Wieso kommen die besten Schweden-Krimis neuerdings ohne Polizei aus? Können deutsche Autoren wirklich gute Thriller schreiben? Und was hat Schauspieler Ryan Gosling damit zu tun? Alle Antworten - und die besten Krimis des Herbstes in unserem großen Krimi-Special!
"Verteidigung" von John Grisham
Nehmen Sie sich Zeit. Am besten ein ganzes Wochenende lang. Dieser Thriller wird Sie nicht mehr loslassen. Die Story: Die drei Teilhaber einer heruntergekommenen Anwaltskanzlei in Chicago wittern ein Mordsgeschäft, als einer von ihnen herausfindet, dass die Nebenwirkungen des Medikaments Krayoxx schon mehrere Menschen ins Jenseits befördert haben. Aber haben sie wirklich das Zeug für einen Prozess dieser Größenordnung? Die Macht der Pharma-Industrie ist sehr groß. . . Die Darsteller: Oscar Finley und Wally Figg, zwei windige Chicagoer Anwälte, die sich zanken wie ein altes Ehepaar. Ihr neuer Teilhaber, Harvard-Absolvent David Zinc, der es in der Knochenmühle einer großen Luxuskanzlei nicht mehr ausgehalten hat und freiwillig kleinere Brötchen backt. Und Rochelle Gibson, die Sekretärin, die den Laden zusammenhält. Ein heißes Gespann. Der Autor: John Grisham, 57. 24 Romane, übersetzt in 29 Sprachen, weltweit verkaufte Exemplare: 225 Millionen. Noch Fragen? Da muss man durch: eine holzschnittartige Gut-gegen-Böse-Geschichte. Das hat man davon: echte Helden zum Liebhaben. Perfekt für: alle, die noch an das Gute unter einer verkommenen Oberfläche glauben. (Ü: Bea Reiter, Imke Walsh-Araya, 464 S., 22,99 Euro, Heyne)
"Kings of Cool" von Don Winslow
Atemberaubend, diese Saga von Verrat, Verbrechen und Familie. Ben, Chon und O sitzen, man kann es nicht anders sagen, mächtig in der Scheiße. Die beiden Jungs und das bildhübsche Mädchen aus Laguna Beach verkaufen das beste Gras an der ganzen Küste und verdienen sich damit eine goldene Nase. Das gefällt weder der Polizei noch den Bossen, die die Drogengeschäfte in Kalifornien kontrollieren. In "Kings of Cool" erzählt Don Winslow die Vorgeschichte zu seinem Erfolgsthriller "Zeit des Zorns". Sie reicht zurück bis in die 60er Jahre, als sich Surfer und Hippies zu einem gefährlichen Pakt zusammenschlossen. Wie eine Mörderwelle türmt sich diese Saga um Gewalt, Drogen, Familie und Freundschaft auf, reißt mit ihrer Sprachgewalt und ihrem Wortwitz mit - und lässt einen atemlos zurück. (Ü: Conny Lösch, 351 S., 19,95 Euro, Suhrkamp)
"Aber Mutter weinet sehr" von Wolfgang Brenner
"Zeigen Sie, dass Sie ein Mensch sind! Sagen Sie uns, wo unser Kind ist!" Sagt die Mutter. Wer ein Kind hat, kennt die Angst, die in einem hochkriecht, wenn es nicht zum verabredeten Zeitpunkt nach Hause kommt. Johann, der elfjährige Sohn von Marie und Robert, erscheint weder zum Abendbrot noch irgendwann in dieser Nacht. Während ihr Mann voll auf die Fähigkeiten der Polizei setzt, sucht Marie auf eigene Faust. Und tatsächlich: Der Entführer setzt sich mit ihr in Verbindung. Trifft sie sogar. Stellt Johanns Freilassung in Aussicht. Immer tiefer verstrickt sich die verzweifelte Mutter in das perfide Spiel des seltsamen Mannes - und merkt nicht, wie ihr das Leben langsam entgleitet. Diesen Albtraum beschreibt Wolfgang Brenner präzise und voller Beklemmung. Man mag dieses Buch bis zum Showdown nicht aus der Hand legen. (288 S., 16,99 Euro, Knaus, auch als eBook)
"Die Stunde des Reglers" von Max Landorff
Wie sollen wir den Titel lesen? 1. Der Regler ist in Bestform? 2. Es geht ihm selbst an den Kragen? 3. Er hat nicht viel Zeit? Es ist ein bisschen was von allem. Im ersten Band, der über Monate auf den Bestsellerlisten stand, hat Gabriel Tretjak noch für die Reichen und Mächtigen ihr Leben unter Kontrolle gebracht. Jetzt hat er das Regeln an den Nagel gehängt. Bis er sich von einer Quantenphysikerin doch noch zu einem Auftrag überreden lässt. Denkt er. In Wahrheit bekommt er selbst Probleme. Neun Leichen in neun verschiedenen Handlungssträngen, die zunächst in alle Richtungen zu streben scheinen, immer wieder abbrechen - und sich erst am Schluss treffen: Der Regler versucht die absolute Kontrolle zu haben über alles, was geschieht. Was aber selbst er nicht kontrollieren kann, ist die Vergangenheit. Beunruhigend mitleidlos und raffiniert verstrickt. (352 S., 14,99 Euro, Scherz, auch als eBook)
"Der König von Berlin" von Horst Evers
Fesselnd und irre komisch: der neue Hauptstadt-Krimi von Horst Evers. Er soll den Mörder eines Unternehmers finden, der sein Geld ausgerechnet als Kammerjäger im Berliner Untergrund gemacht hat: Frisch in die Hauptstadt versetzt, irrt Hauptkommissar Carsten Lanner in einem alten, grün-weißen Streifenwagen in Richtung Kreuzberg. Schon nach den ersten zehn Seiten hat man das Landei Lanner lieb gewonnen. Wie auch die anderen Sympathieträger in Horst Evers' erstem Krimi, die sich mitunter fühlen wie "Rollmöpse auf der Dessertkarte". Sehr vergnügliche Lektüre! (384 S., 19,95 Euro, Rowohlt, erscheint am 21.9., auch als eBook)
"Das Herz des Bösen" von Joy Fielding
Die Meisterin des Abgründigen in Hochform. Normalerweise geht es in den Thrillern von Joy Fielding nicht besonders blutig zu. In diesem allerdings tobt sich die alte Dame mal richtig aus: Da mordet sich ein Teenie-Pärchen durch die Ferienhäuser in einem Waldgebiet im Norden der USA und berauscht sich auf widerwärtige Weise am Zerteilen ihrer Opfer. Und ausgerechnet dorthin verschlägt es die frisch getrennte Valerie Rowes: Sie will eigentlich nur ihre 16-jährige (heftig pubertierende) Tochter Brianne für einen Kurzurlaub mit ihrem Vater in die Wälder fahren, dann aber schließt sich die neue Geliebte ihres Ex-Mannes an. Und weil irgendwie alles schiefgeht, strandet die Gruppe exakt in der Gegend, in der das Killerpärchen unterwegs ist. Ein bisschen Drama, ein wenig Screwball-Komödie, literweise Blut und sehr viel Spannung: Joy Fielding, seit 30 Jahren im Geschäft, hat es immer noch drauf. (Ü: Kristian Lutze, 384 S., 21,99 Euro, Goldmann, auch als eBook)
Newcomer des Jahres: "Die 500" von Matthew Quirk
Selten wurde ein Buch-Debüt in den USA so heiß gehandelt wie das von Matthew Quirk. Hollywood ist auch schon dran! Was der Autor sagt: Dass er manchmal das Gefühl habe zu träumen: "Und wenn das so ist, dann möchte ich bitte nicht aufwachen." Die Filmrechte für sein Debüt wurden schon vor Erscheinen des Buchs teuer verkauft. Der 31-jährige Journalist und Harvard-Absolvent ist der neue Star am Krimi-Himmel. Die 500 sind jene Menschen aus der Zone von Politik und Wirtschaft, die in Washington wirklich die Strippen ziehen. Jurastudent Mike Ford schafft es in eine Beraterfirma und lernt die Kunst der subtilen Erpressung. Wie finden wir das? Richtig gut. Das Buch liest sich wie ein guter Grisham, bloß mit mehr Action. Allerdings hat Quirk auch Grishams alte Schwächen: Charaktere mit Tiefgang sucht man oft vergeblich. und wie hört sich das an? "Das eigentliche Spiel bestand daraus, Schwachpunkte zu erspüren, Zusagen zu erreichen, Festlegungen zu vermeiden, Zweifel zu säen und Rivalitäten zu schüren." (Ü: Wolfgang Müller, 416 S., 19,95 Euro, Blessing, auch als eBook)
"So bitterkalt" von Johan Theorin
Mit seinen drei Öland-Krimis ist der Ex-Journalist Johan Theorin zu einem Superstar der Krimi-Szene aufgestiegen. Jeder hatte nun eigentlich damit gerechnet, dass er das Quartett voll macht. Nix da: Der düsterspannende Roman "So bitterkalt" spielt an der schwedischen Westküste. Und handelt vom Kindergärtner Jan, der in der Kita einer Nervenklinik anheuert, weil er hinter den Mauern eine verflossene Liebe vermutet. Ebenso grandios wie beklemmend. (Ü: Susanne Dahmann, 480 S., 19,99 Euro, Piper, auch als eBook)
Bestseller Check: "Glaube der Lüge" von Elizabeth George
Die Story: Der Neffe des Firmenpatriarchen Bernhard Fairclough (er hat mit dem Bau von Toiletten ein Vermögen gemacht) wird tot am Ufer eines Sees aufgefunden. Die örtliche Polizei erklärt schnell, dass es sich um einen Unfall handelt. Aber der reiche Onkel will das nicht glauben und engagiert Inspector Lynley von Scotland Yard. Der soll diskret und undercover herausfinden, ob ein Mord dahintersteckt. Je länger der Inspector ermittelt, desto stärker bröckelt die Fassade der adligen Familiendynastie. Ein Ex-Junkie, verhaltensgestörte Teenager, eine transsexuelle Schwiegertochter - ist überhaupt irgendjemand normal in dieser Familie? Die Autorin: Elizabeth George (63), Amerikanerin mit einem Faible für alles Britische - von den Landschaften über Bauwerke bis zu den Schrullen der Inselbewohner. Ihre Geschichten sind detailgetreue Porträts unserer Zeit. Da muss man durch: knapp ein Kilo Hardcover herumschleppen - oder als eBook lesen. Das hat man davon: Trotz unzähliger falscher Fährten schafft es die Autorin, dass man den Überblick behält. Hochspannung bei extrem "unblutiger" Handlung - ein echtes Kunststück! Preis-Leistungs-Verhältnis: gerechtfertigt, denn es gibt einen Reiseführer gratis dazu: Wer jemals in Cumbria/Nordwestengland Urlaub machen möchte, kennt sich nach diesem Krimi bestens aus. (Ü: Charlotte Breuer, Norbert Möllemann, 704 S., 24,99 Euro, Goldmann, auch als eBook)
"Vergiftet" von Thomas Enger
Liegt es an den langen Winternächten? Oder warum sonst können die Skandinavier dermaßen gut Krimi? Ein Geldeintreiber wird in Oslo mitten in einem TV-Interview ermordet. Kurz darauf verschwindet der Kameramann. Der Journalist Henning Juul entdeckt die Hintergründe - zur Belohnung findet er sich in einem offenen Grab wieder. Doch das ist erst der Anfang. . . Krimi-Autor Thomas Enger wird von seinen norwegischen Landsleuten verehrt wie Jo Nesbø. Zu Recht. Seine Romane entwickeln ein atemberaubendes Tempo. (Ü: Günther Frauenlob, Maike Dörries, 464 S., 14,99 Euro, Blanvalet, auch als eBook, erscheint am 22. Oktober)
"Im Tal des Fuchses" von Charlotte Link
"Er ist kein schlechter Mensch. Alles das, was geschieht, will er im Grunde gar nicht." Der Entführer - kein schlechter Mensch? Vanessa Willard wird gekidnappt und in einer Höhle versteckt. Am gleichen Abend wird ihr Entführer wegen einer Schlägerei verhaftet. Gesteht er und riskiert eine lange Gefängnisstrafe, oder lässt er Vanessa verhungern? Charlotte Link zeigt mit filigranen Charakterstudien, wie sich Menschen immer tiefer verstricken können. Wege in die Schuld werden nachvollziehbar, und dabei bröckelt die Unterscheidung zwischen Täter und Gutmensch - das ist mehr, als viele Krimis bieten. Süffig wie ein guter Rotwein, so liest sich der Roman der erfolgreichsten deutschen Autorin. (576 S., 22,99 Euro, Blanvalet, auch als eBook, erscheint am 12. September)
"Verachtung" von Jussi Adler-Olsen
In seiner Freizeit spielt der Autor eigene Musik, mit seinen Krimis raubt er uns den Schlaf. Eigentlich möchte Kommissar Carl Morck in Ruhe mit seiner neuen Liebe, der Polizeipsychologin Mona, turteln. Doch dann wird ein Vermisstenfall aus dem Jahr 1987 hochaktuell - und Morck entdeckt einen Zusammenhang zwischen fünf Personen, die damals spurlos verschwanden, und der rassistischen Partei "Klare Grenzen". Eine Rolle spielt auch eine Anstalt auf der dänischen Insel Sprog, in der früher tausende Frauen zwangssterilisiert wurden. Und ein Geheimbund von Ärzten, die sich zu Richtern über Leben und Tod aufspielen. Gekonnt verwebt Jussi Adler-Olsen persönliche Dramen und gesellschaftliche Entwicklungen. Einzig seine holzschnittartigen Charakterisierungen nerven gelegentlich. Trotzdem hat die Geschichte Spannung und einen oft schrägen Humor. (Ü: Hannes Thiess, 544 S., 19,90 Euro, dtv, auch als eBook)
Bestseller Check: "Am Abend des Mordes" von Håkan Nesser
Die Story: Man kann es ruhig verraten, weil es gleich am Anfang passiert: Inspektor Barbarottis geliebte Frau Marianne stirbt, eines natürlichen Todes, aber viel zu früh. Zurück im Dienst, bekommt der trauernde Polizist die Order, einen alten Fall noch einmal aufzurollen: Vor Jahren verschwand ein Elektriker spurlos, das einzig Interessante an der Geschichte war, dass er bis dahin mit einer verurteilten Mörderin zusammengelebt hatte. Ist dieser "Cold Case" nur eine Beschäftigungstherapie für einen Ermittler, den sein eigenes Schicksal aus der Bahn zu werfen droht? Der Autor: Sein Verlag zitiert immer wieder gern aus einer alten Besprechung von uns: "Wir bei der BRIGITTE halten Håkan Nesser für einen der besten lebenden Schriftsteller überhaupt." Daran hat sich nichts geändert. Da muss man durch: Inspektor Barbarotti führt seit seinem ersten Band innere Zwiegespräche mit Gott. Angesichts seines Verlustes ist daraus eine angeregte Plauderei über das Sein an sich geworden. Die Handlung treibt's nicht voran. Das hat man davon: eine letzte Begegnung mit Barbarotti, der zweiten großen Ermittlerfigur, die Nesser nach dem knurrigen Van Veeteren in seinen früheren Romanen erfunden hat. Eigentlich wollte Nesser dem wunderbaren Barbarotti nur vier Bände gönnen, am Ende sind es fünf geworden, aber jetzt ist Schluss. Perfekt für: Krimifans, die Spannung ohne gruselige Morde schätzen. (Ü: Paul Berf, 480 S., 19,99 Euro, btb, auch als eBook, erscheint am 1. Oktober)
"Die Grenzgängerin" von Jacques Berndorf
Andere Paare streiten über den Abwasch. Ein deutsches Agentenpaar kämpft lieber gegen Terrorismus. Am liebsten würde der BND die Liaison zwischen seinen Top-Agenten Svenja Takamoto und Karl Müller vernichten wie alte Akten. Dann verschwindet Müller bei einem Auftrag in Tripolis - und Takamoto macht sich auf, ihn zu suchen. Die beiden wagen inmitten der tödlichen Gefahren der internationalen Spionage eine verwundbare Liebe. Um der Sache noch mehr Zündstoff zu geben, ist eine mysteriöse Frau mit tausend Kilogramm C4-Sprengstoff auf dem Weg nach Deutschland, genaues Ziel unbekannt. Erschreckend realistisch schildert Berndorf die Einsätze des Agentenpaars an den aktuellen Schauplätzen unserer Nachrichten. (400 S., 19,99 Euro, Heyne, auch als eBook)
"Der Schieber" von Cay Rademacher
Hamburg, 1947, die Menschen kämpfen ums Überleben. Zeitgeschichte ganz nah. Und sehr berührend erzählt. Schwer zu sagen, was Cay Rademacher in seinem historischen Krimi eindrücklicher schildert: den eigentlichen Fall - ein Junge wird erstochen auf einem Blindgänger in der Werft Blohm & Voss gefunden - oder die zermürbenden Umstände im Nachkriegs-Hamburg von 1947. Oberinspektor Stave macht beides zu schaffen. Und dazu noch dieser Glutsommer. Bei seinen Recherchen stößt der Inspektor auf die "Wolfskinder", verwahrloste Kriegswaisen, die sich in der zerbombten Stadt als Banden durchschlagen. Mit seiner Fortsetzung von "Der Trümmermörder" ist Rademacher wieder ein fesselnder Blick in eine noch nicht so ferne Welt geglückt, in der jeder ums Überleben kämpfte. (352 S., 16,99 Euro, Dumont, auch als eBook)
"Der Cop" von Ryan David Jahn
Was fühlt ein Kind, das entführt wird? Was geht in dem Täter vor? Und wie geht der Vater des Kindes mit dem grauenhaften Verlust um? Ein temporeicher Thriller der Spitzenklasse und zugleich die einfühlsam erzählte Geschichte einer Entführung. Maggie ist sieben, als sie aus ihrem Zimmer verschleppt wird. Sie wird offiziell für tot erklärt. Nur ihr Vater, der Ex-Cop Ian Hunt, glaubt fest daran, dass seine Tochter lebt. Sieben Jahre nach ihrem Verschwinden gelingt der inzwischen 14-jährigen Maggie die Flucht. Weit kommt sie nicht. Sie schafft es gerade noch, ihren Vater anzurufen, dann unterbricht ihr Entführer die Verbindung. Nun beginnt eine gnadenlose und brutale Jagd, erzählt aus der Sicht des verzweifelten Vaters, des Kindes, des Täters und seiner an der Tat beteiligten Frau. Der Wechsel zwischen den Perspektiven erhöht die Spannung und verleiht dem Psychokrimi Tiefe. (Ü: Ulrich Thiele, 336 S., 19,99 Euro, Heyne, auch als eBook)
"Eisnattern" von Simone Buchholz
Die fiktive Staatsanwältin Chastity Riley gehört zu Deutschlands vielschichtigsten Krimi-Heldinnen: eine einsame Wölfin, die durch St. Pauli stapft und in die Abgründe der menschlichen Gesellschaft blickt. Dies ist jetzt der vierte Fall für die nikotinsüchtige Halb-Amerikanerin, die sich diesmal mit der brüchigen Idylle der Weihnachtszeit herumschlagen muss. (250 S., 12,99 Euro, Droemer, auch als eBook, erscheint am 1. Oktober)
Buchverfilmung: "Driver 2" von James Sallis
Durch die Verfilmung "Drive" mit Superstar Ryan Gosling in der Hauptrolle wurde James Sallis' düsteres Meisterwerk "Driver" international bekannt. Jetzt setzt der Autor seinen schweigsamen Helden wieder ans Steuer - "Driver 2" spielt sieben Jahre später und ist wie sein Vorgänger ein großartiger komprimierter Noir-Thriller: kein Wort zu viel, dafür trifft jedes fast schmerzhaft genau. Auch James Sallis konnte sich nicht vom Bild des Schauspielers, der den "Driver" kongenial gespielt hat, freimachen: "Es war schwer, beim Schreiben nicht immer Ryan Gosling vor Augen zu haben", sagt er. "Er hat sich die Figur absolut zu eigen gemacht." Wir kennen nach wie vor nicht den Namen des Fahrers. Unter dem Pseudonym "Paul West" hat er sich in Phoenix eine neue, eine bürgerliche Existenz aufgebaut. Dann wird seine Verlobte vor seinen Augen ermordet. Aus Paul wird wieder "Driver", der sich seiner Vergangenheit stellen muss. (Ü: Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt, 160 S., 16,90 Euro, Liebeskind, erscheint am 17.9.)
"Bruder Kemal" von Jakob Arjouni
Verführerische Frauen, viel Action und gute Sprüche - Kultdetektiv Kayankaya ist wieder da. Sympathischer Typ, der Privatdetektiv Kayankaya: nicht mehr ganz jung, schwer verliebt und schlagfertig. Seine beiden Aufträge: Er soll ein verschwundenes Mädchen aus der Upperclass finden und während der Buchmesse einen marokkanischen Schriftsteller beschützen. Eigentlich einfache Fälle. Doch sie führen zu einer Verwicklung, in der es um Entführung, Mord und Vergewaltigung geht. Schließlich gerät der Detektiv selbst in den Verdacht, ein Auftragskiller zu sein. Jakob Arjouni erzählt auch diesen Frankfurt-Krimi wunderbar schnoddrig und spannend. (240 S., 19,90 Euro, Diogenes)
Taschenbuchtipp: "Später Frost" von Roman Voosen, Kerstin Signe Danielsson
Was kommt raus, wenn eine Schwedin und ein Deutscher zusammen einen Krimi schreiben? Lesen Sie selbst. Haben Sie in Ihrem Schweden-Krimi-Herzen noch ein Plätzchen frei? Dann reservieren Sie das für die beiden neuen Ermittlerinnen Ingrid Nyström - erfahren, besonnen, frisch befördert - und Stina Forss - jung, heißblütig -, soeben aus Berlin in der schwedischen Provinz eingetroffen. In ihrem ersten Fall müssen die beiden Frauen den Mord an dem Schmetterlingsforscher Balthasar Frost aufklären, der grausam zu Tode gefoltert wurde. Schon bald wird klar, dass dieser Fall weite Kreise zieht, bis in die höchste schwedische Gesellschaft und sogar nach Jerusalem. Hinter dem Kommissarinnen-Duo steht passenderweise auch ein deutsch-schwedisches Autorenduo, und das hat schon weitere Fälle für Nyström/ Forss angekündigt. Gute Idee, auch für die KommissarinnenQuote in der Krimi-Branche. (378 S., 9,99 Euro, KiWi, auch als eBook)