Laufen oder Schwimmen? Nordsee oder Mecklenburgische Seenplatte? Steuerberater oder selbst reinfuchsen? Entscheidungsfreude zählt eindeutig nicht zu meinen Stärken. Bei der Arbeit zwinge ich mich dazu, das Abwägen nicht ausufern zu lassen. Im Privaten überlege ich viel zu oft entweder so lange hin und her, bis der Morgen schon zum Nachmittag geworden ist (Beispiel A und B) - oder ich schiebe den Entschluss einfach immer weiter von mir weg (Beispiel C).
Das ist ärgerlich, aber wenigstens mache ich damit nur mir selbst das Leben schwer. Anders verhält es sich bei der Frage: Spende ich im Todesfall meine Organe? Ich gebe zu: Das "Ja" habe ich zwar schon oft gedacht, aber nicht verschriftlicht. Damit bin ich in guter Gesellschaft: 2012 waren 70 Prozent der Deutschen bereit, Organe zu spenden - aber nur 22 Prozent davon haben diesen Willen mit einem Ausweis dokumentiert. Was auch erklärt, warum in rund 70 Prozent der Fälle die Angehörigen mit der Entscheidung allein gelassen werden - und mit dem Zweifel leben müssen, gegen den Willen des Verstorbenen gehandelt zu haben.
Diese Vorstellung allein finde ich schon furchtbar. Die aktuellen Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation sind leider ebenso erschreckend: In Deutschland warten 11.000 Menschen auf ein Organ; die meisten von ihnen brauchen eine Niere. Tag für Tag sterben drei dieser Menschen, denn auf eine Million Einwohner kommen nicht einmal elf Spender. Ihre Zahl ist auf einem Tiefpunkt angelangt: Gab es 2012 noch 1046 Organspender, waren es 2013 nur noch 876 - ein Rückgang um 16,3 Prozent.
Der Negativrekord ist sicher auch dem "Organspende-Skandal" geschuldet, der im Sommer 2012 Schlagzeilen machte. Er hat die Ängste der Menschen, als "Ersatzteillager ausgeschlachtet" zu werden, unnötig geschürt. Denn der Skandal bestand nicht darin, dass Patienten fälschlich für hirntot erklärt wurden, um an deren Organe zu kommen. Das Skandalöse waren die manipulierten Wartelisten: In vier deutschen Transplantationszentren hat die Bundesärztekammer schwerwiegende Richtlinienverstöße festgestellt. Protokolle wurden nicht akkurat geführt, Patienten wurden kränker gemacht, um sie vorziehen zu können.
Die Empörung darüber war zurecht groß. Sie hallt bis heute nach - und übertönt mitunter die Konsequenzen, die aus dem Skandal gezogen wurden. Das 2012 erneuerte Transplantationsgesetz soll für mehr Transparenz sorgen und die Abläufe verbessern: Jedes Krankenhaus mit Intensivstation wird künftig einen Transplantationsbeauftragten haben, der sich um die aufwändige Organisation einer Transplantation kümmert - vom Gespräch mit den Angehörigen (das viele Ärzte scheuen) bis zu der Koordination mit der Verteilungsstelle Eurotransplant (einer Stiftung, die die zentrale Warteliste für Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn und Slowenien verwaltet). Im internationalen Vergleich steht Deutschland nicht gut da: Wir bekommen viel mehr Organe aus anderen Mitgliedsstaaten, als wir geben.
Das wurde mir klar, als ich mich 2012 doch endlich intensiver mit den Fakten beschäftigte - nachdem mir meine Krankenkasse mit einem Infobrief samt Organspendeausweis zum Abreißen ins Gewissen geredet hatte. Ein "Ja" kann bis zu sieben Menschen das Leben retten. Ein Widerruf ist jederzeit möglich. Ich kann meine Spendenbereitschaft auf bestimmte Organe und/oder Gewebe beschränken. Oder ich kann meine Entscheidung einer anderen Person überlassen - aber ergibt es nicht viel mehr Sinn, sie selbst zu treffen, statt die Verantwortung auf jemand anderes zu übertragen?
Ich habe mein Kreuz ganz oben gesetzt, beim uneingeschränkten "Ja". Was nicht bedeutet, dass mir beim Gedanken daran nicht trotzdem komisch zumute ist. Ich respektiere jeden, der "Nein" ankreuzt. Diese Entscheidung muss jeder für sich treffen dürfen. Aber man sollte sie jetzt treffen.
Die häufigsten Fragen und Antworten zur Organspende
Der gemeinnützige Verein Junge Helden hat es sich zur Aufgabe gemacht, gerade junge Menschen für das Thema Organspende zu sensibilisieren - ohne dabei missionieren zu wollen. In Schulklassen, auf Partys oder Sportveranstaltungen geben sie ihr Wissen weiter. Von ihnen stammen die FAQ.
Nein. Eine Registrierung der Entscheidung zur Organspende findet nicht statt. Ein ausgefüllter, unterschriebener Organspendeausweis, sowie die Gespräche mit der Familie über die Entscheidung sind relevant. Man kann seine Meinung aber auch auf einem Stück Papier festhalten und mit seiner Unterschrift und Datum zu einem gültigen Dokument werden lassen.
Ja. Die getroffene Entscheidung ist jederzeit widerrufbar und wird nicht zentral gespeichert. Ein Ausweis kann nach belieben wieder zerknüllt, zerrissen oder neu ausgefüllt werden.
Nein. Die medizinische Eignung der Organe für eine Transplantation wird erst nach der Feststellung des Hirntodes geprüft.
Möglich ist die Dokumentation ab 14 Jahren. Jedoch hat man in diesem Alter zunächst nur das Recht, einer Organspende zu widersprechen. Unabhängig davon kann jeder Jugendliche seinen Eltern den eigenen Wunsch mitteilen, da diese im Fall der Fälle über die Spende entscheiden. Ab 16 Jahren wird die Möglichkeit offiziell erweitert, und man kann sich auf dem Organspendeausweis explizit für eine Spende aussprechen. Letztendlich sollte man das Thema in jedem Fall einmal mit seinen Eltern besprochen haben, damit diese den geäußerten Wunsch mittragen und unterstützen können.
Nach obenhin gibt es keine feste Altersgrenze für eine Organspende. Ausschlaggebend ist das biologische Alter der Organe und des Gewebes. Dies wird erst nach dem Todesfall untersucht.
Lebendspenden kommen fast ausschließlich bei Nieren infrage. Die Bedingungen für die Lebendspende regelt das Transplantationsgesetz. In Deutschland ist eine Organspende zu Lebzeiten jedoch nur unter Verwandten ersten oder zweiten Grades, unter Ehepartnern, Verlobten und unter Menschen möglich, die sich besonders nahe stehen. Eine unabhängige Gutachterkommission prüft, ob die Spende freiwillig und ohne finanzielle Interessen geschieht.
Ja. Das Ziel aller medizinischen Maßnahmen ist es, das Leben des Patienten zu retten. Sollte das, beispielsweise aufgrund von schweren Unfallfolgen, nicht mehr möglich sein, so ist es nur eine kleine Gruppe von Patienten, bei denen eine Organspende in Frage kommt: Nur wenn der Tod durch vollständiges und nicht-wiederherstellbares Hirnversagen (Hirntod) festgestellt worden ist, wird der Frage zur Organspende nachgegangen. Lediglich ein Prozent aller Menschen sterben in Deutschen Krankenhäusern durch den Hirntod. Die Intensivmediziner im jeweiligen Krankenhaus haben mit der Organentnahme und der Transplantation nichts zu tun.
Ja. Die Familie kann Abschied von dem Verstorbenen nehmen. Nach der Entnahme der Organe wird die Operationswunde wie gewöhnlich verschlossen. Der Leichnam kann aufgebahrt werden und die Bestattung wie gewünscht stattfinden.
Nein. Die Spende läuft anonym ab. Weder die Familie des Spenders noch die des Empfängers können direkt miteinander in Kontakt treten. Das Transplantationszentrum kann den Angehörigen jedoch auf Wunsch mitteilen, ob das Organ oder die Organe erfolgreich transplantiert werden konnten.