Es brauchte drei Jahre und eine Pandemie, aber nun habe ich meinen Liebsten so weit: Wir schaffen uns einen Hund an. Und zwar einen "richtigen", darauf legt er großen Wert. Als unrichtige Hunde gelten unter anderem: französische Bulldogge, Pudel und Dackel. Aha.
Diese neue Artenklassifizierung ist natürlich kein Zufall. Herrchen kennt Frauchen und ihre Anfälligkeit für Trends – ob sie nun im Kleiderschrank oder im Hundekörbchen lauern – ziemlich gut. Und ja, erwischt: Alle drei stehen ganz oben auf meiner Liste.
Schon mein erster Hund war ein echter "Modehund", denn in den 90ern führte kein Weg am Golden Retriever vorbei, und ich kam mir mit elf unheimlich schick vor, am anderen Ende der Leine dieses Musthave auszuführen. Leider war Happy wegen diverser Überzüchtungsleiden alles andere, als ihr Name vermuten ließ, und hasste als Einzige ihrer Art Kinder inbrünstig, mich eingenommen. Dafür passte sie toll in unsere durchgestylte Welt, in der das Benz-Sofa für die Unglückliche allerdings tabu war.
Hund oder Accessoire? Oft leider unklar
Auch heute noch geben Hund und Herrchen auffällig oft ein Bild ab, das Rückschlüsse auf das ästhetische Gesamtkonzept von Letzterem erlaubt. Und Ersteren irgendwie zum grotesken Accessoire verkommen lässt. Da hüpft der Weimaraner nach dem Flanieren in den SUV-Kofferraum, um zurück in sein Hundebett aus Memoryfoam neben dem Kamin des Speckgürtel-Eigenheims kutschiert zu werden. Da passen die schwarzen Tupfen auf weißem Grund doch erstaunlich gut zur monochromen Garderobe des hippen Dalmatiner-Elternpaares, während die Beachwaves des Surfergirls eine perfekte Blondsymbiose mit den wuscheligen Labradoodle-Löckchen eingehen.
Sind Modehundemenschen wirklich so oberflächlich? Schließlich geht es nicht um den Kauf einer Handtasche, sondern um ein langjähriges Familienmitglied. Eins mit Fell und kalter Schnauze – das man im Gegensatz zur menschlichen Verwandtschaft eben ein bisschen dem persönlichen Geschmack anpassen kann. Ich finde das total in Ordnung (schlimm genug, einmal im Jahr Onkel Udos "lustigen" Christmas-Sweater ertragen zu müssen).
Auch die inneren Werte müssen stimmen
Solange nicht nur Fellfarbe und Schlappohren, sondern auch Vorlieben und Bedürfnisse der Lieblingsrasse mit in den Fressnapf, äh, die Waagschale geworfen werden. Der flauschige Border Collie kann optisch noch so gut mit dem Flokatiteppich verschmelzen – wenn er nicht jeden Tag und für mehrere Stunden eine imaginäre Schafherde über die Wiese scheuchen darf, sieht der coole 70er-Jahre-Retroteppich schneller wie ein zerfleddertes Salzwiesenlamm aus, als man "Lassie, pfui!" sagen kann.
Trotzdem bin ich mir sicher, dass wir es schon merken werden, wenn wir den "richtigen" Hund vor uns haben. Einen, der von innen und auch ein bisschen von außen zu uns passt. Sicher ist jedenfalls: Unser Dackel (sorry, Schatz) bekommt einen Namen, der weniger Druck auf seinen Gemütszustand ausübt, als es die traurige Happy erleiden musste.
Dieser Artikel erschien ursprünglich im Guido Heft Nr. 04/2021.