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Buchsalon: Unsere Leserinnen über den neuen Mankell

Zehn Leserinnen haben für den BRIGITTE.de-Buchsalon den neuen Roman von Henning Mankell gelesen und rezensiert.

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Mit Spannung erwartet: Am 24. Mai erscheint der neue Roman von Bestseller-Autor Henning Mankell. In "Der Chinese" führen die Spuren eines Verbrechens bis nach Peking. Zehn BRIGITTE.de-Leserinnen hatten das Glück, den Roman schon vor allen anderen lesen zu dürfen. Wie ihnen "Der Chinese" gefallen hat, lesen Sie auf den nächsten Seiten.

Die BRIGITTE.de-Community hat abgestimmt: 24 Prozent der Userinnen hat Barbara Billingers Rezension "Blutrache" am besten gefallen! Damit ist sie beim nächsten Buchsalon wieder mit dabei und darf Maarten 't Harts neues Buch "Der Flieger" rezensieren. Auf den Plätzen zwei und drei landeten Daniela Böhm-Sutter und Sandra Diekmann.

Blutrache - Rezension von Leserin Barbara Billinger

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Es beginnt mit einer beispiellosen Bluttat: 19 Menschen - alle miteinander verwandt - werden in einer frostigen Januarnacht im Jahr 2006 in dem kleinen schwedischen Dorf Hesjöwallen auf grausame Art niedergemetzelt aufgefunden. Die Suche nach dem scheinbar wahnsinnigen Mörder beschäftigt nicht nur die schwedische Polizei, sondern auch Richterin Birgitta Roslin, da sich unter den Toten auch die Pflegeeltern ihrer Mutter befinden.

Bei weiteren Nachforschungen stößt sie auf alte Tagebücher und den Namen des Auswanderers J.A. Andrén. Dieser beaufsichtigte 1863 als brutaler und rücksichtsloser Aufseher entführte chinesische Bauern in Amerika beim Eisenbahnbau. Wang San war einer von ihnen. Erst 1867 konnte er sich aus der Sklaverei befreien und kehrte voller Hass und Rache auf die westliche Welt nach China zurück.

Zwei Generationen später - im Jahr 2006 - beginnt sich der Kreis zu schließen. Wang Sans Nachfahre Ya Ru - inzwischen einer der mächtigsten und korruptesten Wirtschaftsbosse Chinas - steht kurz vor der Vollendung seines Racheplans, alle Schuldigen seiner Vergangenheit auszulöschen. Birgitta Roslin steht als letzte auf seiner blutigen Liste.

Henning Mankell setzt mit seinem neuen Roman "Der Chinese" aktuelle politische Maßstäbe im Bezug auf Macht und Ohnmacht, Hass, Rache, Unterdrückung und Ausbeutung. Er schildert ein China, das trotz wirtschaftlichem Aufschwung und der Tendenz, zur Supermacht unserer Erde zu werden, von Korruption und Machtmissbrauch gelenkt wird.

Die Vielschichtigkeit der Schauplätze, das nahezu atemlose Tempo und das beklemmende Gefühl, als Leser nur ein sehr unbedeutender Teil des Weltgeschehens zu sein, lassen "Der Chinese" wohltuend aus der Masse der Thriller herausragen. Barbara Billinger

Mein Lieblingssatz: "Der Gang der Zeit war die nicht messbare und launische Größe, gegen die am Ende jeder verlor. Widerstand konnte man nur leisten, indem man versuchte, die Zeit zu nutzen." (Seite 241, Kap 18: )

Wofür eignet sich das Buch: Der durchaus aktuelle Aspekt politischer Ereignisse in China - auch bezugnehmend auf die Olympischen Spiele 2008 - , macht Mankells Roman "Der Chinese" zu einer Bereicherung der Polit-Thriller, die nicht nur fiktive Ereignisse beschreiben, sondern auch den Mut haben, auf aktuelle politische Missstände hinzuweisen. Für mich erschloss sich aus der Lektüre die Möglichkeit, Lücken in der Geschichte der Weltpolitik Chinas zu schließen und darüber hinaus wachsamer im Bezug auf zukünftige Ereignisse zu werden.

Frauenversteher - Rezension von Leserin Andrea Will

In "Der Chinese" enttäuscht Henning Mankell seine Stammleserinnen nicht: Der Krimi gestaltet sich wie gewohnt spannend, ist in seinen Abläufen nicht vorhersehbar, und es gelingt wieder einmal, das uns Alltägliche und Bekannte mit Fremdem, bis hin zu Unvorstellbarem zu verbinden. Nicht nur räumlich, auch zeitlich bewegt sich die Handlung zwischen weit auseinanderliegenden Lebenswelten, ohne verwirrend zu werden.

Die Einbeziehung der politischen Verhältnisse, dieses Mal der in China, ist prinzipiell auf jeden Fall zu begrüßen, sie macht ja auch einen besonderen Reiz der Romane von Henning Mankell aus. In diesem Fall gelingt das ihm aber eher unzureichend, er ist nicht differenziert genug, zu platt wird "der korrupte Parteiapparat" angeprangert, zu wenig wirklich Inhaltliches, Substanzielles behandelt oder auch nur benannt. Der nicht einschlägig vorgebildeten Leserin bleibt nicht viel mehr, als ein Unbehagen gegen Politik im Allgemeinen und den Kommunismus im Besonderen zu entwickeln. Der Sozialdemokrat Henning Mankell stößt hier sowohl in seinem Wissen als auch seiner weltanschaulichen Grundhaltung unüberlesbar an seine Grenzen. Schade, ein wenig entsteht der Verdacht, dass es dieses Mal China sein musste, dass ein Aufspringen auf das durch die anstehende Olympiade stärker in den Mittelpunkt des Interesses gerückte Land vielleicht eher mit der Erwartung höherer Verkaufszahlen als mit echtem, eigenen Bedürfnis der Auseinandersetzung damit zu tun hat.

Herausragend aber ist wieder einmal die Beschreibung der Charaktere - hier besonders die der Frauen - gelungen. In all ihren teilweise auch widersprüchlichen Facetten wirken sie besonders echt, lebendig, kommen uns so nahe, dass ich immer wieder, teilweise überrascht, mein eigenes Denken und Fühlen wiederzuerkennen glaubte. Ist das wirklich ein Mann, der das so schreibt? Und das meine ich durchaus positiv.

Andrea Will

Genialer Politthriller mit Tiefgang! - Rezension von Leserin Carmen Brunne

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In Mankells neuem Roman wird der Leser gleich zu Beginn mit einer der vielen Tragödien des Buches konfrontiert. Januar 2006: Die Polizei von Hudiksvall macht eine schreckliche Entdeckung: 18 Menschen wurden auf grausame Weise getötet, am Tatort findet man ein rotes Seidenband. Unter den Toten sind auch die Adoptiveltern der Mutter von Richterin Birgitta Roslin. Sie erkennt, dass die Polizei eine falsche Spur verfolgt, und beginnt zu recherchieren. Die Spur führt 140 Jahre in die Vergangenheit und bis nach China.

Was anfängt wie ein spannender Krimi, wird zu einem politischen Thriller. Obwohl man ab Mitte des Romans sich schon denken kann, wer hinter dem Massaker steckt, hält Mankell die Spannung aufrecht. Mittelpunkt ist immer wieder China und seine tief greifende politische Umwälzung. Wir erleben die grausamen Machenschaften der politischen Führungselite, die vor Bestechung und Korruption nicht halt macht und auch vor Mord nicht zurückschreckt. Wir erleben Machtkämpfe innerhalb der KP in China und werden auch mit der Todesstrafe konfrontiert. Mankell packt dies aber alles in eine spannende Handlung und verliert nie den Faden.

Laut seinen Worten hat alles, was er in dem Buch schreibt, einen realen Hintergrund, aber es erfolgt nicht in allen Teilen eine realistische Wiedergabe tatsächlicher Ereignisse. Mich hat der Roman zum Nachdenken angeregt. Mankell hat sich mit dem Jahr der Olympischen Spiele in China den richtigen Zeitpunkt für das Buch gewählt.

Fazit: Der Roman ist zwar eine Fiktion, doch eine, die uns den Spiegel vorhält und zeigt, wie weit Menschen gehen, der Macht und des Geldes wegen. Eine subtile Gesellschaftsanalyse, ein spannend erzählter Krimi - die bewährte Mankell-Mischung.

Carmen Brunne

Spannende Reise - Rezension von Leserin Birgit Rosenbaum

Eine große hochspannende Reise vom modernen, liberalen Schweden bis in das kommunistische China zur Zeit des 19. Jahrhunderts. Am Anfang steht die Geschichte um das kleine schwedische Dorf Hudiksvall, in dem ein scheinbar Wahnsinniger 19 Menschen, darunter ein Kind, bestialisch ermordet. Die Ermittlungen führen nach kurzer Zeit direkt zu einem geständigen Einzeltäter. Parallel dazu führt eine weitere Spur von der schwedischen Richterin Brigitta Roslin bis in das ferne China. In diesem Umfeld wird die Leserin auf eine Reise geführt, die sich über mehrere Kontinente erstreckt.

Henning Mankell versteht es in seinem neuen Thriller "Der Chinese" einen fesselnden Faden aufzunehmen, den er bis zum Schluss nicht mehr verliert. Die Handlung bleibt immer schlüssig, überraschend und jederzeit nachvollziehbar. Besonders gelungen und fesselnd sind die geschickt eingebauten politischen Hintergründe und Aussagen von Mankell. Mankell ist es, meiner Ansicht nach, gelungen, sein Wissen um die politischen und wirtschaftlichen Zustände weltweit und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten angemessen in seinem neuen Thriller einzubauen. Henning Mankell ist und bleibt auch mit seinem neuen Thriller "Der Chinese" einer der beeindruckendsten Krimiautoren.

Absolut lesenwert!

Birgit Rosenbaum

Mensch. Macht. Missbrauch. - Rezension von Leserin Sandra Diekmann

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In der Zeit vom nordamerikanischen Goldrausch bis ins moderne China als Gastgeber der Olympischen Spiele analysiert Henning Mankell in seinem neuen Roman "Der Chinese" Machtmissbrauch und Unterjochung.

Das Schicksal einer chinesischen Familie, die 150 Jahre auf Wiederherstellung der Familienehre wartet und schließlich eine Blutrache verübt, die zu den grausamsten Verbrechen des heutigen Schwedens gehört, wird kunstvoll mit dem politischen Machtspiel der chinesischen Elite verknüpft: Mithilfe afrikanischer Expansionpolitik will China zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten der USA avancieren und baut ein geschicktes Kontrollnetz um seine Gegner auf. Die unterdrückte Familie gehört plötzlich zu den politischen Unterdrückern.

Doch wer einen spannenden Thriller erwartet, liegt hier falsch. Zwar fließen ein schwedischer Kriminalfall, der nordamerikanische Goldrausch, das chinesische Mao-Regime, Erinnerungen an die 68er Generation in Schweden sowie hochaktuelle Supermachtbestrebungen Chinas in den Roman ein, aber diese Elemente machen 150 Jahre Geschichte aus, die auf 600 Seiten dargestellt werden. Dadurch verliert der Roman an Straffheit und Spannung. Zusammengengehörige Inhalte werden durch lange, neu eingeführte Handlungsstränge unterbrochen. Was bleibt, ist eine gut recherchierte, politische Milieustudie. "Der Chinese" eignet sich daher für ruhigere Lektürestunden, mit einer unterhaltsamen politischen Nachhilfe als positivem Nebeneffekt. Sandra Diekmann

Mein Lieblingssatz: Meine Großmutter hat das immer gesagt. Wenn man weniger arbeiten sollte, müsste man sich darauf konzentrieren, seine imaginären Rosen zu züchten. (Seite 327)

Die Globalisierung aus Sicht von Mankell verbindet Spannung, Geschichte und Politik in Perfektion - Rezension von Leserin Jutta Kaercher

Nach dem Zitat "Die Suche nach der Wahrheit ist, als ob eine Schnecke eine andere jagt" zieht Mankell ein rotes Band von einer brutalen Mordtat in einem idyllischen schwedischem Dorf, durch die Abgründe der unbewältigten Vergangenheit einer geknechteten chinesischen Familie durch die Schmach der Fronarbeit des Eisenbahnbaus im wilden Westen Amerikas des 19. Jahrhundert bis heute ins moderne China.

Ein korrupter Großkapitalist Chinas hat den Ideologien seines Landes längst abgeschworen, kann jedoch seine Herkunft nicht verdrängen. Sein Machtstreben involviert auch bis in die heutige Politik Afrikas, und lässt immer mehr jede menschliche Zurückhaltung beim Ausüben seiner Rache vergessen.

Das Buch ist Spannung pur - von der ersten bis zur letzen Seite. Es verbindet Geschichte, Politik und menschliche Abgründe zu einem Meisterwerk der Kriminalliteratur.

Das Motto heißt: lesen... lesen... lesen

Jutta Kaercher

Die Welt wird immer kleiner ... - Rezension von Leserin Andrea Balsa

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Henning Mankell bürgt für Qualität, aber mit diesem Buch hat er sich neue Meilensteine gesetzt. Ein Roman, der die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsvorstellungen kulturell unterschiedlicher Familien miteinander verflechtet, ohne zu verwirren.

Ein Massaker in Hudiksvall, die Polizei hält einen Wahnsinnigen für den Täter, doch die Richterin Brigitta Roslin beginnt auf eigene Faust zu recherchieren, als sie feststellt, dass sich die Stiefeltern ihrer Mutter unter den Toten befinden.

Zwei starke Frauen in der zweiten Lebenshälfte blicken zurück, reflektieren ohne zu jammern, sie möchten die Zukunft weiterhin gestalten und geraten aufgrund ihrer Familiengeschichte in Gefahr.

Kontinentalübergreifend hält Mankell die Spannung aufrecht, ohne dass es auf auch nur einer Buchseite langweilig oder unübersichtlich wird. Auf ihrer Reise nach China wird Brigitta klar, dass dieses Land nicht mehr viel mit den ideellen Vorstellungen ihrer Jugend zu tun hat. Sie begegnet in Peking Hong Qui, einer Genossin der alten Garde, die mit der Zukunftsphilosophie ihres Bruders Ya Ru, einem erfolgreiche Geschäftsmann, nicht konform geht.

Als Afrika-Fan lässt Mankell auch diesen Kontinent nicht aus und widmet ihm ein zentrales Kapitel. Die Problematik der Globalisierung zieht sich wie ein rotes Band durch die ganze Geschichte. Das Buch erzeugt ein Kopfkino vom allerfeinsten und es wird schwierig, Termine einzuhalten, denn man will es einfach nicht weglegen.

Ein Thriller auf allerhöchstem Niveau.

Andrea Balsa

Die Frage der Zukunft ist nie beantwortet - Rezension von Leserin Kristina Sommerfeld

"Fotograf zu sein heißt, zuweilen unerwartete Geheimnisse aufzudecken", denkt der sich auf einer Fotoreise befindende Karsten Höglin zu Beginn der dramatischen und erneut meisterhaft erzählten Geschichte Henning Mankells - ohne zu ahnen, dass er genau auf Grund dieser Tatsache nur einige Minuten später für immer von der Bildfläche verschwinden wird.

Die unvorstellbar grausame Entdeckung, die er kurz vor seinem Tod machen muss: neunzehn brutal niedergeschlachtete Menschen im kleinen schwedischen Dorf Hesjövallen. Eine für die Polizei unerklärliche Wahnsinnstat ohne Motiv. Nur die Richterin Birgitta Roslin, die durch zufällig erkannte familiäre Verbindungen ein Interesse für die Ermittlung entwickelt, ahnt das wirkliche Ausmaß der Hintergründe. Sie beginnt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen, ohne zu ahnen, dass sie dadurch selbst in Gefahr geraten könnte.

Mankell zeigt in seinem jüngsten Roman "Der Chinese" erneut, wie sehr ihn die wandelnde Beschaffenheit der schwedischen Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit anderen Ländern wie bereits in "Die weiße Löwin" oder den Afrika-Romanen beschäftigt. In "Der Chinese" jedoch behandelt er noch komplexer als bisher die Zusammenhänge verschiedener Kulturen, er zeichnet so sensibel wie eh und je die Empfindungen seiner Figuren und selbst die Tatsache, dass sein neuer Roman auf vier verschiedenen Kontinenten spielt, lässt ihn nicht davor zurückschrecken, auch die Dimension der Zeit mit einzubeziehen und innerhalb eines bedeutenden Abschnitts der Geschichte in die Vergangenheit zu reisen. Ein sehr dichtes Netz aus nachhaltigen Verbindungen und Verknüpfungen beginnt der/die Lesende durch Mankells feinfühlige und raffinierte Erzählgabe nach und nach zu erkennen und zu durchblicken.

Mankell zeigt in diesem grandiosen Roman erklärend die Ursprünge, Entwicklungen und Einflüsse des schwedischen Kommunismus und Kolonialismus, so wie dies einst in "Das goldene Notizbuch" von Doris Lessing für England geschah, nur dass Mankells Buch eher aus einem Guss zu sein scheint und im Vergleich mit Lessing deutlich spannungsreicher und verschlingender zu lesen ist.

Mein Lieblingszitat: Er lag im Bett und fühlte den Traum langsam zurückkehren, als schickte das Negativ des Traums ihm eine Kopie ins Bewusstsein. (S. 10; Kap. 2, Z2 ff)

Wofür eignet sich das Buch: An akutem Fernweh Erkrankte sollten sich an einem sonnigen Tag auf eine Wiese legen, um mit den Charakteren aus Mankells neuem Roman auf den interkontinentalen Abenteuern mitzureisen und die alltäglichen Sorgen hinter sich zu lassen.

Kristina Sommerfeld

Tödliche Familienbande - Literarisch hochwertig! - Rezension von Leserin Daniela Böhm-Sutter

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Das neue Buch von Henning Mankell, "Der Chinese", ist Spannung bis zum Schluss! Es lässt den Leser einen Massenmord erleben, dessen Aufklärung ihn in die gegenwärtige und 200 Jahre zurückliegende Geschichte Chinas entführt. Meisterhaft beschreibt Mankell das Innenleben der beteiligten Personen, so dass wir teils Mitleid haben, teils Verständnis für die Beweggründe entwickeln. Die Sprache ist sehr "blumig" und bildhaft, so dass man das Gefühl hat, mitten im Geschehen zu sein. Detailliert werden die Lebensgeschichten und Beziehungen der Protagonisten beschrieben. Die Handlungsstränge werden geschickt verknüpft.

Beziehungen sind das Leitmotiv des Romans. Das Thema Familie taucht immer wieder auf und entpuppt sich dann auch als Mordmotiv. Durch Sprünge, nicht nur in den einzelnen Handlungssträngen der Personen, sondern auch in Ort und Zeit folgt man Mankell durch die Geschichte Chinas, der schreibt, man muß sich "rückwärts bewegen, um die Gegenwart besser zu verstehen". So erfährt der Leser viel über Kultur, Geschichte und Politik Chinas, einem Land, das seinen wirtschaftlichen Aufstieg auf dem Rücken des Volkes austrägt, und reist über vier Kontinente (Europa, Asien, Amerika, Afrika). Am Ende des Buches stellt sich die Frage: Wer ist eigentlich die Titelfigur "Der Chinese"?

"Der Chinese" ist ein Thriller der Extraklasse, der Fiktion mit realem Hintergrund verbindet. Man kann das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen! Der perfekte Begleiter für ein Wochenende zu Hause auf der Sonnenliege, man vergisst die Welt um sich herum... Und man wird Bahnschienen mit anderen Augen sehen.

Mein Lieblingssatz: Die Zeit ist bemessen, es gibt keine Flucht, nur das Lot, das sich senkt, den Tod, der sich bereit macht.

Daniela Böhm-Sutter

China im Zeichen der Olympiade und Korruption? - Rezension von Leserin Judith Kühnlein

Mankells neuer Roman "Der Chinese" beginnt mit einem stromernden Wolf, seinen animalischen Instinkten folgend, hungrig die Witterung von Blut aufnehmend, auf der Fährte nach Beute. So stößt er auf ein unglaubliches Massaker, begangen an einer Dorfgemeinschaft, die bis auf ein paar wenige Bewohner fast vollständig ausgelöscht wurde. Ein Fotograf, der an einer Dokumentation über verlassene Dörfer und von der Entvölkerung bedrohte Ortschaften arbeitet, kommt dorthin, erwartet, ein idyllisches, verschlafenes Nest vorzufinden und entdeckt stattdessen die auf grausame Art zugerichteten Leichen. Völlig entsetzt von dieser Entdeckung erleidet er auf der Flucht in die nächste Ortschaft einen Herzinfarkt, verursacht einen Autounfall, verstirbt noch am Unfallort, aber nicht ohne vorher noch den Namen des Dorfes zu nennen.

Der Hinweis wird verstanden, die Opfer werden gefunden und es beginnen Ermittlungen, die in eine völlig falsche Richtung gehen. Die Richterin Birgitta Roslin, die von dem Vorfall aus den Medien erfährt, erkennt, dass es sich bei der Ortschaft um das Dorf der Adoptiveltern handelt, bei denen ihre Mutter aufgewachsen ist. Aus einer familiären Verpflichtung heraus beginnt sie, eigene Ermittlungen anzustellen, und stellt aufgrund der Dinge, die sie dort findet, die richtigen Fragen.

Ab dem Zeitpunkt beginnt für den Leser eine Zeitreise zurück in das China des Jahres 1863, dort wo die Geschichte ihren Anfang nimmt, um danach wieder in das Heute zurückzukehren. Mankell versteht es, die Hintergründe der Tat Stück für Stück offenzulegen und den Leser in eine Welt im Reich der Mitte zu entführen, in der sich alte Traditionen mit neuzeitlicher Denkweise übergangslos zu vermischen scheinen.

Die Geschehnisse sind zwar durchaus vorhersehbar und nichts überrascht einen wirklich, dennoch wird der Leser von der Geschichte gefesselt und bekommt eine Ahnung davon, für was die Menschen in einem für die westliche Welt noch immer fremden und geheimnisvollen Land kämpfen. In einem Machtkampf mit Hilfe von Korruption, bei dem es um Leben und Tod, arm gegen reich, machtlos gegen mächtig geht, um das erhalten zu können, wofür sie bereits über Generationen hinweg gekämpft haben.

"Hat die Geschichte ein Ende?" "Es gibt immer ein Ende", sagte sie. "Auch hier. Aber das Ende ist stets der Anfang von etwas Neuem. Die Punkte, die wir im Leben setzen, sind immer nur vorläufig."

Der neue Roman von Mankell kommt zur richtigen Zeit, um die im Rahmen der bevorstehenden Olympischen Spiele entfachte Diskussion über die kritikwürdige Politik der chinesischen Regierung weiter anzufeuern und am lodern zu halten.

Judith Kühnlein

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