbt!). Besonders wenn die Mutter allergisch ist, steigt das Risiko, selbst zu erkranken, auf bis zu 40 Prozent, sind beide Eltern betroffen, auf bis zu 80 Prozent.

Was kann ich tun? Wirklich vorbeugen kann man als Erwachsene nicht. Bei leichten Heuschnupfen-Symptomen sollte man mit einem Facharzt über eine Hyposensibilisierung sprechen. Das ist eine Art Impfung, die den Körper wieder an die allergieauslösenden Stoffe gewöhnt. Bei Verdacht auf Asthma zeigt ein Lungenfunktionstest, ob die Leistung der "Luftpumpe" eingeschränkt ist. Ab 35 gehört er alle zwei Jahre zum kostenlosen Check-up, machen kann man ihn aber auch in Apotheken oder in einem der drei Allergie-Mobile des Deutschen Allergie- und Asthmabundes. Termine im Internet unter www.daab.de.

Besonders schwer ist es, eine Nahrungsmittelallergie genau festzustellen. Erwachsene reagieren am häufigsten auf Obst, Gemüse oder Nüsse. Erste Hinweise liefert ein Haut- oder Bluttest.

Gibt es ein Krebsrisiko in unserer Familie?

Krebs ist tückisch. Die für den Tumor verantwortlichen Fehler im Bauplan der Zellen entstehen in den allermeisten Fällen zufällig, werden also nicht vererbt. Bei fünf bis zehn von hundert Brustkrebspatientinnen aber sind tatsächlich angeborene Gendefekte schuld, am häufigsten wurden bisher mutierte BRCA1- und BRCA2-Gene entdeckt. Hat man die geerbt, liegt das eigene Brustkrebsrisiko bei 65 bis 85 Prozent, auch das Risiko für Eierstockkrebs ist dann erhöht. Vererbung spielt auch beim Darmkrebs, nach Brustkrebs das zweithäufigste Krebsleiden bei Frauen, eine ernstzunehmende Rolle: Bei rund 10 Prozent der Patienten liegt er in der Familie.

Verdacht auf die erbliche Krebsvariante besteht in beiden Fällen allerdings nur, wenn mehrere Verwandte in einem Zweig der Familie erkrankt sind, und zwar relativ jung. Das eigene Darmkrebsrisiko ist allerdings auch dann doppelt bzw. viermal so hoch wie normal, wenn Vater, Mutter oder Geschwister an nicht erblichem Darmkrebs erkrankt sind. Viele Krebserkrankungen sind heilbar, wenn sie nur früh genug erkannt werden. Auch Brustkrebs, der im Frühstadium entdeckt und behandelt wird, hat sehr gute Heilungschancen.

Was kann ich tun? Es gibt in Deutschland spezielle Zentren, die bei Verdacht auf erblichen Brust-, Eierstock- oder Darmkrebs beraten (Adressen über die Deutsche Krebshilfe, www.krebshilfe.de). Gibt Ihre Familiengeschichte wirklich Anlass zur Sorge, können Sie sich deutlich engmaschiger untersuchen lassen, als sonst in den Früherkennungsprogrammen von den Krankenkassen vorgesehen. Die Zentren bieten auch einen Gentest. Der ist allerdings nur möglich, wenn bei einem erkrankten Angehörigen bereits ein angeborener Gendefekt nachgewiesen wurde. Auch dann wird er nur auf Ihren ausdrücklichen Wunsch und nach eingehender Beratung durchgeführt. Hatten Vater, Mutter oder Geschwister bereits Darmkrebs, wird eine Darmspiegelung übrigens auch dann frühzeitig von der Kasse bezahlt (erst ab 55 Jahren gehört sie zur Regelvorsorge), wenn kein Verdacht auf die erbliche Variante besteht.

Hat bei uns jemand Osteoporose?

Diese Krankheit trifft vor allem Frauen. Leiden Mama, leibliche Tante oder Oma (oder aber auch der Vater) unter brüchigen Knochen, verdoppelt bis verdreifacht sich das eigene Risiko. Das gilt auch, wenn sich schon einmal ein Verwandter in einer eher ungefährlichen Situation die Hüfte gebrochen hat - das sicherste Zeichen für Osteoporose.

Die Krankheit macht sich zwar üblicherweise erst ab den Wechseljahren bemerkbar, der Knochenschwund aber fängt lange vorher an. Man kann ihn aufhalten, wenn man frühzeitig aktiv wird. Beginnende Auflösungsprozesse lassen sich sogar wieder rückgängig machen.

Was kann man tun? Viel Sport treiben. Optimal sind zweimal die Woche Krafttraining, das regt den Knochenstoffwechsel und den Kalkeinbau an, aber auch dreimal pro Woche Yoga kann die Knochendichte deutlich erhöhen.

Zudem sollte man 1000 Milligramm Kalzium am Tag zu sich nehmen, wer 30 Jahre oder jünger ist, schwanger ist oder stillt, sogar 1200. Gute Kalziumlieferanten sind alle Milchprodukte, ist aber auch grünes Gemüse wie Brokkoli. Ebenso wichtig für die Knochengesundheit: Vitamin D. Tageslicht kurbelt die körpereigene Vitamin-D-Produktion an, im Winter empfehlen sich Vitamin-D-Tabletten aus der Apotheke.

Hattest du mal psychische Probleme?

Es gibt zwar kein Depressionsgen, wohl aber kann man eine entsprechende Veranlagung erben. Waren oder sind Vater, Mutter oder Geschwister depressiv, hat man deshalb ein bis zu dreimal höheres Risiko, selbst irgendwann im Leben nur noch schwarz zu sehen. Frauen trifft es generell häufiger, etwa aufgrund von Hormonschwankungen nach der Geburt. Eine genetische Veranlagung spielt übrigens auch bei Ängsten und Phobien eine Rolle.

Was kann ich tun? Chronische Überlastungen vermeiden, für eine gute Balance zwischen Anstrengung und Erholung sorgen. Auch regelmäßiger Sport hilft, Depressionen vorzubeugen, wahrscheinlich gilt das auch für Omega-3-Fettsäuren (stecken z. B. reichlich in Seefisch). Bei typischen Symptomen sollte man sich schnell Expertenrat holen. Depressive Phasen können zwar auch von selbst nach einiger Zeit abklingen, kommen ohne Behandlung aber oft wieder. Buchtipp: Ulrich Hegerl, Svenja Niescken: "Depressionen bewältigen: Lebensfreude wiederfinden", Trias, 166 S., 19,90 Euro.

Unsere Experten

- Prof. Heribert Schunkert, Herzspezialist an der Uniklinik Schleswig-Holstein, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung - Dr. Leveke Brakebusch, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Schilddrüsen-Expertin (www.hashimotothyreoiditis.de) - Prof. Hans Hauner, Diabetes-Experte und Leiter des Else-Kröner- Zentrums für Ernährungsmedizin in München - Dr. Kathrin Schaudig, Spezialistin für Hormonstörungen und Reproduktionsmedizin in Hamburg - Prof. Curt Diehm, Chefarzt für Innere Medizin im Akademischen Lehrkrankenhaus der Uni Heidelberg - Sonja Lämmel vom Deutschen Allergie- und Asthmabund - Prof. Dieter Felsenberg, Leiter des Muskel- und Knochenforschungszentrums an der Berliner Charité - Dr. Ute Hamann vom Deutschen Krebsforschungszentrum - Prof. Ulrich Hegerl, Depressions-Experte an der Uni Leipzig

BRIGITTE Balance 03/08 Text: Tanja Reuschling Foto: Mauritius

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