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Christiane Paul: "Ohne Streit geht es nicht"

In "Ob ihr wollt oder nicht" (Kinostart 30. April) spielt Christiane Paul eine von vier Schwestern. Warum sie die Rolle erst nicht wollte, was ihr Familie bedeutet und wie sie über Sterbehilfe denkt, erzählt sie im Interview.

Über den Film "Ob ihr wollt oder nicht"

"Jetzt ist Schluss!", denkt sich die unheilbar an Krebs erkrankte Laura (Katharina Schubert), bricht ihre Chemotherapie ab und quartiert sich bei ihren Eltern ein, um in Ruhe in ihrem alten Kinderzimmer zu sterben. Ihre Mutter (Senta Berger) kann damit nicht umgehen und ruft Lauras drei Schwestern Susa (Christiane Paul), Coco (Anna Böger) und Toni (Julia Maria Köhler) zu Hilfe, die sie zu einer weiten Behandlung überreden sollen. Doch Laura bleibt stur. Die verbleibende Zeit will sie aber noch nutzen, um ihre Familie wieder einander näher zu bringen. Ein warmherziger, wahrhaftiger Film, der es tatsächlich schafft, einen leichten Zugang zu den schweren Themen Tod und Sterbehilfe zu finden, indem er das Leben feiert, so lange es währt.

Interview mit Christiane Paul

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BRIGITTE.de: Vier Schwestern musste Regisseur Ben Verbong für "Ob ihr wollt oder nicht" finden. War beim Casting von vornherein klar, welche Schauspielerin welche Schwester spielen soll?

Christiane Paul: Ja, der Regisseur und die Produzentin hatten schon sehr klare Vorstellungen.

BRIGITTE.de: Und Sie konnten sich mit der Rolle der Susa auch am besten identifizieren?

Christiane Paul: Nein, am Anfang nicht. Ich habe auch gezögert, ob ich die Rolle überhaupt annehmen soll oder nicht. Aber das Drehbuch war so gut, dass ich letztlich doch Ja gesagt habe.

BRIGITTE.de: Warum hatten Sie mit Susa anfangs Probleme?

Christiane Paul: Weil sie keine Sympathieträgerin ist. Nicht, dass ich immer Sympathieträgerinnen spielen würde, aber sie ist schon eine schwierige Person - sehr unnahbar, sehr kühl, jemand mit Haaren auf den Zähnen, der gern den Finger in die Wunde legt und sehr verletzend sein kann. Letztlich hat es sich aber doch als große Herausforderung und als großer Spaß erwiesen, auch mal die "Böse" zu spielen, wenn auch eine, die eine Wandlung durchmacht. In einer Szene offenbart Susa sich und ihre Gefühle ja sehr stark.

Nach "Ob ihr wollt oder nicht" habe ich mit Ulrich Tukur, Marie Bäumer und Bruno Ganz "Der große Kater" gedreht. Da spiele ich auch eine Person die hintenherum versucht, zu intrigieren und Einfluss zu nehmen, also auch nicht gerade die Protagonistin, sondern die Antagonistin. Ich weiß nicht, ob das etwas mit mir zu tun hat (lacht), aber es ist auf jeden Fall spannend. Ein großes Vorbild für solche Rollen ist Glenn Close. Sie ist als Böse einfach herrlich.

BRIGITTE.de: In der Szene, die Sie angesprochen haben, hat man den Eindruck, Susa kommt von allen am wenigsten mit dem bevorstehenden Tod der Schwester zurecht.

Christiane Paul: Diese Wertung kann man nicht machen, glaube ich. Es ist für jeden in der Familie auf seine Art schwer, mit der Situation zurechtzukommen - nur hat der eine im Film mehr Gelegenheit, das zu zeigen, und der andere weniger.

BRIGITTE.de: Susas Motto ist: "Man darf nicht aufgeben". Können Sie sich damit identifizieren?

Christiane Paul: Eigentlich schon, aber bei Susa ist es eine Flucht. Sie versucht, einer Auseinandersetzung mit der Ist-Situation aus dem Weg zu gehen. Das ist bei mir anders, ich stelle mich schon der Situation. Natürlich würde ich auch immer versuchen, alles möglich zu machen, aber Susa will überhaupt nicht konfrontiert werden mit dem Tod ihrer Schwester oder damit, dass sie sich jahrelang nicht um sie und die Familie gekümmert hat. Andererseits hat Susa schon auch noch einen Funken Hoffnung, dass man ihrer Schwester helfen kann. Die Medizin ist heute so weit, und Susa, die im Bankwesen tätig ist und weiß, dass alles machbar ist, wenn man es bezahlen kann, versucht natürlich auch alles - koste es, was es wolle.

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BRIGITTE.de: Sie haben selbst eine Schwester. Konnten Sie für den Film aus Ihrem Erfahrungsschatz schöpfen?

Christiane Paul: Nicht ganz, dazu ist der Altersabstand bei uns zu groß. Meine Schwester ist 12 Jahre älter als ich. Natürlich haben wir schon gemeinsame Erinnerungen an die Kindheit und unser Familienleben. Aber die Konstellation im Film ist dann doch eine andere. Da sind wir wie die Orgelpfeifen, vier Schwestern, die alle miteinander aufgewachsen sind.

BRIGITTE.de: Und die, sobald sie nach Hause kommen, wieder in ihre alten Rollen fallen.

Christiane Paul: Ja, das kenne ich von uns auch. Das ist aber okay so. Für die Eltern bleibt man eben ein Leben lang das Kind.

BRIGITTE.de: Die Familie im Film hat sich auseinandergelebt, kommt sich in dieser speziellen Situation aber wieder nahe. Wie schafft man es, sich gar nicht erst soweit voneinander zu entfernen?

Christiane Paul: Das ist schwierig. Und nicht jede Familie hat so eine gute Basis wie diese in dem Film. Wenn die Basis fehlt, muss man sich lösen und sich seine Familie woanders suchen, im Freundeskreis etwa. Gelassenheit, Liebe und Toleranz sind auf jeden Fall wichtig - in jeder Beziehung. Bei uns Zuhause kracht es auch ab und zu. Ohne Streit und Konflikt geht es eben nicht. Das wäre sonst kein ehrlicher Umgang miteinander. Aber bei einem gutem Fundament findet man auch wieder zusammen.

BRIGITTE.de: Und Sie haben dieses gute Fundament?

Christiane Paul: Ja, aber ich mache mir schon Gedanken darüber, ob ich für meine Familie so da sein kann, wie sie es für mich ist. Das beschäftigt mich gerade sehr. Durch meinen Beruf bin ich viel unterwegs, möchte aber für meine Eltern da sein, wenn sie mich wirklich brauchen. Sie fordern das nicht ein, aber ich finde, das gehört einfach dazu.

BRIGITTE.de: In dem Film geht es auch um das Thema Sterbehilfe. Wie stehen Sie dazu? Sie waren ja auch mal Ärztin.

Christiane Paul: Das hat damit nicht viel zu tun. Ärztin war ich nur eineinhalb Jahre. Zum Thema Sterbehilfe besteht in Deutschland noch viel Diskussionsbedarf. Jeder sollte das Recht haben, selbst darüber zu entscheiden, wann er gehen möchte. Und wenn er sich entscheidet zu gehen, kann es nicht sein, dass er dafür ins Ausland reisen muss. Wir brauchen eine neue Gesetzgebung. Dass es Missbrauchspotenzial gibt, ist sicher nicht auszuschließen. Dem muss man sich aber stellen. Wir haben eine veränderte Gesellschaft, eine moderne Gesellschaft mit Menschen, die länger leben, aber dadurch eventuell auch länger leiden. Betroffene müssen die Möglichkeit haben zu reagieren, wenn sie das möchten. Die Patientenverfügung ist da schon mal ein Anfang.

Der Trailer zum Film "Ob ihr wollt oder nicht"

Interview: Katharina Wantoch Fotos: 3L

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