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Chili als Erziehungsmaßnahme

Chili als Erziehungsmaßnahme
© Mr Pics/Shutterstock
Starkoch Jamie Oliver gab seiner Tochter als Strafe einen mit Chili präparierten Apfel - für Redakteur Henning Hönicke hat das einen üblen Beigeschmack.

Lieber Jamie Oliver,

eigentlich mochte ich dich immer ganz gern. Deine Rezepte sind unkompliziert und lecker. Und dein soziales Engagement ist vorbildlich: Unvergessen, zum Beispiel, wie du mitten in deiner Kochsendung bei der Zutat "Hühnerfleisch" innehieltest, und dann plötzlich vor den Augen deines geschockten Publikums ein Huhn geschlachtet hast. Diese Art von Verstörung war toll und im besten Sinne unbequem.

Und jetzt? Jetzt hast du mich weniger schön verstört. In einem Interview mit der "Good Food Show London" hast du beiläufig einen Schwank aus deinem Familienleben erzählt: Deine Tochter Poppy war respektlos und beleidigend dir gegenüber gewesen, und du wolltest sie bestrafen. Völlig okay, das gehört zum Elternsein wie der Abwasch zum Kochen. Aber statt Handyverbot oder "Geh auf dein Zimmer!" hattest du eine heimtückische Idee: Als deine Tochter fünf Minuten später nach einem Snack fragte, bekam sie von dir einen Apfel, den du mit einer "Scotch Bonnet"-Chili eingerieben hattest. Haha - das hat ganz schön gebrannt, als sie da reingebissen hat!

"Scotch Bonnet"-Chili: Schmerzen, ähnlich wie bei Pfefferspray
"Scotch Bonnet"-Chili: Schmerzen, ähnlich wie bei Pfefferspray
© kokkodrillo/Shutterstock

An dieser köstlichen kleinen Story schmecken mir zwei Sachen nicht. Erstens, deine Aussage: "Es ist nicht mehr üblich, seine Kinder zu schlagen, es ist nicht sehr modern und nicht erlaubt. Und wenn man, wie ich, ein Starkoch ist, liest sich das nicht besonders gut in der Zeitung. Also braucht man Alternativen." Ist das jetzt schlecht, dass es "nicht mehr üblich" ist, seine Kinder zu schlagen? Und ist in dem Fall tatsächlich der arme Starkoch das Opfer, weil er dann schlechte Presse bekommt?

Zweitens: So ein Streich mit dieser speziellen Chili-Sorte ist kein harmloser "Haha, da war Senf im Berliner"-Spaß. Eine Scotch-Bonnet erzeugt in den Schmerzrezeptoren eine Reaktion, die in ihrer Heftigkeit ziemlich dicht an Pfefferspray ist. Ja genau, das Pfefferspray, das als Selbstverteidigungswaffe mittlerweile das Tränengas abgelöst hat. Bei den Schleimhäuten von Kindern und Jugendlichen dürften die Schmerzen noch größer als bei Erwachsenen sein.

Jetzt mal im Ernst, Jamie: Hast du noch alle Tassen im Küchenschrank? Hättest du auch so stolz von deiner Erziehungsmaßnahme erzählt, wenn du deiner Tochter Elektroschocks versetzt oder sie mit Reizgas eingenebelt hättest? Für sie waren die Schmerzen ähnlich stark, und das finde ich eine Prise überreagiert für eine vorlaute Zwölfjährige. Ich kann gut nachvollziehen, dass man seinen Kindern manchmal am liebsten den Hals umdrehen würde - aber das ist aus gutem Grund seit vielen Jahrzehnten nicht mehr salonfähig.

Traurigerweise gibt es auch viele Fans der Jamie-Oliver-Chili-Strafe, wie sich an vielen Kommentaren im Netz ablesen lässt. Aber das macht die Sache nur noch schlimmer: Jetzt zeigen die vielen "Mir haben Schläge früher auch nicht geschadet"-Befürworter glücklich auf dich und sagen "Ha! Der smarte Jamie muss auch mal hart durchgreifen, das ist halt so bei Kindern" ("Mir hat das nicht geschadet" ist ein ziemlich verlässliches Zeichen dafür, dass es einem sehr wohl geschadet hat, aber das nur am Rande).

Und nein, ich mache mir jetzt keine Sorgen darüber, ob die Oliver-Kinder im großen Stil misshandelt werden und will nicht ausschließen, dass deine Poppy mittlerweile vielleicht sogar über den Vorfall lachen kann. Aber das ändert nichts an dem unangenehmen Beigeschmack, den dein Name von jetzt an für mich haben wird, wenn ich irgendwas über dich lese. Seinen Kindern so gezielt Schmerzen zuzufügen, ist unentschuldbar. Und mit der "originellen Strafe" hinterher auch noch anzugeben, schmeckt doppelt schlecht.

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